Die 250jährige Jubelfeier des Pegnesischen Blumenordens zu Nürnberg

Textdaten
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Autor: H. B.
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Titel: Die 250jährige Jubelfeier des Pegnesischen Blumenordens zu Nürnberg
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 372
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1894
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[372] Die 250jährige Jubelfeier des Pegnesischen Blumenordens zu Nürnberg. Unsägliches Unglück hatte der Dreißigjährige Krieg über unser Vaterland gebracht. Was Jahrhunderte geschaffen, ward im Laufe einiger Jahrzehnte vernichtet, und es schien, als ob sogar unsere Muttersprache dem Andrange der welschen Horden erliegen, unter der Nachäffung französischer Sitte und Sprache ersticken sollte. In dem stillen Kämmerlein der Gelehrten und Dichter aber erwuchs ungestört von dem Kriegsgetümmel eine mächtige Waffe in diesem Streite: die deutschen Sprachgesellschaften, die sich das schöne Ziel der Reinerhaltung deutscher Sprache und Gesittung steckten. Der Nürnberger Patrizier Georg Philipp Harsdörfer (1607 bis 1658), welcher sich durch Studien und weite Reisen eine gediegene wissenschaftliche und weltmännische Bildung angeeignet hatte, rief im Jahre 1644 einen ähnlichen Verein, den „Pegnesischen Blumenorden“ in Nürnberg, dem Stapelplatz süddeutschen Handels, ins Leben. Harsdörfer, der selbst eine fruchtbare litterarische Thätigkeit entfaltete – am bekanntesten ist sein „Poetischer Trichter“, der unter dem Namen „Nürnberger Trichter“ sprichwörtlich geworden ist – bezeichnete als Zweck der Gesellschaft, „unsere Muttersprache mit nützlicher Ausübung, reinen und zierlichen Reimgedichten und klugen Erfindungen in Aufnahme zu bringen.“ Die Wege, welche der Blumenorden einschlug, um die edle Dichtkunst zu pflegen und die Poesie vor allem auch zur Belebung der Geselligkeit zu verwerten, die Freude an geschmacklosen Sinnbildern, fade Schäferspiele und Reimereien, eine schwülstige Redeweise entsprachen allerdings dem Geschmacke der Zeit, förderten aber nicht die Gesellschaft. Und doch hat auch sie ihre Verdienste; schon ihre Gründung in der Zeit des Ueberwucherns alles Französischen ist als eine patriotische That zu betrachten.

Manche Wandlungen hat der Blumenorden durchgemacht; oft glaubte man, er würde ob der hier und da eingetretenen Verknöcherung selig entschlafen, aber noch grünt das von Harsdörfer gesteckte Reis und treibt reiche Blüten. Unter der Leitung des derzeitigen Vorstandes, des Oberarztes Dr. Wilh. Beckh, werden allmonatlich öffentliche Versammlungen abgehalten, finden allwöchentlich kleinere Vereinigungen der Angehörigen des Ordens statt, worin man sich an dem Besten und Gediegensten, was Deutschlands Dichter und Denker von der ältesten bis auf die allerneueste Zeit geschaffen, erquickt. In zwangloser Weise werden die Meinungen ausgetauscht und eigene Arbeiten Freunden bekannt gegeben. Zwei Bände „Altes und Neues aus dem Pegnesischen Blumenorden“, die in den letzten Jahren erschienen sind, bezeugen die ungeschwächte Lebenskraft des „Pegnesischen“, der in seltener Rüstigkeit Ende Juli des Jahres seinen 250jährigen Geburtstag in festlicher Weise begehen will.

Der alte Irrhain des Pegnesischen Blumenordens zu Nürnberg.

Bei dieser Jubelfeier wird ein Wäldchen, 1½ Stunden nördlich von Nürnberg bei dem Dorfe Kraftshof gelegen, eine ganz besondere Rolle spielen. Im Jahre 1676 kam der Pegnitzschäfer Myrtillus II., d. i. Pfarrer Martin Limburger zu Kraftshof, auf den Einfall, dieses Wäldchen zum Versammlungsort des Ordens einzurichten. Das Einrichten verstand er aber dahin, daß er das Wäldchen ebenso unnatürlich zustutzte, wie der deutschen Sprache Zwang angethan wurde in den Gedichten, welche die Pegnitzschäfer machten. Es wurden verschlungene Gänge durch das Wäldchen angelegt, mit steif zugeschnittenen Heckenwänden eingeschlossen, an einzelnen Plätzen Hütten erbaut und überhaupt von dem deutschen Vereine ganz in französischem Geschmacke ein Irrgarten oder „Irrhain“ angelegt, welch letzteren Namen das Wäldchen jetzt noch trägt. Ein Irrgarten ist es heute jedoch nicht mehr; die zugestutzten Laubgänge sind verschwunden, die Natur ist wieder zu ihrem Rechte gelangt. Zahlreiche Denkmale erinnern an dahingegangene verdienstvolle Mitglieder des Ordens.

Alljährlich im Hochsommer entfaltet sich in dem schattigen Haine ein buntes Leben und Treiben. Der Blumenorden hält hier sein Sommerfest ab, belebt von einem reichen Kranze schöner Damen. Hier führt die Jugend den Herrscherstab. In Scharen findet sich die Erlanger Studentenschaft ein, um den hübschen Nürnbergerinnen angelegentlich den Hof zu machen. Nach dem Festspiele, das nie fehlt und worin gar oft alte Ordensgenossen heraufbeschworen werden, die vor Jahrhunderten hier gewandelt, nach mancherlei ernsten und heiteren Vorträgen wird Terpsichoren gehuldigt und viel Lust und Freude herrscht in dem Haine. Der Mond sendet sein mildes Licht auf die fröhlichen Menschen herab, und wenn er nicht so verschwiegen wäre, könnte er von manchem zärtlichen Worte berichten, das unter dem Schatten hoher Eichen geflüstert, von manchem Bunde, der hier für das ganze Leben geschlossen wurde. Und wie gesund ist der Aufenthalt im Irrhaine! Die jungen Leute, die im Jahre 1844 beim 200jährigen Jubelfeste des Ordens dort ein Menuett tanzten, sie leben – wenn auch alt und grau geworden und in alle Weltgegenden zerstreut – beinahe alle heute noch. Gewiß eine Seltenheit! Möge auch ferner ein günstiger Stern über dem Blumenorden walten, damit er 1944 in gleicher Frische auch seinen 300jährigen Geburtstag festlich begehen kann! H. B.