Die „Prinzessin“ Editha

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Titel: Die „Prinzessin“ Editha
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aus: Die Gartenlaube, Heft 8, S. 140
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1871
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[140] Die „Prinzessin“ Editha, deren sich unsere Leser aus der Erzählung in Nr. 4 der Gartenlaube gewiß noch erinnern, ist vor einigen Wochen aus dem Hahnemann-Hospital in New-York, wo sie aus Barmherzigkeit aufgenommen war, nach dem Irrenhause gebracht worden. Es geschah dies in Folge der eidlich abgegebenen Erklärungen des Dr. Seeger, medicinischen Directors des Hospitals und des Dr. F. W. Hunt, weiland Professors der Medicin und Psychiatrie.

Am 1. December wurde sie angeblich an periodischer Maulsperre (Tetanus) leidend, im Hospital aufgenommen, aber bald entdeckten die Aerzte, daß diese Anfälle nur sehr geschickt geheuchelt waren. Nebenbei benahm sie sich außerordentlich störend und verletzte sehr häufig die Hausordnung. Eines Morgens fand Dr. Seeger ein bereits halb aufgerauchtes Paket Cigaretten auf ihrem Kissen. Sie hatte das Mitleid eines Besuchers zu erregen gewußt, und dieser hatte sie am 17. December Abends eingeschmuggelt. Auf einmal rannte sie aus der Frauenabtheilung fort und die Treppe hinauf nach der Männerabtheilung. Sie war noch nicht ganz oben, da kehrte sie wieder um, rannte ganz hinunter und hinaus in ein Nebengebäude, wo sie der Köchin zurief, es brenne in der Männerabtheilung. Die Köchin, eine Wärterin und der im Hospital wohnende Assistenzarzt eilten hinauf und fanden zwei Matratzen brennend, obwohl die Abtheilung zu der Zeit ganz ohne Bewohner war. Am nächsten Tage hielt Dr. Seeger im Beisein des Dr. Hunt eine große Untersuchung. Alle Patienten gaben unumwundene und offenbar richtige Aussagen ab, nur Editha nicht, die deshalb einem besonders scharfen Verhör unterzogen wurde. Sie wurde dabei sehr aufgeregt und fragte wiederholt in äußerst gereiztem Tone: „Denken Sie etwa, ich hätte das Feuer angelegt?“ Als sie in das Krankenzimmer zurückgeführt wurde, fing sie an, alle Patienten mit Schimpfworten zu überhäufen, und verfiel schließlich in Krämpfe, die jedoch den Charakter eines Tobsuchtsanfalles annahmen. Chloroform und Aether wurden angewandt, aber es erforderte die zweistündige Anstrengung von vier Männern, Professor Hunt, Dr. Seeger, Assistent Drumwell und Pfarrer Stratton, um sie zu bändigen und sie schließlich auf ein Brett zu binden, auf dem sie, mit einer Decke zugedeckt und wohlbewacht, liegen blieb.

Als Dr. Seeger früh am Morgen in’s Hospital kam, hatte sie inzwischen losgebunden werden müssen, aber das Toben und Wehren hatte auch von Neuem begonnen. Der Arzt drohte ihr mit Knebel und Zwangsjacke, worauf sie aufsprang, hinter den Eßtisch rannte, dort ein großes scharfes Aufschneidemesser ergriff und den Dr. Seeger und wer ihr sonst nahe kommen würde, zu tödten drohte. Der Arzt sprang auf sie zu, packte sie fest mit beiden Armen, wobei er mit genauer Noth einer Verwundung entging, bis es endlich mit großer Mühe und nicht ohne daß einer der Assistenten einen Stich unter dem Auge erhielt, gelang ihr das Messer zu entwinden und sie zu überwältigen. So lange sie noch im Hospital blieb, mußte sie sorgfältig überwacht werden und war eine beständige Quelle der Gefahr für die Mitpatienten und die Beamten. Gegenwärtig befindet sich die angebliche Tochter der Lola Montez, wie gesagt, im Irrenhause.