Des deutschen Volkes Wunder- und Zaubermittel

Textdaten
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Autor: Karl Ruß
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Titel: Des deutschen Volkes Wunder- und Zaubermittel
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aus: Die Gartenlaube, Heft 38, S. 599–601
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1865
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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2. Des deutschen Volkes Wunder- und Zaubermittel.

Wie, wird man kopfschüttelnd fragen, in unserer aufgeklärten und so hochstrebenden Zeit, sollte da wirklich solche Finsterniß noch herrschen, sollte man da wirklich noch den Glauben an Zaubereien und dergleichen im Volke finden? Es sei von vorn herein daran erinnert, daß wir nur Thatsächliches schildern – und nun führen wir, als Antwort auf diese Frage, die Leser hinaus in die Wirklichkeit des täglichen Lebens.

Dort, am Ende eines Dorfes, steht eine einsame kleine Hütte. Dorthin wallen Jahr aus, Jahr ein Leidende und Hülfesuchende aller Art in ganzen Schaaren. Treten auch wir mit jener krankhaft aussehenden, matt daherschleichenden Frau zugleich hinein. Man ladet uns zum Sitzen ein. Der Mann ist noch nicht anwesend, er ist nach dem Walde gegangen, um Kräutlein zu sammeln, oder nach der Apotheke, um Arzeneien zu holen, wird uns gesagt. Inzwischen setzt sich seine Frau zu der Patientin und fragt, wie unwillkürlich in herzlichster Theilnahme, ihr die ganze Krankheitsgeschichte ab. Dann endlich kommt auch der Mann, mit Mütze und Stock, anscheinend von einer weiten Wanderung, und nachdem er die Leidende scharf angesehen und ihren mitgebrachten Urin prüfend gegen das Licht gehalten, erzählt er der staunenden und mit jedem seiner Worte natürlich immer gläubiger werdenden Frau den ganzen Verlauf und alle möglichen Erscheinungen ihrer Krankheit haarklein. Er hat nämlich hinter einer dünnen Breterwand im andern Zimmer gesessen und das ganze Examen mit angehört. Eine solche „Allwissenheit“ aber giebt natürlich von vorn herein Ruf und unbegrenztes Vertrauen, und die glänzendsten Erfolge seiner Curen bleiben nimmer aus.

Dies wiederholt sich, natürlich in zahllosen Variationen, fast in jeder Gegend; je ärmer eine solche, desto allgemeiner ist erklärlicher Weise der Glaube an den ländlichen Wunderdoctor und desto ärger werden die einfältigen armen Leute von demselben ausgebeutelt. Ohne allen Zweifel dürfen wir mit vollster Gewißheit annehmen, daß mindestens einen solchen Wunderthäter in einem Dorfe oder einer kleinen Stadt (ja in den großen Städten meistens erst recht) jeder Landstrich unseres großen deutschen Vaterlandes ohne Ausnahme noch jetzt in unserer gepriesenen Gegenwart aufzuweisen hat.

Greifen wir nur einige dieser thatsächlichsten Beispiele heraus. In meiner Heimath, einem freundlichen, aber armen Theile Westpreußens, trieb ein Mann, Namens Voß, viele, viele Jahre lang ganz unangefochten sein Unwesen, bis ihn endlich der Tod vor Kurzem zur Rechenschaft zog. „Er hatte einst einen jungen Teufel eingefangen, denselben mit der Zunge an die Krippe seines Pferdestalles genagelt und ihn vermittelst seiner Zaubermittel so gebannt, daß er ihm völlig zu Gebote stehen mußte.“ Das war es, was man, halb Scherz, halb Ernst, von ihm munkelte. Seine Verordnungen, die er stets doctormäßig auf Zettel schrieb, rechtfertigten übrigens eine solche Annahme in der That. Die Leute erhielten ein Gemisch aus Asa foetida (Teufelsdreck), Kreuzkümmel, Schackerell (Cascarillenrinde), Weihrauch, Myrrhen, Lorbeeren etc. zum Räuchern, welches einen wahrhaft pestilenzialischen Duft aushauchte; dem entsprechend waren auch seine übrigen innerlichen und äußerlichen Mittel nach dem goldenen Wahlspruche aller derartigen Heilkünstler: „Schlimm muß Schlimm vertreiben.“ Die Gegend von Schlochau in Preußen machte eine Frau unsicher (und wenn wir nicht irren, prakticirt sie noch jetzt in vollster Glorie), die vermittelst eines uralten Doctorbuches sich einen solchen Ruf erworben, daß sie viele Meilen weit sogar zu den „gebildeten“ Gutsbesitzern geholt wurde. Der biederbe, reiche Oderbruch hat ein Schneiderlein aufzuweisen, dessen zahllose Sympathie- und Wundercuren sich nur auf eine Substanz basiren – freilich aber auch auf eine gar gewichtige: auf den schon unseren Altvorderen geheiligten Mistelzweig. In Posen, namentlich um Bromberg, erntete ein hochbetagter katholischer Pfarrer bis an sein unlängst erfolgtes seliges Ende wahrhaft staunenswerthe Erfolge in Heilung von Weichselzopf- und zahlreichen anderen dort leider nur noch zu allgemein einheimischen Schmutzkrankheiten. Ob er, wie sein ersterwähnter Genosse, ebenfalls durch Beelzebubs Hülfe die Teufel austrieb oder vielmehr den Engel der Reinigung walten ließ, das vermögen wir nicht näher anzugeben. Seine Verordnungen bestanden gleichfalls meist in sehr mystischen Heilmitteln. Solcher Fälle könnten wir – und mit uns ganz gewiß zahlreiche Leser – noch gar mannigfache aufzählen, und bei ihnen allen, ohne Ausnahme, steht das fest, daß die betreffenden Wunderdoctoren stets erkleckliche Geldsummen zusammenraffen – während ihre ausposaunten Heilerfolge, am Lichte der Wahrheit besehen, regelmäßig in das kläglichste Nichts zerfallen.

Was aber in aller Welt hat dies Alles mit der Apotheke zu thun? Verzeihen Sie, meine freundlichen Leser, wir gelangen jetzt eben zu einem inhaltschweren Vorwurf, den wir den Apothekern auch hier wieder machen müssen. Ein wahrhaft ungeheurer Sturm hat sich gegen uns erhoben, ein Sturm von Einwänden gegen das „Unrecht, das wir den Apothekern angethan“. Unter allen diesen der am häufigsten wiederholte und allenfalls berechtigt erscheinende ist folgender: „Da das deutsche Apothekerthum, im schroffen Gegensatz zu jedem (?) ausländischen, an Sicherheit und Billigkeit (?) seinen Patienten unendliche Vortheile bietet, so ist ein gesetzmäßiger Schutz (Privilegium?) für dasselbe nicht blos durchaus billig und nothwendig, sondern es muß dem Apotheker auch freigestellt sein, zum Heil des Publicums (oder doch wohl mehr zum Nutzen des Apothekers!) alle diejenigen Forderungen und Wünsche nach seinem Ermessen zu befriedigen, welche in alt- und tiefwurzelndem Glauben ihren ‚wohlberechtigten‘ Grund haben.“ Ja, man geht soweit, diese alt-ehrwürdigen Volksheilmittel im Heiligenschein der Pietät zu betrachten und es also [600] gleichsam für einen Frevel zu halten, falls der Apotheker es wagen wollte, sie nicht zu verabreichen, selbst wenn er sie gar nicht besitzt! Betrachten wir dieß Verhältnis; indessen einmal aus anderen Gesichtspunkten – denen des Rechts, der Billigkeit und Humanität.

Dem Volke zum Heil und Segen – allein auch den Apothekern zum nicht geringen Vortheil – hat die Sanitätspolizei allenthalben den alten Olitätenkrämern, Balsamträgern etc. längst schon das Handwerk gelegt. Und hoffentlich haben wir in nicht gar ferner Zeit auch ernstlichen Schutz gegen den unheilvollen Geheimmittelkram zu erwarten. Bis dieser letztere eintritt, müssen wir an die Aufklärung uns halten, welche von verschiedenen Seiten geboten wird.

Während so nach allen Seiten hin in freudigster Regsamkeit für Licht und Wahrheit redlich gekämpft wird – wie verhalten sich da die Apotheker? Sie genießen behaglich den Schutz des Gesetzes, doch statt jetzt auch ihrerseits wacker mitzuwirken für das wirkliche Heil und Wohl der Menschheit, glauben sie vielmehr ohne die Begünstigung des Aberglaubens und der Finsternis nicht bestehen zu können, fürchten sie das Vertrauen der Leute zu verlieren, wenn sie Wahrheit sprechen und sich schnöder Unredlichkeit enthalten wollten! –

Wie wir bereits selbst zugestanden, liegt allerdings ein harter Kampf in der Aufgabe, die einfältigen Leute von ihrem Wahn und „guten Glauben“, selbst zu ihrem augenscheinlichen Vortheile, zurückbringen zu wollen; allein sollte ein solches Streben des schönen Berufs eines ehrenhaften Apothekers nicht ungleich würdiger sein, als die „Pietät“, mit welcher man derartigem Aberglauben huldigt?! Unser so schnell und hitzig von den Apothekern aufgenommener Streit ist daher von vornherein vollständig erledigt. Alle diejenigen braven und ehrenwerthen Apotheker nämlich, denen die von uns aufgedeckten Düsterkeiten der Apotheke selbst ein Gräuel sind, die froh und erleichtert aufathmen würden, wenn sie von derlei unredlichem Geschäft befreit wären, sie sämmtlich werden uns freudig zustimmen und froh darüber sein, daß endlich einmal diese Mißstände vor der Allgemeinheit aufgedeckt und dadurch ihre Abhülfe doch mindestens vielleicht ermöglicht worden. Alle übrigen aber mögen uns erst beweisen, daß wir auch nur im Geringsten den Boden der Thatsachen verlassen haben. Ja, sie mögen uns auch nur nachweisen, daß wir durch das Aufdecken dieses Apothekenzopfthums ihr pecuniäres Interesse in bedeutendem Grade gefährden – während wir doch dem armen leidenden gar manchen sauer erworbenen Pfennig dadurch zu ersparen hoffen dürfen!

Nehmen wir jetzt noch die Reihe der eigentlichen Wunder- und Zaubermittel unseres Volkes kurz durch. Wohlgemerkt verstehen wir darunter nur solche, welche ausschließlich zu mystischen Zwecken gebraucht werden und sich sonst als Heilmittel oder dergleichen keinerlei Anwendung erfreuen. Unter ihnen obenan steht der Teufelsdreck oder Asa foetida. Daß derselbe als ein sehr heilkräftiges Arzneimittel von den Aerzten gebraucht wird, ist wohl allgemein bekannt. Als Volksheilmittel dagegen findet er im rohen Zustande keine andere Verwendung, als zum Räuchern bei Zauber- und Wundercuren. Er wird dann unter den Bezeichnungen Stinkasand, „Wat vom Schwarten“ oder Teufelsdreck gefordert. Hier und da gegen krampfige Leiden einzunehmen, meistens aber auch zum düsteren Gebrauch, wird die Tinctur unter dem Namen Teufelsdrecks-, Stiefelknechts- oder Knoblauchstropfen gekauft. Der menschenfreundliche Apotheker sollte also stets die Leute nach dem Wozu fragen, ihnen den Aberglauben auszureden suchen oder beim Gebrauch als Hausmittel für Menschen oder in der Viehheilkunde nur die Tropfen oder den gereinigten Stinkasand verabreichen. Dieser letztere, der in den beiden genannten Fällen oft zu Klystieren etc. verwandt wird, muß möglichst in der Kälte und in einem Metallmörser sehr fein gepulvert, mit Eigelb angerührt und dann mit der wässerigen Flüssigkeit, Thee oder dergleichen abgequirlt werden. Anders läßt er sich nicht damit vermischen. Um daher nicht den Verlust der sehr heilkräftigen Wirkung zu erleiden, sollte man ihn stets nur von Sachverständigen, am besten in der Apotheke, zubereiten lassen.

Ihm schließen sich der schwarze oder Kreuzkümmel und Schackerell als die gebräuchlichsten Räucherzusätze an. Der erstere, außerdem unter den Namen Kreuzkörner, Teufelskörner und Satanssaat gekauft, ist längst aus den Verzeichnissen sämmtlicher Heilmittellehren gestrichen und dient nur noch dem Moloch des Aberglaubens, um dem Einfältigen sein Geld aus der Tasche zu locken. Die Casearillenrinde wird von den Aerzten in verschiedenartigen Arzneimitteln bei Durchfällen und Magenschwäche verordnet. Als Volksheilmittel findet sie nur selten noch als Fiebermittel Gebrauch, sonst nur zu jenen Teufelsräuchereien. Man fordert sie noch unter den Namen Chakrill, Schakerill, Schikrill, Schabrell und Schakerillenbork.

Ein außerordentlich geschätztes Wunderheilmittel ist der Allermannsharnisch, welcher noch unter den Bezeichnungen „Adam und Eva“, Erunsih, „Allermenschenärgerniß“, „Er und Sie“, „Kurz und Lang“, Siegmars-, Siegwars-, Sieg- und gemeine Schwertelwurzel sehr häufig gekauft und bei Menschen und Vieh gebraucht wird. Der Apotheker hält dem Volke zuliebe zweierlei: Radices victoriales longae et rotundae, also eine lange und eine runde Wurzel des lilienartigen Gewächses, welche aber aus dem Arzneimittelschatz längst verbannt sind und auch als Haus- oder Volksheilmittel fast keinerlei Gebrauch finden, sondern eben nur zu mystischen Räuchereien, Bähungen etc. dienen. Um des lieben Aberglaubens willen werden sie indeß auch den Menschen und Thieren eingegeben. Außerdem wird ein geheimnißvolles Gemisch von ihnen, nebst mehreren der vorerwähnten, in einem Säckchen im Stall vergraben oder an die Krippe genagelt – gut gegen Zaubereien allerlei Art.

In außerordentlichem Ansehen steht auch, namentlich bei den unwissenderen Juden, das Dürrwurzkraut. Wie bei dem vorigen Wundermittel ist auch bei ihm von keiner besonderen arzneilichen Wirkung die Rede, und der Apotheker muß es ebenso nur des leidigen Aberglaubens wegen halten und verkaufen. Seine Volksthümlichkeit und seine Anwendung gehen ebenfalls aus seinen zahlreichen Namen hervor; es wird gekauft als Berufungs-, Beschrei-, Glied-, Grind-, Scheer-, Verwasch-, Zielken-, Ziesken-, Zeisig-, Zeischen- und Wergenkraut, Neunkraft, Scharfkräutig und Ziest. Möchte doch endlich, namentlich in Bezug auf diese beiden letzteren durchaus werth- und zwecklosen Stoffe, einmal Aufklärung und Licht in die Massen dringen, damit sie nicht noch immerzu ihr Geld dafür hinauswerfen. Allen Lehrern auf dem Lande sei die Belehrung hierüber vorzugsweise warm und dringend an’s Herz gelegt.

Sehr wichtig, als Mittel des Aberglaubens, ist ferner die Zaunrübenwurzel, auch als Alraun und Alrunke, uralten, mystischen Andenkens gefordert. Sie hat für den Kaufenden durchaus keinerlei Werth. Die bei Wechselfiebern etc. in Arzneimischungen nur noch selten gebrauchte Nelkenwurzel dient ebenfalls zu argem Mißbrauch, indem sie als Teufelsabbiß- und Benedicterwurzel zu mystischen Zwecken verabreicht wird. Hier und da, aber wohl selten, hält man in den Apotheken auch noch die eigentliche Succisa oder Teufelsabbißwurzel, Morsus diaboli. Daß die jetzt endlich aus dem Arzneimittelschatz gemerzte, weil völlig werthlose Mistel gleichfalls zu Wundercuren dient, ist ziemlich bekannt, weniger aber wohl, daß auch mit dem in der That heilkräftigen Cardobenedictenkraut, unter all den Namen: Gesegnete Distel, Tutzthee, Trutzthee, Bitterdistel, Cardictenkraut, „Ochs wie Du“, und Cactus pinnititus, viel Unsinn getrieben wird. Wir führen dies nur beiläufig auf, während wir hier fast alle wirklichen Haus- und Arzneimittel sorgfältig fern lassen, um zu zeigen, wie man auch gute Stoffe in Mißbrauch gezogen hat.

Ein höchst gefährliches Wundermittel ist der als Dolldill, Dollsamen, toller Dill und Dulldill geforderte Bilsenkrautsamen. Glücklicher Weise darf er aber nicht verkauft werden; die Liebbaber empfangen daher unschuldigen Dill-, Petersilien- oder anderen Samen. Zur Abwechselung giebt sich der Apotheker auch wohl einmal die Mühe, dem Volksglauben durch ein expreß bereitetes Präparat zu huldigen. Es ist dies ein ekelhaftes Gemisch aus stinkendem Thieröl (Oleum animale foetidum) und Leinöl, das unter den Namen Schwalben-, Schwülken-, Ziegel-, Ziegelstein-, Sehnenzieh-, Brand- und Dichterstein-Oel und sogar unter dem stolzen Namen Oleum Philosophorum verkauft wird. Wenn seine Wirkung auch für die meisten Fälle gleich Null anzuschlagen ist, so wollen wir es doch allenfalls als Volksheilmittel, namentlich in der Thierheilkunde, gelten lassen. Ihm schließt sich das ähnliche Regenwurmöl an, welches unter den Namen Merken-, Melken-, Pirats- und Sproßöl ebenfalls viel geholt wird – und, früher [601] gewissenhaft aus Regenwürmern dargestellt, jetzt als Gemisch auch weiter keinen Zweck hat. Beide könnten füglich aus den Apotheken endlich fortbleiben.

Das unschuldige Wolverleikraut, dessen Blumen (Arnica) von so unschätzbarer Wirkung in vielen Krankheiten sind, muß leider dem Schwindel und Aberglauben als Brenn-, Fall-, Fruen-, Gemsen-, Melk-, Stich-, Scharbocks-, Fahlenpfots- und Wulverlingskraut und Fohlenfüße ebenfalls dienen. Auf die größtentheils unheimlichen, sämmtlich fast nur für Wundercuren dienenden Namen Knoblauchskraut, Lachenkraut, Peters-, Läuse-, Bathenzel- Kraut, Marienblätter und dergleichen – verabreicht der gute Apotheker häufig genug erklärlicher Weise was ihm gerade zur Hand ist. Viel geheimer, oft recht schauerlicher Unsinn wird dann noch mit der auch als Arzneimittel geschätzten Johanniswurzel (Wurmfarrnwurzel) getrieben, sowie auch mit der nicht mehr im gesetzlichen Arzneimittelschatz befindlichen, dagegen zu Pferdepulvern etc. vielfach gebrauchten Meisterwurzel. Beide werden abwechselnd auch als Teufelsklau, Pestilenzwurzel und Türkenblut gefordert. Den Beschluß in dieser würdigen Reihe macht das Sepienbein, welches als Walfischschuppen, Tintenfischbein, Seeschaum und Blackfischbein gekauft und zu allerhand schwer zu ergründenden Heilzwecken (außerdem aber auch zu industriellem Gebrauch) verwendet wird. Daß die Apotheker nun außerdem noch „Elephantenläuse“ - (Anacardiae – „Drachenzähne“ – Päonienkörner –, Krebssteine – Lapides Cancrorum – und den berüchtigten Stinktmarin – Stincus marinus, eine in Lavendelblüthen aufbewahrte Eidechse, – gleichsam aus Gutmüthigkeit vorräthig halten und ihren curiosen Liebhabern verkaufen, das müssen wir ihnen jedenfalls noch hoch aufnehmen.

Diejenigen von ihnen aber, die sich durch diese Darlegungen wiederum gekränkt fühlen sollten, fragen wir: Hand auf’s Herz! Ihr Herren, ist in allediesem die geringste Unwahrheit? Und noch mehr: wie lange ist’s denn her, daß Ihr noch Mumie – Mumia vera – verkauftet als Armsünderfleisch, Armsünderpulver, „Mummi und Puppi“, „Schwarte Ehr“ und „Galgentheil“, – ferner Kälberlunge und Kälberblut - Pulmonium und Sanguis hirci, als Wolfs-, Bären-, Fuchs- etc. Lungen, respective Blut – und vielerlei dergleichen ekelhaftes und unsinniges Zeug sehr bereitwillig verkauftet? Oder habt Ihr am Ende (natürlich nur um das Vertrauen der Leute nicht zu verlieren) das Alles nicht noch in den Apotheken?!

Carl Ruß.