Textdaten
<<< >>>
Autor: Rudolf von Gottschall
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Bastille
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 50, 51, S. 875–877, 910–912
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
unkorrigiert
Dieser Text wurde noch nicht Korrektur gelesen. Allgemeine Hinweise dazu findest du bei den Erklärungen über Bearbeitungsstände.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[875]

Die Bastille.

Von Rudolf von Gottschall.
I.

Es war die erste That der französischen Revolution, daß sie die Bastille fortfegte, an welche sich so viele unheimliche Erinnerungen der Willkürherrschaft französischer Könige und Minister knüpften: es war eine That, welche in ganz Europa jene Sympathien erweckte, die nur zu bald durch das blutige Regiment der Schreckensmänner wieder verscherzt wurden. Die Republik des Präsidenten Grévy will die Bastille wieder aufbauen, vielleicht um ein Dekorationsstück zu haben für die großartige Erinnerungsfeier, die man dem Jahre 1789, dem Beginn der französischen Revolution, zu widmen gedenkt. Dies hätte wohl auch der junge Prinz Ludwig gethan, wenn ihn ein freundliches Geschick auf den Thron seines Vaters zurückgerufen hätte: denn er haßte die Julisäule, welche jetzt den Bastilleplatz schmückt, und er hätte mit ihr so kurzen Proceß gemacht, wie Maler Courbet mit der Vendômesäule, die ja in den Tagen der Kommune mit der ganzen Chronik des Napoleonischen Kaiserthums zu Boden geworfen wurde.

Die alte Bastille hatte viel zu erzählen, und was sie zu erzählen hatte, das hat seiner Zeit ein unfreiwilliger Gast, der eine Zeit lang in ihren düstern Räumen weilte, gewissenhaft aufgezeichnet: Linguet in seinen „Denkwürdigkeiten der Bastille“, die neuerdings in deutscher Uebersetzung erschienen sind.[1] Linguet war am 14. Juli 1736 zu Rheims geboren; er hatte sich nach Beendigung seiner Studien auf den verschiedensten Gebieten versucht, war Sekretär des Pfalzgrafen von Zweibrücken, Adjutant des Prinzen de Beauvau, Seifenfabrikant in Lyon, dramatischer Dichter, Historiker, juristischer Schriftsteller, Verfasser philosophischer Werke geworden, und dann erst hatte er eine dauernde Stellung gefunden als Advokat in Paris. Anfangs hatte er wenig Glück; es gelang ihm nicht einmal, den Chevalier de la Barre durch seine Vertheidigung zu retten, und dieser hatte doch kein anderes Vergehen begangen, als bei der Begegnung mit einer Kapuzinerprocession nicht den Hut abzunehmen: dafür wurde er trotz aller Anstrengungen Linguet’s zur Enthauptung und nachherigen Verbrennung verurtheilt. Und das begab sich im Frankreich Rousseau’s und Voltaire’s, im Jahre 1766. Später aber gewann Linguet eine Menge von Processen, die viel von sich sprechen machten; ja, er behauptete, von hundert nur zehn verloren zu haben. Er war ein vorzüglicher Sachwalter, der eben so viel Witz wie Beredtsamkeit besaß und einen besonderen Eifer darin zeigte, Mohren weiß zu waschen. Hatte er doch auch in seinen geschichtlichen Werken nicht nur eine Lanze für die Jesuiten gebrochen, sondern auch den römischen Kaiser Tiberius vertheidigt, ja ihn mit Trajan in eine Linie gestellt: ein Vorläufer der neuen Geschichtsschreiber, welche die Ehrenrettung des Tyrannen von Capri unternommen haben. Auf der anderen Seite beliebte es ihm, Dinge anzugreifen, die gar nicht der Vertheidigung zu bedürfen schienen, weil ihr Werth ein allgemein anerkannter ist. So gehörte zu den Sündenböcken Linguet’s das Brot, das er für ein gefährliches und äußerst schädliches Nahrungsmittel erklärte, dessen erste Grundlage die Fäulniß ist und das wir durch ein Gift schwächen müssen, um es weniger gesundheitsgefährlich zu machen. Diese Neigung, Alles auf den Kopf zu stellen, und das Talent, die absonderlichsten Ansichten zu vertheidigen, war für seine Thätigkeit als Advokat gewiß ausnehmend förderlich, wurde ihm aber doch später verhängnißvoll. Durch sein herausforderndes Benehmen hatte er sich einflußreiche Feinde gemacht: die Folge davon war, daß er im Jahre 1775 als Advokat durch Parlamentsbeschluß kassirt wurde. Er ging nach London und gab dort seine „Annalen“ heraus, welche durch die Vermessenheit ihrer Angriffe, durch die einschneidende Schärfe ihrer Darstellung das größte Aufsehen erregten. Doch auch in England war seines Bleibens nicht; er hatte über englische Gesetzgebung und Sitten einige beißende Bemerkungen gemacht und suchte deßhalb auf dem Festlande wieder irgend eine Stelle, wo er sein Nomadenzelt aufschlagen konnte; bald war er in Brüssel, bald in Genf; oft erschien er auch besuchsweise in Paris. Dort wurde er im Jahre 1780 auf offener Straße verhaftet und in die Bastille geführt, in welcher er zwanzig Monate in Haft blieb. Nach seiner Freilassung schrieb er die Denkwürdigkeiten über die Bastille, durch welche in ganz Frankreich der Haß gegen diese Zwingfeste des alten Despotismus wachgerufen wurde und die es erklärlich machen, daß der erste Ansturm der Freiheitsbewegung sich gegen dieselbe richtete. Diese Denkwürdigkeiten wurden in seinen „Annalen“ veröffentlicht. In der Bastille selbst hatte er seinen guten Humor nicht verloren. Eines Tages trat in seine Zelle eine Person, die er vorher noch nicht gesehen hatte.

„Wer sind Sie?“ fragte Linguet.

„Ich bin der Barbier der Bastille.“

„Wetter, da hätten Sie dieselbe längst rasiren sollen.“

War Linguet wegen des revolutionären Geistes, der in den „Annalen“ herrschte, von den Beamten der Monarchie verhaftet worden, so fiel ihm, nachdem die Revolution zum Ausbruch gekommen, das gleiche Los zu seitens der republikanischen Machthaber, denen der Vertheidiger des Tiberius und der Jesuiten ein Dorn im Auge war, möchte er immerhin früher ein Märtyrer seiner dem Königthum und den herrschenden Gesellschaftskreisen, feindseligen Gesinnung gewesen sein. Linguet lebte auf einem Dorfe bei Paris, zurückgezogen vom öffentlichen Leben, nachdem er mehrmals in den Versammlungen der Freiheitsmänner ohne sonderliches Glück aufgetreten war. Hier wurde er auf einen Befehl des Sicherheitsausschusses im Jahre 1794 verhaftet, weil er sich zum Vertheidiger des Königs angeboten, den Tyrannen von Wien und London Weihrauch gestreut und besonders „das Brot“ verleumdet hatte. Vergebens versuchte er sich zu vertheidigen; man ließ ihn gar nicht zu Worte kommen; er konnte nicht in eigener Sache sein glänzendes Talent als Advokat bewähren. „Dies sind nicht Richter,“ sagte er, „das sind Tiger!“ Sein Kopf fiel im Juni 1794 unter der Guillotine, einen Monat vorher, ehe der allmächtige Robespierre den Gang zum Schafott antreten mußte.

Wir haben uns, als wir in denselben Blättern die Gefangenschaft Ludwig’s XVII. schilderten, ebenfalls mit einem alten Pariser Bauwerk, dem Temple, beschäftigt, das, wie die Bastille, jetzt vom Erdboden verschwunden ist. Ueber die letztere Zwingburg haben wir indeß noch genauere Nachrichten und können uns nach denselben leicht ihren Plan entwerfen, ihr Bild vor die Phantasie führen. Es war ein achtthürmiger Bau; die beiden ersten Thürme, der Schatzthurm und der Kapellenthurm, waren unter Karl V. errichtet worden; das geschah im Jahre 1370. Zwischen ihnen hindurch ging der Weg, der aus dem Faubourg Saint Antoine in die Stadt führte. Um das Jahr 1383 ließ Karl VI. die übrigen Thürme erbauen, verband sie unter sich durch eine Mauer von neun Fuß Stärke und umgab das Ganze mit einem fünfundzwanzig Fuß tiefen Graben. Im 16. Jahrhundert wurden noch einige Befestigungen neuerer Art hinzugefügt. Der Eingang in die Bastille befand sich am äußersten Ende der Straße Saint Antoine. Ueber dem ersten Thore lag ein Magazin mit Waffen; in dem ersten äußeren Hof, in den man durch dies Thor gelangte, hatten die Invaliden ihre Kasernen, der Gouverneur seine Ställe und Remisen. Ueber eine Zugbrücke, durch ein anderes Thor kam man in den zweiten Hof, wo sich die Wohnung des Gouverneurs und die Küchen befanden. Durch eine Baumallee erhielt dieser Hof ein etwas freundlicheres Ansehen. Dagegen lag der große Innenhof von hohen düsteren Thürmen und Mauern umgeben; er war 200 Fuß lang und 72 Fuß breit. Im Hintergrunde desselben war ein großes Gebäude von Ludwig XV. für die Stabsofficiere errichtet worden, das einen ganz modernen Anstrich hatte. Bevorzugte Gefangene wurden bisweilen hier untergebracht, ebenso mußte dies Haus bei Ueberfüllung der Bastille Gefangene jeder Art in sich aufnehmen. Der Rathssaal und die Bibliothek befanden sich in diesem Zwischenbau, welcher den größeren Hof von einem kleineren schied, der eine Art von wirthschaftlichem Hinterhof bildete und für die Abfälle der Küche und die Geflügelzucht benutzt wurde.

Auf den Spaziergang im großen Innenhofe waren alle Gefangenen angewiesen: früher durften sie auf den Bastionen [876] spazieren gehen oder den Rundgang auf den Thürmen machen. Diese Vergünstigungen wurden später gänzlich aufgehoben. Jeder Gefangene durfte nur eine Stunde auf dem Hofe verweilen, bis er von einem anderen abgelöst wurde. Und dabei war er, wenn es sich gerade so traf, der größten Hitze und Kälte ausgesetzt. Düstere fensterlose Mauern umgaben ihn; sein Blick fiel auf die Schloßuhr, deren Zifferblatt ihn an sein trauriges Schicksal erinnerte; denn als Zierat waren an ihm zwei am Halse, um den Leib, an den Händen und an den Füßen mit Ketten belastete Figuren angebracht, Ketten, welche guirlandenförmig um das Gehäuse herumliefen. Wenn irgend ein Fremder, ein Beamter, ein Arbeiter über den Hof kam, so mußte der spazierengehende Gefangene in dem sogenannten „Kabinet“ verschwinden, einem engen Gang in einer der Verbindungsmauern zwischen den Thürmen. Der Posten rief ihm zu: „Ins Kabinet“, und dieser Ruf ertönte oft genug; ja wenn der Gouverneur ein Essen gab und die Bedienten über den Hof hin und her laufen mußten, um die Gerichte aus der Küche zu holen, so wurden diese Spaziergänge im Hofe überhaupt untersagt. Die Hausordnung war immer strenger geworden, besonders im 18. Jahrhundert. Früher lud der Gouverneur oft die vornehmen Gäste in der Bastille zu Tisch; die Gefangenen durften sich gegenseitig besuchen und empfingen von außen Besuche mit größter Leichtigkeit. Die Liebesabenteuer, die in der Bastille spielten, gehören nicht bloß dem Bereiche romanhafter Erfindung an; dagegen hat sich Vieles nicht bestätigt, was von den schauerlichen Geheimnissen der Bastille berichtet wurde: so die Angabe, es hätten sich Käfige aus eisenbeschlagenen Balken dort befunden, die acht Fuß lang und sechs Fuß breit waren; ebenso gab es dort nicht die „Oublietten“, Gefängnißräume, in denen die Opfer gänzlich der Vergessenheit anheimfielen. Vielleicht hatte Ludwig XI., einer der grausamsten Despoten aller Zeiten, sie in der Bastille wie in seinem Schlosse Duplessis-les-Tours eingerichtet; denn von ihm erzählen allerdings die Geschichtschreiber, daß er die Prinzen von Armagnac in den Verließen der Bastille vergraben, daß er in der Mitte der letzteren einen umgekehrten Kegel oder Zuckerhut hatte aushöhlen und ausmauern lassen, so daß das unglückliche in die Tiefe herabgleitende Opfer keinen Stützpunkt und keine Ruhe finden konnte. Zur Erholung wurde es dann zweimal in der Woche ans Licht hervorgezogen, in Gegenwart des Gouverneurs ausgepeitscht, wobei man ihm nach jedem Monat ein oder zwei Zähne ausriß. In späterer Zeit gab es solche Oublietten aber nicht mehr; bei der Einnahme, der Durchsuchung, dem Abbruche der Bastille fand sich keine Spur davon.

Doch wenn auch diese Käfige und Oublietten der geschichtlichen Forschung nicht Stand halten, so gab es doch noch genug des Schrecklichen, was die düstern Mauern und Thürme in sich verbargen. Da waren zunächst die Verließe, die 19 Fuß unter dem Niveau des Hofes und fünf Fuß unter dem Wasserspiegel des Wallgrabens lagen: sie hatten keine andere Oeffnung, als eine schmale Schießscharte, die auf diesen Graben hinausging. Ohne Luft und Licht, in Schlamm gebettet, in dem sich Ratten, Kröten und Spinnen tummelten, waren die zu längerer Haft verurtheilten Opfer hier unrettbar dem Untergange verfallen. Doch in der Regel wurden dort nur Gefangene untergebracht, die man schrecken wollte: es waren Folterkammern; um aus ihnen erlöst zu werden, pflegten Diejenigen, die bis dahin am hartnäckigsten schwiegen, ihre Mitschuldigen zu nennen. Lange Zeit hindurch bestand auch eine wirkliche Folterkammer in der Bastille: man zeigte hier denen, die, weil sie die erwünschten Aussagen weigerten, zur Folter verurtheilt wurden, zunächst der Reihe nach alle Instrumente, erklärte ihnen umständlich den Gebrauch der Kette, der Schienen, der Stricke und schilderte ihnen die kaum erträglichen Schmerzen, die sie hervorriefen, das Zerreißen der Sehnen, das Knacken der Knochen, um die Halsstarrigen willfährig zu machen. Neben den „Verließen“, cachots genannt, waren die „Mützen“ (calottes), die Zimmer im obersten, fünften Stockwerke, die an die venetianischen Bleikammern erinnerten: so unerträglich war die Hitze im Sommer. Als Fenster dienten ehemalige Schießscharten in den sechs Fuß dicken Mauern; natürlich ließen sie nur wenig Licht herein, weil sie nach außen zu sich immer mehr verengerten. Dasselbe war auch bei den Fenstern der Fall, mit denen die Gefängnisse in den andern Stockwerken ausgestattet waren; diese, meist unregelmäßige Vielecke, hatten 15 bis 16 Fuß Durchmesser und 15 bis 20 Fuß Höhe. Jede Zelle war mit zwei starken dicken Thüren verschlossen, deren schwere Riegel und gewaltige Schlösser beim Oeffnen und Schließen einen durch den ganzen Thurm dröhnenden Lärm machten. Solche Thüren waren auch bei den Eingängen zu den Thürmen und auf den Treppen angebracht. Nach zuverlässiger Angabe waren sechs Schlüssel für jedes Gefängniß und jeden Thurmeingang und einer zu jedem Verließ erforderlich: das macht für zwei Thüren zu je fünf Gefängnissen, einem Eingang und einem Verließ 80 Schlüssel. Man kann sich denken, welchen gewaltigen Schlüsselbund jeder dieser Schließer mit sich herumzuschleppen hatte. Es waren übrigens die einzigen mitleidigen Wesen in der Bastille: sie kamen mit den Gefangenen in nähere Berührung, waren auch in der Regel deren Vertraute und hörten ihre Klagen mit an. Da sie schlecht besoldet und von ihren Oberen schlecht behandelt wurden, von den Gefangenen aber eine Belohnung erwarten durften, weil sie nie wußten, ob die Haft derselben auf dem Blutgerüste oder im Ministerium endete, erwiesen sie sich bei Gelegenheiten gern gefällig; auch hatten sie etwas mehr Herz als die gemeinen Soldaten, die blindlings den Befehlen ihrer Vorgesetzten gehorchten, oder als der Stab der Officiere, die sich meistens hartherzig und grob zeigten. Da den Schließern der Abhub der Tafel zukam, so hatten sie dasselbe Interesse wie die Gefangenen daran, daß die Kost derselben nahrhaft und reichlich bereitet wurde. So untergeordnet ihr Amt war, so mußten sie doch auch, um es zu erhalten, dieser oder jener einflußreichen Person ein Geschenk machen. Ohne Geschenke und Bestechungen gab es überhaupt kein Amt in der Bastille. Der letzte Gouverneur derselben, de Launay, hatte seine Stelle für einen ziemlich hohen Preis erkauft; freilich war mit derselben ein Gehalt von 60 000 Livres verbunden.

Wir haben aus der reichen Fundgrube von Mittheilungen, welche das Werk von Linguet über die Einrichtungen der Bastille bringt, einige hervorgehoben, die besonders geeignet sind, uns ein Bild dieser verhaßten Zwingburg zu geben. Linguet selbst erklärt, es habe in der ganzen Welt nie etwas gegeben, was der Einrichtung der Bastille gleichkomme; es existire keine Nation, die gebrandmarkt wäre durch die Schmach und Ungeheuerlichkeit eines stets geöffneten Abgrundes, der Menschen verschlinge, nicht um sie zu strafen, sondern um sie zu quälen, eines politischen Fegefeuers, wo wegen der geringfügigsten Vergehen und oft sogar über die Unschuld nach Willkür die Strafen der Hölle verhängt wurden. Er betrachtet die schlimmsten Staatsgefängnisse des Alterthums, das Ohr des Dionysius, diejenigen der Neuzeit, wie das Schloß der sieben Thürme in Konstantinopel: überall hier waltete eine Art von Justiz; nur in die Bastille wurden die Opfer durch einen willkürlich ausgestellten Verhaftsbefehl, eine lettre-de-cachet geworfen und mußten oft Monate lang auf Untersuchung warten; oft kam es überhaupt nicht zu einer solchen. Ein großer Theil dieser Staatsgefangenen wurde verhaftet, um sie dem Richterspruch eines ordentlichen Gerichts zu entziehen; die Dauer der Haft hing vom Belieben des Königs und seiner Minister ab. Andere allerdings sperrte man in die Bastille, um ihnen den Proceß zu machen: einige wurden vor einen regelmäßigen Gerichtshof verwiesen, viele ganz plötzlich aus Untersuchungsgefangenen ohne Recht und Urtheil in Strafgefangene verwandelt.

Die Bastille fiel am 14. Juli 1789 in die Hände der Aufrührer, im ersten Freiheitsrausch, der die Nation ergriffen; es waren nicht bloß die Männer und Frauen des Volks, unter ihnen die verwegene Amazone, Théroigne von Mericourt, welche in ihre Höfe eindrangen: es waren die französischen Garden, in Paris stehende Regimenter, welche unter dem Befehl ihrer Sergeanten und Korporale sich an dem Angriff auf die alte Zwingburg betheiligten. Eigentlich erstürmt wurde dieselbe nicht: nachdem die erste Brücke genommen, der erste und zweite Hof von den Aufständischen besetzt worden war, nachdem hier das Musketenfeuer der Angreifer und Vertheidiger gewüthet und auch das eine Geschütz der Bastille einen Kartätschenhagel auf die Andringenden ausgeschüttet, während die französischen Garden aus mehreren Geschützen die Feste beschossen, wurde zuletzt die weiße Fahne herausgesteckt, und als diese von den Angreifern wenig beachtet wurde, durch eine Schießscharte von einem Offieier der Entwurf einer Kapitulation herausgereicht, die von den Führern der Bewegung angenommen wurde. Darauf öffnete sich das Thor zum inneren Hof der Bastille: das Volk stürzte sich auf die [877] Invaliden, die es gefangen nahm, zertrümmerte alle Möbel in den Wohnungen der Officiere und befreite die Gefangenen. Am schlimmsten erging es dem Gouverneur de Launay: vor der Uebergabe hatte er den Versuch gemacht, mit brennender Lunte den Pulverthurm der Bastille in die Luft zu sprengen; doch zwei Unterofficiere hinderten ihn daran mit gefälltem Bajonett. Der eine fand dafür schlechten Lohn, denn er wurde bald darauf vom Volke gehangen. Als dasselbe in den Innenhof eindrang, wollte sich der Gouverneur mit einenn Stockdegen das Leben nehmen; doch er wurde daran gehindert und auf die Straßen geschleppt; die Eskorte, die ihn aufs Stadthaus bringen wollte, war indeß zu schwach der wüthenden Menge gegenüber, welche sie zerstreute und dann mit Bajonettstichen, Flinten- und Pistolenschüssen über ihn herfiel; später wollte man ihm mit dem Säbel den Kopf abschlagen, und als diese Waffe sich zu stumpf erwies, wurde er mit einem Messer abgeschnitten. Abgesehen von dieser Gräuelthat, entweihte das Volk diesmal nicht seinen Sieg: die Gefangenen wurden begnadigt, auf den Vorschlag des Lieutenants Elie, welcher der eigentliche Held des Bastillensturmes war.

Die Zahl der Gefangenen in der Bastille ist nie groß gewesen: bei der Erstürmung fand man nur sieben darin, unter ihnen den greisen Tavernier, der noch immer glaubte, Ludwig XV. herrsche in Frankreich, obschon dieser seit 15 Jahren todt war.

Gleich darauf wurde der Abbruch der Zwingburg beschlossen und am nächsten Tage damit begonnen. Nach einem Jahre war die Stätte frei, wo sich die düstern Mauern und Thürme erhoben hatten, und die Pariser feierten hier, wo die alte Zwingburg gestanden, ein Freudenfest.



[910]
II.

Wir haben das Aussehen und die Einrichtung dieser düstern Zwingburg kennen gelernt, deren Wiederherstellung die neue Republik plant: werfen wir jetzt auch einen Blick auf die hervorragenden Gäste, welche sie im Laufe der Zeiten beherbergt hat.

Da begegnet uns zuerst der größte Schriftsteller Frankreichs im 18. Jahrhundert, Voltaire, der in jüngeren Lebensjahren zweimal hier gefangen saß. Damals trug er noch den Namen François Marie Arouet; er hatte auf den Regenten, den Herzog von Orleans, und seine Tochter, die Frau Herzogin von Berry, die frechsten Spottverse gemacht. Freilich war der Stoff sehr dankbar und ganz dazu geeignet, einen jungen Martial, der in die Fußtapfen des römischen Epigrammendichters trat, zu reizen. Die wüsten Feste der Regentschaft sind ja bekannt. Vom Mai 1717 bis zum April 1718 fand er hinlänglich Muße sich darüber zu freuen, daß seine dichterischen Versuche nicht wirkungslos geblieben waren. Im März 1726 wurde er zum zweiten Male in der Bastille eingekerkert, doch schon nach einem Monat wieder entlassen. Herr von Rohan-Chabot hatte sich die Freude bereitet, den frechen Burschen, der damals noch kein großer Dichter war, durch seine Bedienten durchprügeln zu lassen. Da Arouet auf Rache sann, um, wie er schrieb, nicht seiner Ehre, sondern der des Herrn von Rohan wieder aufzuhelfen, brachte man ihn auf einige Zeit in sicheren Verwahrsam.

Wenn Voltaire wegen des ihm angeborenen Spottteufels in der Bastille schmachten mußte, so führten den verwegensten Don Juan des französischen Hofes, den Herzog Jean François Armand Duplessis von Richelieu, seine Liebesabenteuer mehrfach in dies Gefängniß; einmal sein Verhältniß zur Herzogin von Burgund, ein anderes Mal seine Beziehungen zur dritten Tochter des Regenten, Fräulein von Valois, welche von heißer Liebe für ihn entbrannt war; außerdem saß er dort wegen eines Zweikampfes mit Herrn von Matignon, dessen Frau er durch üble Nachrede gekränkt hatte. Herzog von Richelieu behielt stets eine gewisse Pietät für das alternde Gemäuer, in welchem er in seiner Jugend, in den Jahren 1711, 1716 und 1719 Buße gethan. Denn noch in seinem höchsten Alter, im Jahre 1786, stattete er ihm einen Besuch ab und bestieg sogar die Thürme. Er war damals über neunzig Jahre alt: der jugendliche Wüstling hatte es zu hohen Jahren gebracht.

Nicht gering ist die Zahl der Gefangenen, welche wegen politischer Verbrechen in die Bastille eingekerkert wurden; einige davon verließen sie nur, um das Schafott zu besteigen. Zu ihnen gehört Chevalier de Rohan, der mit den Holländern einen Vertrag geschlossen und ihnen mehrere Plätze in der Normandie überliefern wollte. Die Verschwörung wurde nach der Schlacht bei Senef entdeckt und Rohan 1674 verhaftet. Besonders betheiligt war ein normännischer Edelmann Latréaumont, der das ganze Geheimniß der Verschwörung in Händen hatte und, da es sonst an Beweisen, Zeugen und Schriftstücken fehlte, allein in der Lage war, Rohan zu belasten. Dieser Latréaumont schoß auf den Major, der ihn verhaften ließ, es war ein guter Freund von ihm; der Schuß ging fehl. Der Major aber rief, als Latréaumont auf ihn anlegte, um zu zeigen, daß er keine Furcht habe: „Schießt!“ Einer der Gardisten sah darin einen Befehl zum Feuern und drückte seine Muskete auf den Gefangenen ab; dieser starb am nächsten Tage an der Verwundung. Nun wäre Rohan sicher gewesen: auch umkreisten allnächtlich Leute das Schloß, welche [911] spazieren gehen oder den Rundgang auf den Thürmen machen. Diese Vergünstigungen wurden später gänzlich aufgehoben. Jeder Gefangene durfte nur eine Stunde auf dem Hofe verweilen, bis er von einem anderen abgelöst wurde. Und dabei war er, wenn es sich gerade so traf, der größten Hitze und Kälte ausgesetzt. Düstere fensterlose Mauern umgaben ihn; sein Blick fiel auf die Schloßuhr, deren Zifferblatt ihn an sein trauriges Schicksal erinnerte; denn als Zierat waren an ihm zwei am Halse, um den Leib, an den Händen und an den Füßen mit Ketten belastete Figuren angebracht, Ketten, welche guirlandenförmig um das Gehäuse herumliefen. Wenn irgend ein Fremder, ein Beamter, ein Arbeiter über den Hof kam, so mußte der spazierengehende Gefangene in dem sogenannten „Kabinet“ verschwinden, einem engen Gang in einer der Verbindungsmauern zwischen den Thürmen. Der Posten rief ihm zu: „Ins Kabinet“, und dieser Ruf ertönte oft genug; ja wenn der Gouverneur ein Essen gab und die Bedienten über den Hof hin und her laufen mußten, um die Gerichte aus der Küche zu holen, so wurden diese Spaziergänge im Hofe überhaupt untersagt. Die Hausordnung war immer strenger geworden, besonders im 18. Jahrhundert. Früher lud der Gouverneur oft die vornehmen Gäste in der Bastille zu Tisch; die Gefangenen durften sich gegenseitig besuchen und empfingen von außen Besuche mit größter Leichtigkeit. Die Liebesabenteuer, die in der Bastille spielten, gehören nicht bloß dem Bereiche romanhafter Erfindung an; dagegen hat sich Vieles nicht bestätigt, was von den schauerlichen Geheimnissen der Bastille berichtet wurde: so die Angabe, es hätten sich Käfige aus eisenbeschlagenen Balken dort befunden, die acht Fuß lang und sechs Fuß breit waren; ebenso gab es dort nicht die „Oublietten“, Gefängnißräume, in denen die Opfer gänzlich der Vergessenheit anheimfielen. Vielleicht hatte Ludwig XI., einer der grausamsten Despoten aller Zeiten, sie in der Bastille wie in seinem Schlosse Duplessis-les-Tours eingerichtet; denn von ihm erzählen allerdings die Geschichtschreiber, daß er die Prinzen von Armagnac in den Verließen der Bastille vergraben, daß er in der Mitte der letzteren einen umgekehrten Kegel oder Zuckerhut hatte aushöhlen und ausmauern lassen, so daß das unglückliche in die Tiefe herabgleitende Opfer keinen Stützpunkt und keine Ruhe finden konnte. Zur Erholung wurde es dann zweimal in der Woche ans Licht hervorgezogen, in Gegenwart des Gouverneurs ausgepeitscht, wobei man ihm nach jedem Monat ein oder zwei Zähne ausriß. In späterer Zeit gab es solche Oublietten aber nicht mehr; bei der Einnahme, der Durchsuchung, dem Abbruche der Bastille fand sich keine Spur davon.

Doch wenn auch diese Käfige und Oublietten der geschichtlichen Forschung nicht Stand halten, so gab es doch noch genug des Schrecklichen, was die düstern Mauern und Thürme in sich verbargen. Da waren zunächst die Verließe, die 19 Fuß unter dem Niveau des Hofes und fünf Fuß unter dem Wasserspiegel des Wallgrabens lagen: sie hatten keine andere Oeffnung, als eine schmale Schießscharte, die auf diesen Graben hinausging. Ohne Luft und Licht, in Schlamm gebettet, in dem sich Ratten, Kröten und Spinnen tummelten, waren die zu längerer Haft verurtheilten Opfer hier unrettbar dem Untergange verfallen. Doch in der Regel wurden dort nur Gefangene untergebracht, die man schrecken wollte: es waren Folterkammern; um aus ihnen erlöst zu werden, pflegten Diejenigen, die bis dahin am hartnäckigsten schwiegen, ihre Mitschuldigen zu nennen. Lange Zeit hindurch bestand auch eine wirkliche Folterkammer in der Bastille: man zeigte hier denen, die, weil sie die erwünschten Aussagen weigerten, zur Folter verurtheilt wurden, zunächst der Reihe nach alle Instrumente, erklärte ihnen umständlich den Gebrauch der Kette, der Schienen, der Stricke und schilderte ihnen die kaum erträglichen Schmerzen, die sie hervorriefen, das Zerreißen der Sehnen, das Knacken der Knochen, um die Halsstarrigen willfährig zu machen. Neben den „Verließen“, cachots genannt, waren die „Mützen“ (calottes), die Zimmer im obersten, fünften Stockwerke, die an die venetianischen Bleikammern erinnerten: so unerträglich war die Hitze im Sommer. Als Fenster dienten ehemalige Schießscharten in den sechs Fuß dicken Mauern; natürlich ließen sie nur wenig Licht herein, weil sie nach außen zu sich immer mehr verengerten. Dasselbe war auch bei den Fenstern der Fall, mit denen die Gefängnisse in den andern Stockwerken ausgestattet waren; diese, meist unregelmäßige Vielecke, hatten 15 bis 16 Fuß Durchmesser und 15 bis 20 Fuß Höhe. Jede Zelle war mit zwei starken dicken Thüren verschlossen, deren schwere Riegel und gewaltige Schlösser beim Oeffnen und Schließen einen durch den ganzen Thurm dröhnenden Lärm machten. Solche Thüren waren auch bei den Eingängen zu den Thürmen und auf den Treppen angebracht. Nach zuverlässiger Angabe waren sechs Schlüssel für jedes Gefängniß und jeden Thurmeingang und einer zu jedem Verließ erforderlich: das macht für zwei Thüren zu je fünf Gefängnissen, einem Eingang und einem Verließ 80 Schlüssel. Man kann sich denken, welchen gewaltigen Schlüsselbund jeder dieser Schließer mit sich herumzuschleppen hatte. Es waren übrigens die einzigen mitleidigen Wesen in der Bastille: sie kamen mit den Gefangenen in nähere Berührung, waren auch in der Regel deren Vertraute und hörten ihre Klagen mit an. Da sie schlecht besoldet und von ihren Oberen schlecht behandelt wurden, von den Gefangenen aber eine Belohnung erwarten durften, weil sie nie wußten, ob die Haft derselben auf dem Blutgerüste oder im Ministerium endete, erwiesen sie sich bei Gelegenheiten gern gefällig; auch hatten sie etwas mehr Herz als die gemeinen Soldaten, die blindlings den Befehlen ihrer Vorgesetzten gehorchten, oder als der Stab der Officiere, die sich meistens hartherzig und grob zeigten. Da den Schließern der Abhub der Tafel zukam, so hatten sie dasselbe Interesse wie die Gefangenen daran, daß die Kost derselben nahrhaft und reichlich bereitet wurde. So untergeordnet ihr Amt war, so mußten sie doch auch, um es zu erhalten, dieser oder jener einflußreichen Person ein Geschenk machen. Ohne Geschenke und Bestechungen gab es überhaupt kein Amt in der Bastille. Der letzte Gouverneur derselben, de Launay, hatte seine Stelle für einen ziemlich hohen Preis erkauft; freilich war mit derselben ein Gehalt von 60 000 Livres verbunden.

Wir haben aus der reichen Fundgrube von Mittheilungen, welche das Werk von Linguet über die Einrichtungen der Bastille bringt, einige hervorgehoben, die besonders geeignet sind, uns ein Bild dieser verhaßten Zwingburg zu geben. Linguet selbst erklärt, es habe in der ganzen Welt nie etwas gegeben, was der Einrichtung der Bastille gleichkomme; es existire keine Nation, die gebrandmarkt wäre durch die Schmach und Ungeheuerlichkeit eines stets geöffneten Abgrundes, der Menschen verschlinge, nicht um sie zu strafen, sondern um sie zu quälen, eines politischen Fegefeuers, wo wegen der geringfügigsten Vergehen und oft sogar über die Unschuld nach Willkür die Strafen der Hölle verhängt wurden. Er betrachtet die schlimmsten Staatsgefängnisse des Alterthums, das Ohr des Dionysius, diejenigen der Neuzeit, wie das Schloß der sieben Thürme in Konstantinopel: überall hier waltete eine Art von Justiz; nur in die Bastille wurden die Opfer durch einen willkürlich ausgestellten Verhaftsbefehl, eine lettre-de-cachet geworfen und mußten oft Monate lang auf Untersuchung warten; oft kam es überhaupt nicht zu einer solchen. Ein großer Theil dieser Staatsgefangenen wurde verhaftet, um sie dem Richterspruch eines ordentlichen Gerichts zu entziehen; die Dauer der Haft hing vom Belieben des Königs und seiner Minister ab. Andere allerdings sperrte man in die Bastille, um ihnen den Proceß zu machen: einige wurden vor einen regelmäßigen Gerichtshof verwiesen, viele ganz plötzlich aus Untersuchungsgefangenen ohne Recht und Urtheil in Strafgefangene verwandelt.

Die Bastille fiel am 14. Juli 1789 in die Hände der Aufrührer, im ersten Freiheitsrausch, der die Nation ergriffen; es waren nicht bloß die Männer und Frauen des Volks, unter ihnen die verwegene Amazone, Théroigne von Mericourt, welche in ihre Höfe eindrangen: es waren die französischen Garden, in Paris stehende Regimenter, welche unter dem Befehl ihrer Sergeanten und Korporale sich an dem Angriff auf die alte Zwingburg betheiligten. Eigentlich erstürmt wurde dieselbe nicht: nachdem die erste Brücke genommen, der erste und zweite Hof von den Aufständischen besetzt worden war, nachdem hier das Musketenfeuer der Angreifer und Vertheidiger gewüthet und auch das eine Geschütz der Bastille einen Kartätschenhagel auf die Andringenden ausgeschüttet, während die französischen Garden aus mehreren Geschützen die Feste beschossen, wurde zuletzt die weiße Fahne herausgesteckt, und als diese von den Angreifern wenig beachtet wurde, durch eine Schießscharte von einem Offieier der Entwurf einer Kapitulation herausgereicht, die von den Führern der Bewegung angenommen wurde. Darauf öffnete sich das Thor zum inneren Hof der Bastille: das Volk stürzte sich auf die [912] Invaliden, die es gefangen nahm, zertrümmerte alle Möbel in den Wohnungen der Officiere und befreite die Gefangenen. Am schlimmsten erging es dem Gouverneur de Launay: vor der Uebergabe hatte er den Versuch gemacht, mit brennender Lunte den Pulverthurm der Bastille in die Luft zu sprengen; doch zwei Unterofficiere hinderten ihn daran mit gefälltem Bajonett. Der eine fand dafür schlechten Lohn, denn er wurde bald darauf vom Volke gehangen. Als dasselbe in den Innenhof eindrang, wollte sich der Gouverneur mit einenn Stockdegen das Leben nehmen; doch er wurde daran gehindert und auf die Straßen geschleppt; die Eskorte, die ihn aufs Stadthaus bringen wollte, war indeß zu schwach der wüthenden Menge gegenüber, welche sie zerstreute und dann mit Bajonettstichen, Flinten- und Pistolenschüssen über ihn herfiel; später wollte man ihm mit dem Säbel den Kopf abschlagen, und als diese Waffe sich zu stumpf erwies, wurde er mit einem Messer abgeschnitten. Abgesehen von dieser Gräuelthat, entweihte das Volk diesmal nicht seinen Sieg: die Gefangenen wurden begnadigt, auf den Vorschlag des Lieutenants Elie, welcher der eigentliche Held des Bastillensturmes war.

Die Zahl der Gefangenen in der Bastille ist nie groß gewesen: bei der Erstürmung fand man nur sieben darin, unter ihnen den greisen Tavernier, der noch immer glaubte, Ludwig XV. herrsche in Frankreich, obschon dieser seit 15 Jahren todt war.

Gleich darauf wurde der Abbruch der Zwingburg beschlossen und am nächsten Tage damit begonnen. Nach einem Jahre war die Stätte frei, wo sich die düstern Mauern und Thürme erhoben hatten, und die Pariser feierten hier, wo die alte Zwingburg gestanden, ein Freudenfest.




  1. Linguet’s „Denkwürdigkeiten über die Bastille“. Mit umfassenden Ergänzungen und Betrachtungen deutsch herausgegeben von Robert Nabi, Leipzig, Philipp Reclam (Universalbibliothek 2121–2125).