Textdaten
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Autor: Wilhelm Busch
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Titel: Des Kaufmanns Sohn
Untertitel:
aus: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. S. 44-47
Herausgeber: Otto Nöldeke
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1910
Verlag: Lothar Joachim
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Erscheinungsort: München
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: ULB Düsseldorf und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[44]
21. Des Kaufmanns Sohn.

Es hatte ein Kaufmann einen einzigen Sohn und auch eine Tochter. Der Sohn war aber ein Erztaugenichts, und weil er gar nicht gut thun wollte, so schickte ihn sein Vater zuletzt unter die Soldaten, da, meinte er, würden sie ihm schon Ordnung lehren.

Es dauerte nicht lange, so schrieb der Junge nach Haus: er wäre Offizier geworden und da müsse er sich denn die theure Uniform anschaffen, darum möchte ihm sein Vater doch etwas Geld schicken. »Der Junge macht sich,« dachte der Vater und schickte ihm hundert Thaler hin. Er war aber nicht Offizier, sondern noch gemeiner Soldat und ein Taugenichts [45] vor wie nach, nahm die hundert Thaler und verthat sie auf die leichtsinnigste Weise.

Als das Geld nun zu Ende war, schrieb er an seinen Vater einen zweiten Brief, da stand drin: er wäre jetzt General geworden, darum möchten sie ihm von Haus doch etwas Geld zukommen lassen. »Der Junge kommt doch recht empor,« dachte der Vater und schickte ihm hundert Thaler hin. Aber der Junge, der noch immer gemeiner Soldat war, verbrachte das Geld in kurzer Zeit und machte noch Schulden obendrein.

Weil er nun nicht aus noch ein wußte, so schrieb er zum dritten Male an seinen Vater: er wäre jetzt König geworden, aber die erste Einrichtung koste viel Geld, darum sollte ihm sein Vater doch mit etwas Geld unter die Arme greifen. »Das kommt mir doch etwas sonderbar vor, daß der Junge nun gar König geworden ist,« dachte der Alte; »ehe ich ihm darum das Geld schicke, will ich doch erst mal nähere Erkundigungen einziehen.«

Da saß nun der Junge und wartete, aber es kam kein Geld und kam kein Geld, und weil er nun seine Schulden nicht bezahlen konnte, auch sonst seinen Dienst nicht ordentlich versehen hatte, so wurde ihm mit Schimpf und Schande der Abschied und eine alte zerrissene Soldatenuniform mit auf den Weg gegeben. So ging er in die weite Welt und hatte nichts zu beißen und zu brechen.

Eines Abends kam er an den Garten des Königs; da sah er, daß ein Apfelbaum darin stand, der hing voll der schönsten Äpfel, und weil er hungrig war, so hätte er gar zu gern einige von den Apfeln haben mögen. Es ging aber um den Garten eine hohe Mauer und war nur eine einzige Thür darin, und als er da hindurch schleichen wollte, um zu dem Apfelbaume zu gelangen, so stand quer davor ein Bett und lag des Königs Tochter darin, die mußte jede Nacht bei den Äpfeln Wache halten, daß keiner davon gestohlen würde. Da fing er mit ihr ein Gespräch an und fragte, ob es nicht erlaubt wäre, von den Äpfeln einige zu essen? »Nein!« sagte die Königstochter; »aber wenn du diese Nacht bei mir bleiben und mir Gesellschaft leisten willst, so will ich es dir wohl erlauben.« Das versprach der Junge und aß von den Äpfeln so viel er nur mochte. Dann setzte er sich zu der Königstochter aufs Bett und vertrieb ihr die Zeit und blieb bei ihr die ganze Nacht. Das war ihr aber eine große Freude, denn sie fürchtete sich und hatte Langeweile, wenn sie des Nachts so allein im Garten liegen mußte, und da gefiel ihr der Junge so gut, daß sie ihm des Morgens heimlich schöne Kleider gab und zu ihrem Vater dem König ging und ihm sagte, es wäre da ein schöner vornehmer Herr angekommen, den möchte sie um alles in der Welt gern zum Manne haben. Erst wollte es der König gar nicht zugeben; das Mädchen plagte aber so lange, bis er doch endlich ja sagte.

Als der Junge nun die Königstochter geheirathet hatte, sagte er eines [46] Tages, er wolle mal in seine Heimath zu seinen Eltern reisen, nahm zwei Jäger zu seiner Begleitung und auch viel Geld und schöne Kleider mit. Des Abends kamen sie in einen Wald und verirrten sich; da stieg der eine Jäger auf einen hohen Baum, und als er von da aus in der Ferne ein Licht schimmern sah, gingen die drei in der Richtung weiter und gelangten auch zu der Stelle, wo das Licht brannte, und da sahen sie, daß sie in eine Mördergrube gekommen waren. »Von hier geht kein Weg wieder zurück,« sprachen die Räuber; »ihr müßt nun sterben!« Sie führten auch die beiden Jäger gleich auf die Seite, daß sie sie umbrächten, aber ihrem Herrn nahmen sie Geld und Kleider ab und stießen ihn fasernackt in den Wald hinaus. Er mußte lange irren, ehe der Wald licht wurde, und als er nun endlich auf das freie Feld kam, fand er da einen Schäfer in seinem Karren liegen, den sprach er an um einige alte Kleider, seine Blöße damit zu bedecken. »Meine Kleider habe ich selbst groß nöthig,« sprach der Schäfer; »aber in voriger Nacht ist mir ein Schaf gestorben, dem habe ich das Fell abgezogen, das ist alles was ich dir geben kann.« Da bedankte er sich bei dem Schäfer, hing das Fell um seine Schultern und kam so in seines Vaters Hause an. Aber seine Angehörigen erkannten ihn nicht wieder und als er nun sagte, wer er wäre und daß er eine Königstochter geheirathet hätte, da wurde sein Vater zornig und spracht: »Du bist nie und nimmer mein Sohn! Hinaus mit dir, du Bettler! Bei den Hunden im Stalle, da kannst du dein Futter kriegen.« Und als er das gesagt hatte, ließ er ihn zu den Hunden in den Stall werfen, da mußte er Knochen nagen und nur seine Schwester, die den armen, halbnackten Menschen bedauerte, brachte ihm zuweilen heimlich etwas zu essen.

Die Königstochter saß derweilen daheim und wartete vergeblich, daß er wiederkäme. Da wurde ihre Sehnsucht nach ihm so groß, daß sie aufbrach, ihn in seiner Heimath aufzusuchen. Zu ihrer Begleitung nahm sie viele Jäger mit und kam mit ihnen abends in den Wald und zu der Mördergrube. Da sprach die Königstochter zu den Jägern: »Bleibt ihr jetzt noch zurück, ich will allein hineingehen, ob ich nicht meinen Mann da finde. Wenn ich euch aber ein Zeichen gebe, so kommt mir schnell zu Hülfe.« Da ging die Königstochter allein in die Mörderhöhle. »Von hier geht kein Weg zurück!« schrieen da die Räuber; »du mußt nun sterben.« »Wenn ich denn mein Leben lassen muß,« sprach die Königstochter, »so laßt mich vor meinem Tode nur noch einmal eine Pistole losschießen, denn mein Leben lang ist die Jagd mein größtes Vergnügen gewesen.« Das erlaubten ihr die Räuber auch; und wie sie die Pistole abdrückte, so stürzten auch schon die Jäger herein, nahmen die Kerle gefangen und stachen sie todt, daß auch nicht einer mit dem Leben davon kam. Darauf suchten sie das Räubernest gehörig durch und fanden eine Masse Gold und auch die schönen Kleider ihres Herrn; das alles nahmen sie mit sich fort.

Als die Königstochter nun bei den Eltern ihres Mannes ankam, so fragte [47] sie, ob sie nicht einen Sohn hätten. »Ja,« sagte der Vater; aber der ist schon vor Jahren in die weite Welt gegangen und da gestorben und verdorben. Vor einiger Zeit kam freilich ein halbnackter Bettler, der wäre mein Sohn und hätte eines Königs Tochter geheirathet ich habe ihn aber zu den Hunden in den Stall sperren lassen. Da ließ sich hinbringen, wo er lag und da war er ganz mit Schmutz bedeckt und sein Haar und sein Bart waren so lang und wüst geworden, daß sie ihn kaum wieder kannte. Da lies sie ihn waschen und scheren und gab ihm seine schönen Kleider und da erkannten ihn auch seine Eltern und seine Schwester wieder. – Nachdem, so gingen sie miteinander zurück in ihr Königreich.