Textdaten
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Autor: Max Ring
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Titel: Die Berliner Feuerwehr
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 44, S. 600–604
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1857
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Die Berliner Feuerwehr.

Man erzählt sich in Berlin folgende charakteristische Anekdote, welche die Meinung des Volkes über das neue Institut der Berliner Feuerwehr am besten auszudrücken scheint. Ein Berliner Weißbier-Philister erwacht vor einiger Zeit um Mitternacht in seinem Bette von einem lauten Geräusche, das ihn im Schlafe stört. Erschrocken, weil er Diebe vermuthet, springt er von seinem Lager auf und blickt sich verstört um; da steht ein Feuermann vor ihm, der ihm höflich sagt:

„Entschuldigen Sie; es hat soeben bei Ihnen gebrannt und wir haben, während Sie schliefen, das Feuer gelöscht.“

Trotz aller Uebertreibung liegt doch eine gewisse Wahrheit dieser Geschichte zu Grunde. Ohne viel Geräusch wirkt die Berliner Feuerwehr Großes; sie ist überall mit Blitzesschnelligkeit zur Hand, wo Gefahr droht. Mit Nichtachtung des eigenen Lebens bändigt sie das entfesselte Element und wird der verzehrenden Flamme Herr und Meister. Wie manches Eigenthum, wie viele Menschenleben verdanken ihr allein die Rettung! Das ist nicht immer so in Berlin gewesen. Es gab eine Zeit, und das noch gar nicht lange her, wo das Löschwesen der Residenz sich in einem ziemlich argen Zustande befand. Jetzt braucht Berlin weder Hamburg, noch Paris nachzustehen, die es sogar in manchen wesentlichen Punkten übertrifft.

Berliner Feuerwehr.

Früher war ein Feuer in der Hauptstadt der Gegenstand des allgemeinen Schreckens, verbunden mit einem wüsten Lärm, mit großer Unordnung aller Art, mit Diebstählen und Verlusten an Gut und Blut. Die Löschmannschaft bestand aus alten, abgelebten Bürgern; das Feuersignal wurde von schläfrigen Nachtwächtern mit ohrzerreißenden Hörnern gegeben; die Bespannung der Spritzen war meist mangelhaft; viele Unberufene drängten sich hinzu und benutzten den vorhandenen Wirrwarr, um zu stehlen und allerlei Unfug zu treiben. Allen diesen Uebelständen hat die neuorganisirte Feuerwehr mit einem Male abgeholfen.

Diese segensreiche Schöpfung, deren Nothwendigkeit sich immer mehr herausstellte, verdankt dem verstorbenen General-Polizei-Director von Hinkeldey im Jahre 1851 ihr Leben. Gut Ding will Weile haben, und so schwebten auch die betreffenden Verhandlungen wegen des Kostenpunkts zwischen den Deputirten des Polizei-Präsidii und des Magistrats acht Jahre, bevor sie durch die Entscheidung des Ministeriums des Innern ihr Ende erreichten. Es wurde, außer der Bestreitung der ersten Einrichtungskosten, ein jährlicher Etat von 105,255 Thalern und 5 Silbergroschen genehmigt; allerdings eine bedeutende Summe, welche aber hinlänglich durch den erzielten Nutzen aufgewogen wird.

Nach der neuen Organisation besteht das Personal der Feuerwehr

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Der Feuerwehrmann mit dem Rettungssack.

aus dem Branddirector, einem Brandinspector, vier Brandmeistern, vierzig Oberfeuermännern, 180 Feuermännern und 360 Spritzenleuten. Von den Feuermännern müssen ein Drittel Maurer, ein Drittel Zimmerleute und das letzte Drittel sonstige Bauhandwerker sein. Die Mannschaften haben 48 Stunden Dienst und 24 Stunden Ruhe, indeß muß ein Theil der jedes Mal Ruhe habenden die öffentlichen Theater und Vergnügungslocale beziehen, um die nöthigen Vorsichtsmaßregeln zur Verhütung eines Feuers zu treffen und die Gebäude zu überwachen.

Endlich sind nun die Bedienungsmannschaften für die Prahmspritzen und fünf königliche Spritzen, und zwar 44 Rohrmeister und 220 Druckmeister noch zu erwähnen. Dieses ansehnliche Corps, welches ein kleines Heer bildet und so groß ist, wie die gesammte Militairmacht von manchem deutschen Fürstenthum, ist [602] vollkommen militairisch disciplinirt und uniformirt. Die Kleidung des gewöhnlichen Feuermannes ist eine blaue Tuchjacke mit Schooß, blauen Revers am Kragen und rother Passepoilirung, rotheingefaßte Achselklappe mit glatten Knöpfen; außer der grauen Tuchhose mit rother Binse noch eine graue Zwillichhose zum Ueberziehen und graue Drillichjacke. Um den Leib hat der Feuermann einen vier Zoll breiten Rettungsgurt aus Rindsleder, woran sich ein stählerner Rettungshaken, eine Fangleine im Ring, ein Handbeil in lederner Tasche, ein Nagelzieher und stählerner Schuh befinden. Das Haupt wird im Dienst durch eine Feuerkappe von schwarz lackirtem Leder mit rothem Streif und silberner Krone bedeckt und reicht bis tief in den Nacken hinab, denselben vor der Gluth und kleineren herabfallenden Gegenständen schützend. Die Spritzenleute haben dagegen einen zwillichenen Ueberrock mit einem Blechschilde auf der Brust, worauf die Abtheilungsnummer, und eine Kappe wie die Feuermänner, jedoch ohne besondere Abzeichen. Diese Kleidung ist eben so zweckmäßig als angenehm in die Augen fallend. Die höheren Grade tragen den blauen Waffenrock mit verschiedenen Abzeichen je nach ihrem Range. Jeder Feuermann darf nicht über vierzig Jahre alt sein und muß in der Armee gedient, eine einwöchentliche Probezeit bestanden und bei seiner Anstellung einen Eid durch Handschlag abgelegt haben.

Diese gesammte Mannschaft ist auf achtzehn Feuerwachen vertheilt, welche sich in den verschiedenen Stadttheilen befinden. Auf jeder dieser Wachen ist eine große fahrbare Spritze nebst Hakenleitern, Rettungssack und einer Rädertiene vorhanden, zu deren Bedienung ein Oberfeuermann mit vier Feuermännern und dem nöthigen Gespann gehören. Außerdem gibt es fünf Brandinspectionen; jede derselben enthält eine Maschinenleiter, einen Utensilien- und Wasserwagen, fünf Rädertienen und einen Personen-Transportwagen. Dazu gehören die nöthigen Feuermänner und 25 Spritzenleute, welche sich von zwei Uhr Mittags bis vier Uhr Morgens bereit halten.

Im Mittelpunkte der Stadt, Breitestraße Nr. 15, liegt endlich die Hauptstation mit 3 Personenwagen, einem Wasserwagen, zu deren Bedienung 2 Oberfeuermänner, 37 Spritzenleute und 20 Feuermänner permanent gehören.

Bricht nun in irgend einer Straße der Stadt Feuer aus, so geschieht die erste Meldung von dem betreffenden Constabler oder Nachtwächter, welche daselbst Wache halten, an den nächsten Wachtposten der Feuerwehr. Derselbe rückt dann sofort aus; die Fahrzeuge werden mit Blitzesschnelligkeit bespannt; die Rädertienen angehängt. In anderthalb, spätestens drei Minuten ist Alles zur Abfahrt fertig. Unterdeß gibt der elektrische unterirdische Telegraph, aus der Fabrik von Siemens und Halska hervorgegangen, die nöthige Meldung an die Centralstelle, welche sich im Mühlenhofe befindet. Zu diesem Behufe ist die ganze Stadt in sechs verschiedene Telegraphenkreise getheilt, welche je wieder in 6–9 Stationen zerfallen, die eben so untereinander wie mit der Centralstelle verbunden sind.

Der Personenwagen der Berliner Feuerwehr.

Derselbe Telegraph umspinnt zugleich mit seinen Drähten das königliche Schloß, die Polizei-Bureaux, die verschiedenen Ministerien, Casernen und die Post. Von jedem dieser Punkte aus fliegt eine Nachricht mit der Schnelle des Gedankens unbemerkt und ungehört dahin. So werden fast gleichzeitig sämmtliche Feuerwachen Berlins von dem Orte des Brandes und von dem Umfange desselben in Kenntniß gesetzt, ehe noch die nächsten Nachbarn eine Ahnung haben.

Man unterscheidet kleines, mittleres und großes Feuer; wird das Letztere signalisirt, so rücken sämmtliche Wachen mit ihren Spritzen aus. In der stillen Nacht oder am lärmenden Tage ertönt plötzlich der bekannte Klang der Signalglocke; die Vorübergehenden weichen zur Seite und flüchten auf das sichere Straßentrottoir, Droschken, Omnibusse und andere Wagen bleiben stehen und lassen die in leichten Federn hängende Wachtspritze vorübersausen. Im nächsten Augenblick erschallt von Neuem das Signal und im raschen Fluge folgen die fünfzig Fuß lange Maschinenleiter, der große Utensilienwagen, der einem Kasten gleicht, der Wasserwagen mit der großen hölzernen Tonne, welche über 50 Kubikfuß Wasser faßt und so eben erst frisch gefüllt worden ist. Den Beschluß bildet der Personenwagen, ein offener Omnibus mit drei langen Bänken, auf denen 30 Feuermänner und Spritzenleute unter Anführung ihrer Vorgesetzten Platz genommen haben.

Es ist ein wunderbarer Anblick, diese kräftigen, todesmuthigen Gestalten so frohen Sinnes der Gefahr entgegenstürzen zu sehen, besonders des Nachts, wenn die rothe Fackelgluth die ausdrucksvollen Gesichter wie ein Rembrandt’sches Bild beleuchtet. Wie ein Phantom, wie eine Geistererscheinung flieht das wilde Heer an uns vorüber und ist im nächsten Augenblick verschwunden und in dichte Finsterniß gehüllt. Wir eilen so schnell als möglich nach und gelangen natürlich weit später an die Stelle, wo das Feuer ausgebrochen ist. Die helle Flamme schlägt zum Himmel empor, dunkle Dampfwolken vor sich hertreibend. Es ist ein Speicher, worin das Feuer bereits wüthet, die benachbarten Häuser sind augenscheinlich in Gefahr mit ergriffen zu werden, da fortwährend ein Funkenregen und brennende Stücke auf sie niederstürzen.

Unterdeß hat ein Theil der Mannschaft und die betreffenden Constabler die Straße und besonders die Brandstätte mit ihrer nächsten Umgebung abgesperrt, so daß jedem Unberufenen der Zutritt versagt wird.

Sobald das Feuer erkannt, das heißt: der Sitz desselben und die Localität, so wie die Beschaffenheit genügend festgestellt ist, wird dasselbe in Angriff genommen. Das Commando ertönt, welches gewöhnlich mit einer Pfeife gegeben wird, die einen höheren scharfen und einen niederen tiefen Ton besitzt. Die Spritze hält; es wird abgesträngt und die Deichsel herausgenommen. Vier Mann sind an dem Schlauche angestellt und zehn Spritzenleute sorgen fortwährend für Zufuhr des Wassers.

Jetzt beginnt die Thätigkeit der Feuerwehr. Mit bewunderungswürdiger Präcision wird der mächtige Wasserstrahl in die glühende Lohe hineingeleitet, welche zischend das ihr feindliche Element empfängt. Aber die Flamme findet fortwährend neue Nahrung und spottet jeder Anstrengung, sie bricht sich neue Bahnen und ergreift das darüber liegende Stockwerk. Wie eine Schlange, begierig auf Beute, eilt der Spritzenschlauch ihr nach, er dehnt [603] und streckt sich in der Luft und wächst, bis er eine Höhe von 150 Fuß erreicht hat. Man muß die im Innern befindlichen Feuer fangenden Gegenstände entfernen, um der Verbreitung des Brandes Einhalt zu thun und zu retten, was noch zu retten möglich ist. Die Treppen brennen schon, der schwarze Rauch wälzt sich den Eindringenden entgegen und droht sie zu ersticken. Aber die kühnen Männer lassen sich nicht abschrecken, für sie gibt es kein Hinderniß.

Die Signalpfeife ertönt von Neuem: An die Leitern – marsch! Im Nu werden die 15 Fuß hohen Leitern senkrecht an die Mauer gelehnt und von Stockwerk zu Stockwerk emporgestiegen, bis zu der Stelle, wo Hülfe am meisten Noth thut. Das müssen geschickte Turner sein, die da oben in den Lüften schweben, sich an Haken und Leinen festhaltend. Mit den mitgebrachten Werkzeugen aus dem Utensilienwagen, mit Beilen, Aexten, Brechstangen, Sägen und Stemmeisen wird dem Feinde zu Leibe gegangen; hier eine Wand durchbrochen, dort ein Verschlag niedergeschmettert, eine Thür gesprengt. Es sind wackere und unermüdliche Arbeiter, die ihr Handwerk verstehen. Der Schweiß steht ihnen auf der Stirn, die Hitze vertrocknet ihre Kehlen, denn sie athmen Gluth und Rauch; die Lohe droht sie zu versengen, wenn sie nicht durch nasse Tücher und mit Essig befeuchtete Schwämme sich schützten; aber alle diese Hindernisse halten die tapferen Seelen nicht ab, ihre Pflicht im ausgedehnten Maße zu thun.

Die Flamme steigt indeß immer höher, sie schlägt wie ein feuriger Adler zum Giebel hinaus, und verbreitet neues Entsetzen. Die Feuerwehr klimmt ihr jedoch bis zum höchsten Punkte nach. Die Maschinenleiter wird herbeigeschleppt und mittelst zweier Kurbeln schnell in die Höhe gewunden. Bald erhebt sich dieser babylonische Thurm, auf dessen Spitze der kühne Feuermann den daran befestigten und mit der Spritze verbundenen Schlauch nach allen Seiten hin wirken läßt. Durch die ebenfalls seit kurzer Zeit bestehende Wasserleitung der englischen Compagnie wird die Zufuhr des Wassers wesentlich erleichtert, indem ein System von Canälen die ganze Stadt durchzieht, und in jeder Straße die directe Verbindung der Spritzen mit dem stets zufließenden Wasser der Spree sich leicht bewerkstelligen läßt.

Eine eben so große Sorgfalt, wie auf die Bewältigung des Brandes, wird auf den Schutz der benachbarten Gebäude verwendet. Durch die Umstellung der Brandstätte werden dieselben beschirmt, und jede drohende Gefahr sofort beseitigt. Indeß scheint das Feuer nachzulassen, die Spritzen haben ihre Wirkung gethan und den Verheerungen einen vorläufigen Stillstand geboten; die Mannschaft athmet auf; da ertönt ein furchtbarer Schreckensschrei aus dem Hinterhause des Speichers, welches von dem Aufseher und seiner Familie bewohnt wird. Der Aufseher selbst hat sich mit den ältesten Kindern aus der brennenden Wohnung gerettet, und seine Habseligkeiten glücklich geborgen. Jetzt erst, wo er wieder einigermaßen zur Besinnung gekommen, fragt er nach der Frau, die er gerettet glaubt, und seinem jüngsten Kinde. Mit dem Muthe der Verzweiflung stürzt er nach der Thür, aus der ihm die Flamme, mit dunklem Rauch vermischt, entgegenschlägt. Alles erstarrt vor Schrecken. Da plötzlich erscheint, beleuchtet von der Gluth, die weiße Gestalt der Mutter, das Kind auf dem Arm, mit flatternden Haaren, mit markerschütternder Stimme um Hülfe für sich und ihr Kind rufend.

Es ist ein herzzerreißender Anblick. Aber wo die Noth am größten, ist auch die Hülfe am nächsten. Ein Feuermann klettert an der Leiter empor; jetzt steht er an dem Fensterbrett; er schlägt die Scheiben ein, und drängt sich an die Hülferufende, nachdem er das Rettungstau mit dem Rettungssack befestigt hat. Mit zarter Schonung ergreift er das Kind, und läßt es sanft in den Sack hinuntergleiten, der sofort herabgelassen wird. Das ist das Werk eines Augenblicks, im nächsten Moment ergreift er auch die Mutter, bindet sie mit den Seilen, die er stets bei sich trägt, an seinem Leibe fest, und steigt nun die Leiter hinab, wo man den Muthigen jubelnd empfängt.

Noch ist das Tagewerk der Feuerwehr nicht beendet, obgleich der Brand bereits dem Erlöschen naht. Ein Theil der Mannschaft bleibt zurück, um die glimmenden Funken vollends zu ersticken, den Wiederausbruch des Feuers zu verhindern, und die Brandstätte zu reinigen. Die übrige Mannschaft kehrt zurück. Am nächsten Tage findet eine Musterung statt; der Branddirector belobt die muthigen Männer, und händigt dem Lebensretter eine angemessene Belohnung ein.

So ist in verhältnißmäßig kurzer Zeit ein mächtiges Feuer unterdrückt, werthvolle in dem Speicher aufbewahrte Gegenstände geborgen, zwei Menschenleben gerettet, und Weiterverbreitung der Flamme auf die berachbarten Gebäude verhindert worden. Das Alles geschah mit der größten Ordnung, ohne Tumult, ohne Lärm und Verwirrung. Jeder Feuermann hat seine Schuldigkeit gethan und zum Gelingen des Ganzen das Seinige beigetragen. Diese bewunderungswürdige Sicherheit und Schnelligkeit ist das Resultat der strengsten Disciplin und fortwährender Uebungen. Oefters wird die Feuerwehr blind alarmirt, ohne daß ein Brand stattfindet, um ihre Wachsamkeit zu prüfen. Außerdem wird dieselbe unausgesetzt in planmäßiger Handhabung jedes einzelnen Löschgeräths, im Klettern mit Hakenleitern, an Tauen, Laufbrettern u. s. w., und zwar sowohl mit als ohne Last, für den Fall der Rettung von Personen, unterrichtet. Zu diesem Zwecke befindet sich in dem Hofe des Hauptdepôts in der Breitenstraße ein großer Platz, wo täglich die schwierigsten Turnübungen und andere Exercitien vorgenommen werden. Ein hölzernes Gebäude steht eben daselbst, woran die Mannschaft alle Handgriffe beim Löschen und die Behandlung der Spritzen praktisch kennen lernt. Diese Manöver gewähren einen bewunderungswürdigen Anblick, und man kann nicht genug die Geschicklichkeit und Kühnheit der Mannschaft anstaunen, welche unter Anleitung eines tüchtigen Turnlehrers die verwegensten Stellungen ausführt. Durch diese schwierigen Uebungen erhält die Feuerwehr aber jenes große Selbstvertrauen, womit sie der Gefahr trotzt, und für alle Fälle gerüstet steht. Die militairische Disciplin lehrt ihr Gehorsam, und gibt ihr einen hier besonders vortheilhaften Esprit de Corps.

Durch die Schnelligkeit, womit der Telegraph den Ort des Feuers anzeigt, und sämmtliche Feuerwachen zu gleicher Zeit benachrichtigt, kann die Gefahr im Keime erstickt werden. Eine besondere Sorgfalt wird auf die Löschgeräthschaften und auf ihre Bespannung verwendet. Die Anordnungen sind so getroffen, daß Alles zum sofortigen Aufbruch gerüstet steht, und die Mannschaft so disciplinirt, daß sie sich in zwei bis drei Minuten nach dem Eingang der Feuermcldung bereits auf dem Wege nach der Brandstätte befindet. Die Löschutensilien sind nach den neuesten technischen Erfahrungen vervollkommnet; beim jedesmaligen Wechsel der Wache muß sich der Oberfeuermann davon überzeugen, daß sich dieselben in sauberem und durchaus fehlerfreiem Zustande befinden. Außerdem werden sämmtliche Löschgeräthe wöchentlich wenigstens einmal von den betreffenden Vorgesetzten sorgfältig revidirt.

Die in neuester Zeit zur Anwendung gekommenen Feuertienen zeichnen sich durch ihre Leichtigkeit bei der Handhabung aus, und kosten 62 Thaler pro Stück. Die Rettungsleiter, nach den Angaben des Tischlers Köhler in Magdeburg angefertigt, ist seitdem wesentlich verbessert worden; sie ist jetzt mit einem Vorderwagen nebst Gabeldeichsel zum Transport durch ein Pferd versehen, während sie früher durch Menschen gezogen werden mußte, wodurch sich ihr Erscheinen auf der Brandstätte sehr verzögerte. Der Preis der so vervollkommneten Maschine beträgt 112 Thlr. 10 Sgr. Statt der nicht bewährten Schläuche von Hanf und vulcanisirtem Gummi sind allgemein die Schläuche von genietetem, aber nicht genähtem Leder eingeführt worden, die selbst bei einem zwölfjährigen Gebrauche keiner Reparatur bedurften. Die Kosten eines solchen Schlauches von 150 Fuß Länge, incl. der messingenen Schraube, belaufen sich auf 170 Thlr. 5 Sgr. Der Rettungssack besteht aus einem hanfenen Sack, an welchem aber an der Oeffnung ein eiserner Bügel eingenäht ist. Das Rettungstau ist 200 Fuß lang und hat 1/2 Zoll im Durchmesser.

Natürlich sind die Ausgaben für die neu organisirte Feuerwehr nicht unbedeutend, und es sind darüber vielfach Klagen laut geworden. Die Besoldung der Beamten, Feuermänner und Spritzenleute fordert allein jährlich die Summe von 46,260 Thalern, wozu die Transportmittel im Betrage von 6400 Thalern kommen. Wenn man aber daran denkt, daß in Berlin ein Häuserwerth von ungefähr 130–140 Millionen Thalern, abgesehen von dem größtentheils nicht versicherten Mobiliarreichthum, im Werthe von 90–100 Millionen, zu schützen ist, so wird man schwerlich die verausgabten Kosten zu hoch finden.

In Folge der größeren Sicherheit haben auch bereits mehrere Gesellschaften von Feuerassecuranzen eine Ermäßigung der sonst [604] von ihnen geforderten Prämien eintreten lassen. Weit mehr aber als diese Vortheile fallen die Menschenleben in’s Gewicht, die persönliche Sicherheit und die Beseitigung der Schrecken, von denen sonst fast jeder Brand begleitet war. Dies sind jedenfalls wahre Vortheile, welche nicht zu theuer erkauft werden können.

Besitzt auch nur selten eine Stadt die erforderlichen Mittel, dem Löschwesen einen so hohen Grad von Vollkommenheit zu geben, wie die Feuerwehr in Berlin aufweisen kann, so dürfte doch das Beispiel der Residenz beherzigenswerth selbst für die kleineren Orte sein, wo häufig dieser Theil der Polizeiverwaltung noch sehr im Argen liegt, wie die in letzter Zeit so vielen und unglücklichen Brände erst wieder gezeigt haben. Selbst unter beschränkten Verhältnissen läßt sich mit redlichem Willen viel Gutes stiften. Vor allen Dingen aber muß der nöthige Gemeingeist da sein, der leider noch immer schmerzlich vermißt wird. Wir schauen nicht nur figürlich, sondern auch oft wörtlich mit Ruhe zu, während es beim Nachbar brennt, unbekümmert, wie bald auch unser eigenes Haus von den Flammen ergriffen werden kann.
Max Ring.