Die Bewohner unserer westafrikanischen Kolonien

Textdaten
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Autor: Hugo Zöller
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Titel: Die Bewohner unserer westafrikanischen Kolonien
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 15, S. 255–258
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Beschreibung von Ethnien in Kamerun, Togo und angrenzenden Gebieten
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Die Bewohner unserer westafrikanischen Kolonien.

Von Hugo Zöller. Mit Abbildungen nach Photographien des Verfassers.
Vier Völkergruppen. – Das Fetischwesen der Togoleute. – Die Heimathsliebe der Kruneger. – Die Trommelsprache der Dualla. – Kriegskanoes, die unsere Dampfer an Schnelligkeit übertreffen. – Fahrzeuge, die man gleich Regenschirmen unter den Arm nimmt. – Die angeblich menschenfressenden Binnenlandsbewohner des Kamerungebiets.

Wer den westafrikanischen Kolonieen des Deutschen Reiches einen Besuch abstattet, wird mit vier großen Völkergruppen in Berührung kommen, nämlich erstens den zum Stamm der Eweneger gehörigen Togoleuten, zweitens mit den die Küste des Kamerunlandes bewohnenden Sippen, die ich unter dem Gesammtnamen „Kamerunvolk“ zusammenfassen möchte, drittens mit den Fan oder Binnenlandsbewohnern des südlichen Kamerungebiets und viertens mit den allenthalben in Westafrika als Arbeiter und Gehilfen des weißen Mannes dienenden, bekanntlich aus Liberia stammenden und nach abgelaufenem Vertrage auch stets wieder zur Heimath zurückkehrenden Krunegern. Allen Individuen dieser vier Völkergruppen sind die bekannten körperlichen Merkmale der Negerrasse, nämlich schwarzbraune Hautfarbe und wolliges Haar, gemeinsam, aber in Bezug auf geistige Anlage, Charakter und Kulturstufe zeigen sich die allergrößten Verschiedenheiten.

Bei den Togonegern, die ein verhältnißmäßig friedfertiges und in materieller Beziehung zu ziemlich hoher Kulturstufe emporgestiegenes Naturvolk darstellen, ist dem Verfasser dieses Aufsatzes nichts so sehr aufgefallen, wie ihr an griechisch-römische und altägyptische Ueberlieferungen erinnerndes Religionssystem. Tritt man in ihre trotz alles phantastischen Aufputzes durchaus nicht ohne einen gewissen Geschmack angelegten Tempel, beispielsweise in denjenigen des Kriegs- und Sternschnuppengottes oder in denjenigen der Liebesgöttin, so weht uns bei aller Bizarrerie, die nun einmal der Negernatur anhaftet, ein gewisser Hauch des klassischen Heidenthums entgegen, wie wir ihn seit unserer Gymnasialzeit und dem Studium griechisch-orientalischer Mythologie nicht mehr empfunden haben. Freilich sind die in diesen architektonisch ganz interessanten Tempeln stehenden und, milde ausgedrückt, doch recht fratzenhaften Statuen aus rothem Thon alles andere eher denn Seitenstücke zum Zeus von Otrikoli oder zur milonischen Venus. Und ebensowenig können die über und über mit weißglänzenden Kaurimuscheln behängten Fetischweiber – die scheußlichsten Hexen, die man sich nur vorzustellen vermag – wenn sie in langer Prozession über die schmutzigen Straßen von Be oder Porto Seguro ziehen, mit dem ehrwürdigen Institut der römischen Vestalinnen verglichen werden. Aber an das alte Aegypten erinnert die in verschiedenen Gegenden sehr verschiedenen Thiergattungen gezollte göttliche Verehrung, die sie vor Verfolgung schützt und ihnen ein verhältnißmäßig bequemes Leben bereitet. Während im Togoland Kühe, Leoparden und die Krokodile einzelner Lagunentheile als gotterfüllte Wesen angesehen werden, baut man bei Groß-Povo und in Dahome den nicht giftigen Schlangen förmliche Tempel und betrachtet die Bachstelzen als Verkörperungen einer besonders mächtigen und einflußreichen Gottheit.

Die Kruneger, die sich durch viele Charaktervorzüge und namentlich auch durch ihren größeren Fleiß vor den Bewohnern des Togo- und des Kamerunlandes auszeichnen, stehen dennoch und trotz ihrer recht guten Anlagen in aller und jeder Beziehung auf einer sehr viel niedrigeren Kulturstufe. Der hervorragendste Zug ihres kindlichen und auf das Materielle gerichteten, aber jeder Bösartigkeit entbehrenden Charakters ist eine Heimathsliebe, wie sie im gleichen Grade kaum bei irgend einem europäischen Volke zu finden sein dürfte. Tritt man in eine der zu jeder Faktorei gehörigen Krukasernen, so findet man stets und unweigerlich ein und dieselben Wandmalereien, nämlich rohe und kindische Abbildungen großer und kleiner Dampfschiffe, sowie für jeden Insassen eine Art von Kalender, der durch täglich hinzugefügte und schließlich zu Mondmonaten zusammengereihte Striche anzeigt, wie weit das Jahr, auf das sich der Krumann verdungen hat, [256] bereits vorgeschritten ist. Und wehe dem armen Kaufmann, der sich, vielleicht weil die von Liberia erwartete neue Sendung ausgeblieben ist, auch nur ein paar Tage lang über die vertragsmäßige Zeit hinaus auf die Dienste solcher nach der Heimath verlangenden Kruleute angewiesen sieht! Er hat es alsdann mit gedanken- und überlegungslosen Leuten zu thun, deren Seele in einem anderen Lande lebt und die ihm in wenigen Stunden mehr Aerger bereiten werden als sonst wohl in Monaten.

Während man die Bewohner des Togolandes zu den sogenannten echten Negern rechnet, gehören die Dualla, die Bakwiri, Bambuku, Banoko, Bapuko, Kumbe und alle sonstigen die Küste bewohnenden Stämme der deutschen Kolonie Kamerun zur großen und weitverbreiteten Rasse der Bantuneger. Da es für diese aufgezählten Stämme, die sich trotz der nahen Verwandtschaft der von ihnen gesprochenen Dialekte ihrer Zusammengehörigkeit kaum bewußt sind, bisher keinen Sammelnamen gab, so hat der Verfasser dieses Aufsatzes den Vorschlag gemacht, sie mit dem gemeinsamen Namen „Kamerunvolk“ zu bezeichnen. Eine vollständige Schilderung der in mancher Hinsicht sehr lehrreichen Sitten und Gebräuche dieses Volkes kann in dem knappen Rahmen eines einzelnen Aufsatzes kaum versucht werden. Anstatt abgerissene Notizen zu geben, dürfte es eher angebracht sein, die beiden hervorragendsten Kulturleistungen des Kamerunvolkes, nämlich die Ausbildung eines ausgiebigen Signalwesens (Trommelsprache) und den Bau höchst eigenartiger See- und Flußfahrzeuge, etwas näher zu besprechen.

Batanganeger mit ihren Kanoes.

Einige Stämme des Kamerunvolkes, und zwar in erster Linie die Dualla, haben es in Bezug auf Lautsignale weiter gebracht als irgend eine europäische Nation. Vermittelst verschiedenartiger, namentlich auch langer und kurzer Trommellaute können sie sich auf weite Entfernungen alle möglichen Nachrichten mittheilen. Bisweilen hört man ganze Nächte hindurch dieses Trommeln von Ort zu Ort und von Landschaft zu Landschaft herüberschallen. Die Signale gleichen nicht etwa den bei unserem Militär üblichen, sondern wir haben es hier mit einer vollkommen ausgebildeten Sprache zu thun, vermittelst deren man nicht nur einige der Zahl nach sehr beschränkte Befehle, sondern alles und jedes mittheilen kann. Häufig, wenn ich mit eingeborenen Begleitern aus dem unteren Kamerungebiet landeinwärts reiste, war es mir angenehm, durch ihre Kenntniß der Trommelsprache zu erfahren, womit man sich in den umliegenden Ortschaften beschäftigte und was man etwa gegen uns im Schilde führte. Bald hieß es, der und der habe seinen Bruder zum Abendessen eingeladen, bald theilte ein König seinem Volke mit, daß er sehr böse sei, weil ich ihn beim Vorübermarsch nicht besucht und ihm keine Geschenke gegeben habe, bald wurde jemand beauftragt, Palmwein zu holen, oder es erging auch wohl der Befehl, sich auf einen etwaigen feindlichen Ueberfall vorzubereiten. Die Trommelsprache muß gleich jeder anderen Sprache erlernt werden und es giebt recht begabte und hochstehende Neger, wie z. B. Jim Equalla von Dido-Stadt, die ihrer nicht mächtig sind. Auf Dualla heißt Wasser „Madiba“, aber in der Trommelsprache heißt es, soweit mein Gehör zum Verständniß ausreichte, „To–ku–lo–o–ku.“ Da das Instrument, dessen man sich zur Trommelsprache bedient – ein ausgehöhlter Holzklotz –, bloß wenige, allerdings sehr modifizierbare Töne besitzt, so müssen die Worte der Trommelsprache natürlich sehr lang werden. Obwohl die Trommelsprache im großen und ganzen innerhalb jenes Gebiets, wo sie überhaupt bekannt ist, die nämliche zu sein scheint, so giebt es doch gewisse örtliche Verschiedenheiten, die ich nicht in der Ebene, wohl aber im Gebirge angetroffen habe, und die es mit sich bringen, daß sich hier bloß gewisse Gruppen von Dörfern unter einander verständigen können. Von keinem anderen Volke der Welt weiß man, daß es ein ähnliches Verständigungsmittel erfunden hätte. Zwar kennt man auch am Kongo Hornsignale, durch die sich gar mancherlei mittheilen läßt, aber soviel bekannt, ist auf der ganzen Erde einzig und allein im Kamerunland das Signalwesen zu einer vollkommenen Sprache ausgebildet worden. Und das Seltsamste ist, daß diese Sprache nicht bloß getrommelt, sondern auch, wie ich bereits oben mit dem Worte „To–ku–lo–o–ku“ andeutete, gesprochen, beziehentlich mit dem Munde nachgeahmt werden kann. Wenn die eingeborenen Händler sich in Gegenwart von Europäern, die des Dualla-Idioms mächtig sind, unter einander verständigen wollen, so ahmen sie die Trommelsprache nach. Jedenfalls gehört ein außerordentlich feines Gefühl dazu, um diese Sprache verstehen zu können.

Eine zweite nicht ganz so große, aber doch auch recht achtungswerthe Kulturleistung des Kamerunvolkes ist der Bau von höchst originellen und ganz vortrefflich ihrem Zwecke dienenden See- und Flußfahrzeugen, zu denen es meines Wissens in Europa kein Gegenstück giebt. Wenn man in Europa von den Festen und den kriegerischen Aufzügen der Neger liest, so stellen wohl die meisten Leute sich vor, daß dieselben sowohl barbarisch als auch kindisch sein müßten. Beides ist durchaus nicht in allen Fällen zutreffend. Ich entsinne mich, daß, als einmal Admiral Knorr die hervorragendsten Häuptlinge der Dualla zu einem großen Palaver berufen hatte, die vielen Dutzend mit je 50 bis 60 Ruderern und Flintenträgern bemannten Kriegskanoes, die damals im Kamerunfluß herumfuhren, sich zu einem Gesammtbilde gruppirten, wie man es sich gar nicht bunter, mannigfaltiger, großartiger und wirkungsvoller hätte vorstellen können. In der That gewährt schon jedes einzelne der 20 bis 30 Meter langen, aber ganz schmalen Kriegskanoes mit der starken wohlgeschulten Bemannung und dem bunten, aber durchaus nicht geschmacklosen Aufputz einen imponirenden Eindruck. Gewöhnlich steht hoch aufgerichtet der Führer mit Gewehr und Kriegshelm in der Mitte, während seine Leute, die je nach Bedarf Ruderer oder Schützen sind, ihre herzförmig geschnitzten Riemen mit einer Gleichförmigkeit und Geschicklichkeit ins Wasser tauchen, die selbst den Gigmannschaften europäischer Admiralsschiffe zur Ehre gereichen würde. Bei irgend einem feierlichen Anlaß ist der Vordertheil dieser Kriegskanoes mit hübsch geschnitzten, viele Menschen- oder Thierfiguren enthaltenden und buntbemalten Bootaufsätzen geschmückt. Niemals werde ich den malerischen Anblick vergessen, als von mehreren mit der Geschwindigkeit eines Rennpferdes dahinschießenden Kriegskanoes aus Schüsse und Trommelwirbel das Nahen Manga Bells verkündeten. Umgeben von mehreren ehrfurchtsvoll zu ihm aufblickenden Flintenträgern, war der mit Kriegshelm, Hüftentuch, Wamms, Offiziersäbel und Revolver ausgestattete Königssohn eine stattliche Erscheinung.

Die kleinen Könige und Häuptlinge des Kamerunlandes haben häufig genug Kriege unter einander geführt, bei denen ihren Kriegskanoes wenn nicht die größte, so doch jedenfalls eine sehr große Rolle zufiel. Obwohl die Neger nicht gerade sehr viel Schneidigkeit zeigen und kühne Ueberfälle ihrer Natur nur wenig entsprechen, so wäre es den deutschfeindlichen Joßleuten doch einmal nahezu geglückt, durch die pfeilartige Geschwindigkeit ihrer Kriegskanoes den gänzlich wehrlosen Woermannschen Dampfer „Dualla“ zu überholen und zu überrumpeln. Denn gute und gut geführte Kriegskanoes übertreffen an Schnelligkeit alle besten bisher in Westafrika existirenden Flußdampfer. Die Bewaffnung der Kamerunneger besteht nur noch selten aus Lanzen, sondern meistens aus Steinschloßflinten oder Hinterladern und aus kurzen Schwertern, beziehentlich langen Messern. Die Waffen werden sehr schlecht gehalten und alle Snidergewehre, die ich sah, waren unglaublich schmutzig und verrostet. Die Kriegshelme gleichen [257] in der Form dem früheren bayerischen Raupenhelm. Sie haben bisweilen zum Schutz von Ohren und Schläfen bestimmte viereckige Klappen, wie sie sich in der gleichen Form und zum gleichen Zweck auch bei den altgriechischen Helmen vorfinden. Ueberzogen sind die Negerhelme meistens mit schwarzem Affenfell. Von einer Vergiftung der Waffen ist mir niemals etwas zu Ohren gekommen; man liebt es dagegen, mit gehacktem Blei zu schießen.

Ein Mpangwe- oder F[a]nneger.

Wendet man sich vom nördlichen zum südlichen Kamerungebiet, so findet man nicht minder seltsame, obwohl ganz anders geartete Fahrzeuge. Die Batangaleute sind berühmt wegen ihrer ebenso winzigen wie hübsch gearbeiteten Kanoes, welche den bekannten Grönländer Booten ihren Ruhm, auf unserer Erde die kleinsten von uns Menschen benutzten Fahrzeuge zu sein, mit Erfolg streitig machen dürften. Diese Batangakanoes, die bei 2 bis 3 Meter Länge höchstens 30 cm breit sind und von denen unsere Abbildung auf S. 256 eine Anschauung giebt, besitzen so dünne Wandungen, daß die schwersten, die ich sah, 7 bis 8, die leichtesten dagegen bloß 4 kg wogen. Sobald die Insassen an Land kommen oder an Bord eines Dampfers steigen, pflegen sie und zwar wohl ein wenig in der Absicht, damit zu renommiren, ihre Boote gleich Regenschirmen unter den Arm zu nehmen, was natürlich höchst komisch aussieht und ihnen bisweilen, wenn sich gerade Fremde an Bord der Dampfer befinden, ein kleines Geschenk einträgt. Mit diesen Miniaturschiffchen bewältigen die Batanganeger jede noch so tosende Brandung, vor welcher der kühnste europäische Kapitän zurückschrecken würde. Da nicht Platz genug vorhanden ist, um in diesen Booten zu sitzen, so setzen sie sich auf dieselben, indem sie an jeder Seite ein Bein ins Wasser hängen lassen, und gewähren in dieser Stellung einen Anblick, als ob sie auf Seepferden die Wogen hinauf und hinunter glitten. Es sieht ebenso eigenartig wie hübsch aus, wenn jeden Morgen mit gleicher Pünktlichkeit gegen 7 Uhr eine ganze Flotte dieser Kanoemänner zum Fischfang hinauszieht. An jener durch Felsblöcke bezeichneten Grenze, über welche die Haifische nicht hinaus gelangen, angeln sie dann, aber mit unverhältnißmäßig geringem Erfolg, nach kleinen, sehr wohlschmeckenden Fischchen. Auch im Batangalande sah ich lange buntbemalte Kanoes, die aber kein eigenes Machwerk, sondern von Kamerun aus hierher gebracht sind.

Eine Hütte der Fanneger.

Der vierte Volksstamm, mit dem man in unseren westafrikanischen Besitzungen in Berührung kommt, sind die Mpangwes, die sich selbst Fan, Fam, Pamfan, Famfan, Pangwe oder Mpangwe nennen – lauter Wörter, die mit einem starken Nasallaut ausgesprochen werden. Von Osten her aus dem Innern kommend und unaufhaltsam nach Westen und Nordwesten vordrängend, haben sie an einigen Punkten der französischen Kolonie Gabun bereits die Küste erreicht, während sie in den deutschen Besitzungen von Kamerun und zwar einstweilen mit dem Lokundjefluß als Nordgrenze hinter den mit dem Duallavolk verwandten Küstenstämmen sitzen und bloß als neugierige Besucher oder auch als Lastträger zur Küste herunterkommen. Die unaufhaltsame und keine Zwischenpausen kennende Vorwärtsbewegung der Fan geht, da sie im vollsten Sinne des Wortes eine Art von Kolonisation ist, sehr langsam von statten und dürfte auch, da die Fan sich kaum sehr viel lästiger erweisen werden als die durch ihr Handelsmonopol verderbten Küstenvölker, keine besonders schlimmen Folgen nach sich ziehen. Die Sprache der Fan, die, wie man aus gewissen Anzeichen schließen will, mit den von Schweinfurth beschriebenen Niamniam verwandt sein dürften, ist von derjenigen der Dualla und anderer Küstenvölker gänzlich verschieden. Sie stehen bei allen Küstenvölkern in dem Rufe, Menschenfresser zu sein, wie man ihnen überhaupt allerlei wilde und barbarische Gelüste andichtet. Ich habe niemals einen Volksstamm gesehen, dessen Individuen in so ausgiebiger Weise wie die Mpangwes mit Schmucksachen behängt gewesen wären. Auf das, was wir Kleidung nennen, legen sie wenig Werth und tragen die unsaubersten Hüftentücher, die ich in Westafrika gesehen habe. Aber eine um so größere Sorgfalt wird der künstlichen Frisur des Haars, dem Aufputz mit Messingringen, Perlschnüren und ähnlichem zugewandt. Im folgenden will ich versuchen, die Toilette eines mit freundlichem Gesicht und guter Figur ausgestatteten jungen Mädchens zu beschreiben: Quer über dem Kopf von der Stirne bis zum Nacken zwei zu einer harten Masse zusammengeleimte, etwa 1½ Zoll hohe Haarflechten, zwischen denen die Kopfhaut glatt rasirt ist. Zu beiden Seiten und bis zu den Ohren herunterreichend einige Dutzend parallel laufender, aber ganz feiner Flechten. An den Ohren und hinten im Nacken baumelt etwa ein halbes Hundert winzig kleiner Zöpfchen herunter. Hoch über der Stirn umschließen diesen Haarputz diademartig drei Ketten blauer Perlen. Etwas weiter abwärts überdecken die Stirne: erstens ein dünnes Geflecht aus frischem grünen Gras und zweitens eine Anzahl aus Fäden aufgereihter weißer Porzellanknöpfe. Außerdem hängen noch von der Stirne abwärts drei je 1½ Fuß lange Schnüre rother Perlen über Augen, Nase und Mund herunter. Den Hals umschließen fünf zusammen etwa 9 Pfund wiegende Messinghalsbänder ohne Charnier, die also, wenn man sie abnehmen will, auseinander gebogen werden müssen. Ueber der Brust hängen ein in Leopardenfell eingenähtes Amulett und zwei Reihen größerer Perlen. Ein wenig oberhalb des kurzen, zerrissenen und schmutzigen Hüftentuches wird die Taille ebenfalls wieder von einigen Perlschnüren umschlossen. Den rechten Oberarm umspannt ein sehr schwerer Messingring, den man in gleicher Form über jedem der beiden Fußgelenke wiederfindet. An beiden Unterarmen befinden sich oberhalb des Handgelenks je zwei leichtere Messingreifen. Am linken Oberarm ist durch etwa ein Dutzend schmaler Messingringe, deren innerste am engsten sind, eine derartige Einpressung erzeugt worden, daß der Arm dort weniger dick ist als am Handgelenk. Dieselbe Sitte habe ich sonst bloß noch bei den Bubis von Fernando Po gesehen, allerdings mit dem Unterschied, daß man dort zum Einpressen des linken Oberarms Leder und nicht Messing verwendet. Schließlich wäre noch zu erwähnen, daß sich vom linken Ohr eine dünne Schnur rother und blauer Perlen durch die inwendig durchbohrte Nase hindurch zum rechten Ohr hinüberzieht. Man wird zugestehen müssen, daß diese Toilette, ohne dem [258] Körper ausreichenden Schutz zu verleihen, nicht gerade einfach genannt werden kann. Einige Frauen, die wir am Munifluß sahen, waren ähnlich den Fetischweibern des Togolandes über und über mit Kaurimuscheln behängt. Andere hatten wegen der Trauer um einen kürzlich verstorbenen Häuptling ihren Körper mit gelbgrüner Erde beschmiert, was ihren Gestalten etwas Unheimliches und beinahe Gespensterhaftes verlieh. Die Männer trugen, ausgenommen einige Stutzer, die sich mit den Fellen junger Leoparden und wilder Katzen geschmückt hatten, sämmtlich bloß Hüftentücher. Einige hatten ihren Kopf nach Art der Muhammedaner rasirt, andere hatten sich eine regelrechte Tonsur und wieder andere hatten sich eine Frisur im Stile der Pompadour zugelegt. Lanzen, Bogen und Pfeile habe ich nicht gesehen, wohingegen man fast niemals einen erwachsenen Mpangwemann trifft, der nicht sein geladenes Gewehr in der Hand hielte. Ihre kurzen, nach Art der altrömischen geformten Schwerter tragen die Mpangwes ebenso wie die meisten übrigen Neger entweder an einer kurzen, über den Oberarm gestreiften Schnur oder an einem schärpenartigen Riemen; in beiden Fällen hängt die Klinge nicht etwa an der Hüfte, sondern an der linken Seite der Brust. Als besondere Sehenswürdigkeit zeigte man uns einen blitzartig gewundenen, mit einer Schnur zum Umhängen versehenen Messingstab, welcher denjenigen, der ihn trage, unverwundbar mache. Derjenige Vertreter der Mpangwe, welchen unsere Abbildung zeigt, trägt eine offenbar nur für friedliche Zwecke bestimmte Ausrüstung, Stab, Messer und Trinkflasche.

Trotz der Fremdartigkeit des Aufputzes findet man viele freundliche und bisweilen sogar hübsche Gesichter, die zu den landläufigen Erzählungen von der Wildheit der Fan einen schreienden Gegensatz bilden. Die jungen Mädchen haben bisweilen überaus milde Gesichtszüge, mit denen ihr schüchternes und doch wieder zutrauliches Wesen vollkommen im Einklang steht. Wie überall in Westafrika, so sind auch hier die älteren Frauen von wahrhaft erschreckender Häßlichkeit. Ein besonderes Interesse zeigten die Leute, wie ich das auch anderwärts in Westafrika beobachtet habe, für Farbe und Beschaffenheit unseres Haars. Unsere Frage, ob sie uns nicht einen von ihnen (die Fan stehen in dem Rufe, Menschenfresser zu sein) zum verspeisen geben wollten, erregte außerordentliche Heiterkeit. Scherzend erwiderten sie, sie hätten nichts dagegen, wenn wir ihnen zum Entgelt den Kapitän unseres Dampfers, der gemäß seiner Körperfülle einen guten Bissen abzugeben versprach, ausliefern wollten. Scheu waren die Leute durchaus nicht. Namentlich die Männer kamen sofort zu uns, um uns die Hand zu schütteln. Die Weiber und Mädchen kicherten dagegen und zeigten eine gewisse kokette Furcht, wie man das häufig bei Negerinnen zu finden pflegt. Unsere untere Abbildung auf S. 257 läßt uns einen Blick in das Innere einer Fanhütte thun, vor welcher, nicht ohne Gefühl seiner Würde, der Hausherr seinen Sitz eingenommen hat.

Die Fan besitzen genau dieselben aus einem cylinderförmigen inwendig ausgehöhlten Stück Holz bestehenden Trommeln, wie sie zu der hochentwickelten Signalsprache der Dualla verwandt werden. Aber die Trommelsprache selbst, deren Gebiet sich von Kamerun aus in südlicher Richtung bloß bis Malimba erstreckt, ist den Fan völlig unbekannt.

Unzweifelhaft sind die Fan nicht bloß das mächtigste und zahlreichste Volk in dieser ganzen Gegend, sondern auch an Kriegstüchtigkeit und persönlichem Muth den Küstenstämmen weit überlegen. In politischer Hinsicht werden sie aber voraussichtlich schon deshalb nicht gefährlich werden, weil die einzelnen Stämme stets unter sich in Fehde liegen. Die Fan verdrängen wohl andere Negerstämme, aber bloß um in deren Rolle einzutreten, nicht um mächtigere Staatswesen zu gründen, als es die früheren gewesen waren.