Der Königssohn mit der goldenen Kette

Textdaten
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Autor: Wilhelm Busch
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Titel: Der Königssohn mit der goldenen Kette
Untertitel:
aus: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. S. 47-52
Herausgeber: Otto Nöldeke
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1910
Verlag: Lothar Joachim
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Erscheinungsort: München
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: ULB Düsseldorf und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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22. Der Königssohn mit der goldenen Kette.

Es war einmal ein Königssohn der wollte ausziehen, die Welt zu sehen. Da ließ ihm sein Vater eine goldene Kette um den bloßen Leid schmieden und gab ihm auch noch Geld dazu. Danach nahm der Königssohn Abschied von seinem Vater und reiste fort.

Gegen Abend kam er in eine Stadt, da gingen die Glocken- und als er fragte, was das zu bedeuten hätte, daß die Glocken geläutet würden, so wurde ihm gesagt, es wäre ein armer Mann gestorben, der wäre aber noch zehn Thaler schuldig und nun wollte der, der das Geld zu fordern hätte, es nicht zugeben, daß der Arme begraben würde, es käme denn einer und bezahlte das Geld für ihn. Da ging der Königssohn hin erlegte der arme Mann, der schon lange über der Erde gestanden hatte, kam nun endlich zur Ruhe in seinem Grabe und Königssohn ging allein hinter dem Sarge her.

Nachdem so zog der Königssohn weiter und kam in einen finstern Wald, da begegneten ihm zwei Spitzbuben, die fragten ihn: wo denn die Reise hinginge. »Ich bin ausgegangen, das Stehlen zu lernen,« sagte der Königssohn.»Wenn du das lernen willst,« sagten die beiden, »so bist du hier gerade recht gekommen, das verstehen wir aus dem Grunde gut. Geh nur mit, so sollst du es lernen.« Da nahmen sie ihn mit in ihre Höhle, und waren da im ganzen vierundzwanzig Spitzbuben zusammen, die hatten auch eine Königstochter bei sich, welche sie geraubt hatten und nun gefangen hielten.

Da sprach eines Tages der, welcher der Oberste war, es sollten drei Nächte hintereinander jedesmal acht aufs Stehlen ausgehen; wer dann das meiste mitbrächte, der sollte die Prinzessin zu Frau haben. Als sie nun die erste Nacht auszogen, ging der Königssohn seinen Weg für sich, trat hinter einen Baum und löste ein Stück von seiner goldenen Kette, die er um den Leib trug, und als nun die andern zurückkamen da hatte er das meiste mitgebracht. Die zweite Nacht machte er es wieder so und die dritte Nacht [48] auch, und weil er jedesmal das meiste mit zu Haus gebracht hatte, so kriegte er die Prinzessin zur Frau.

Die Prinzessin weinte aber so viel und war ganz unglücklich, daß sie einen Spitzbuben zum Manne haben und unter lauter Spitzbuben leben sollte; da gab sich der Königssohn ihr heimlich zu erkennen und sagte: »Weine nur nicht mehr! Ich bin kein Spitzbube, wie du wohl denkst, sondern ein Königssohn und will dich aus deiner Gefangenschaft befreien, sobald es geht, und mit dir zu deinem Vater reisen«.

Er wurde nun ordentlich in die Bande aufgenommen und kriegte eine Flöte, darauf spielte er, wenn er zu Hause war und vertrieb der Königstochter die Zeit; zuweilen fuhr er in der Mittagszeit auch mit ihr spazieren, denn der oberste der Spitzbuben hatte eine Kutsche und vier Pferde und hatte es ihm erlaubt, zuweilen darin herumzufahren, aber nur ganz nahe bei dem Hause, damit sie ihn immer sehen konnten.

Nun traf es sich eines Tages, daß die Bande gute Beute gemacht hatte; da stellten sie ein Trinkgelage an und soffen so viel Wein, daß sie alle betrunken wurden. Der Königssohn hatte aber nur gethan als tränke er mit, und als er nun sah, daß sie alle unter dem Tische lagen, da ging er hinaus, spannte die Pferde vor die Kutsche und jagte mit der Prinzessin über Stock und Stein aus dem Walde hinaus und hörte nicht eher auf, bis er zu einer Stadt kam, die an der See lag. Über diese See mußten sie aber fahren, um wieder in ihre Heimath zu gelangen; darum beredeten sie sich mit einem Schiffskapitän, der mit seinem Schiffe da im Hafen lag, daß er sie mitnähme. Sie wurden mit dem Manne auch einig und gingen auf das Schiff, das zur Rückfahrt bereit lag. Da sie nun vom Lande gestoßen waren und auf die offene See kamen, da zeigte es sich, daß der Kapitän des Schiffes ein treuloser Mann war.

Er war aus dem Lande, wo die Prinzessin her war, und da hatte der König, ihr Vater, bekannt machen lassen, wer seine Tochter aus den Händen der Spitzbuben befreie, der sollte König werden und die Prinzessin zur Frau haben. Nun hatte aber der Schiffskapitän die Königstochter wieder erkannt, darum machte er heimlich einen Anschlag, wie er ihren Gefährten, der sie befreit hatte, von der Welt schaffen könnte. Er beredete sich mit seinen Matrosen, daß sie ihn in der Nacht binden un in das Meer werfen sollten und verhieß ihnen, wenn sie das thäten, guten Lohn. Da waren die Matrosen auch bereit, banden ihn, als er im Bette lag, mit Stricken und wollten ihn über Bord in die See werfen; er bat aber so viel, sie möchten ihm doch das Leben lassen, daß sie endlich nachgaben und einen alten Kahn losmachten, da setzten sie ihn hinein, gaben ihm altes lumpiges Matrosenzeug, weil er halb nackt war, und stießen den Kahn in die See hinaus. »Der wird uns sicher nicht verrathen,« dachten sie; »wenn er nicht verhungert, so muß er doch ertrinken, [51] denn der alte Kahn wird nicht lange über Wasser bleiben.« Als sie nun dem Kapitän die Nachricht brachten, daß sie seinen Befehl ausgerichtet hätten, da mußte ihm die Königstochter einen heiligen Eid schwören, daß sie in ihrem Leben niemandem sagen wollte, was hier vorgefallen und daß ein anderer sie erlöst hätte. Danach so fuhren sie weiter und kamen glücklich ans Land und in die Stadt, wo die Königstochter her war; da gab sich der Kapitän für den Mann aus, der sie von den Spitzbuben befreit hatte und brachte sie zu dem Könige; der hatte eine große Freude, daß er seine Tochter endlich wiedersah.

Nun gut! – – Der arme Königssohn, der fuhr aber derweilen auf der großen See in seinem Kahn. Zwar sein Geld und seine Flöte hatte er gerettet, aber was half ihm das, wenn er nichts zu essen hatte. Er meinte, er müßte elendiglich verhungern und hatte sich schon in sein Schicksal ergeben, als eines Nachts der Kahn an das Ufer stieß; da sprang er heraus und band ihn fest, und weil ihn der Hunger trieb, so stieg er auf einen hohen Tannenbaum, ob er nicht von da ein Licht erspähen könnte und so zu Leuten käme, die ihm etwas zu essen gäben; aber er mochte seine Augen anstrengen, wie er wollte, es zeigte sich nah und fern kein Licht. Da wurde er ganz muthlos und sprach: »Was hilft es mir nun, daß ich der See glücklich entgangen bin; wenn ich hier in der Wildniß vor Hunger umkommen muß, oder den Spitzbuben wieder in die Hände falle. Hätten mich die Wellen verschlungen, so wäre das wohl für mich das Beste gewesen.« Indem daß er noch so klagte, gewahrte er, daß in seinem Kahn, den er am Ufer zurückgelassen hatte, sich etwas Weißes regte, und als er näher hinzutrat, so war es der Geist des armen Mannes, für welchen er die zehn Thaler bezahlt hatte, daß er konnte begraben werden. »Weil du so gut gegen mich gewesen bist«, sprach der Todte, »und hast mir ein ehrliches Begräbniß geben lassen, so will ich dich nun zum Dank schnell in die Stadt bringen, wo der Kapitän morgen mit deiner Frau Hochzeit halten will, wenn du dich nicht noch zur rechten Zeit einfindest.« Als der Todte das gesagt hatte, führte er den Königssohn in dem Kahne noch denselben Tag zu der Königsstadt bis zu einem Gasthause, welches dem Schlosse gerade gegenüber lag. Der Königssohn fragte die Wirthin, ob er nicht die Nacht dableiben und ein Zimmer haben könnte und forderte sich auch ein Glas Wein. Da sah ihn die Wirtin ganz verächtlich an, denn er war ganz schmutzig und trug noch sein zerrissenes Matrosenzeug; »geh nur weiter,« sprach sie, »dies ist hier keine Herberge für Leute deinesgleichen; ich habe das ganze Haus voll vornehmer Gäste, denn morgen ist Hochzeit gegenüber in des Königs Schloß.« Als er aber das Glas Wein mit einem Goldstücke bezahlte, da wurde die Wirtin auf einmal ganz freundlich und gab ihm auch ein Zimmer, wo er die Nacht bleiben konnte. Da ging der Königssohn hinauf, machte das Fenster auf und fing auf seiner Flöte zu spielen an. [52] Das hörte gegenüber im Schloße die Prinzessin, und an dem Tone und der Melodie erkannte sie, daß der gekommen war, welcher sie aus den Händen der Räuber befreit hatte. Da fing sie laut zu weinen an und ging zu ihrem Vater und fiel ihm mit Schluchzen rund um den Hals und konnte kein einziges Wort hervorbringen. »Was fehlt dir denn, mein Kind,« fragte der König da; »daß du so traurig bist, und morgen ist doch dein Hochzeitstag?« »Ach, lieber Vater,« sprach die Prinzessin, »ich darf und darf es niemals sagen, was mich so traurig macht; das habe ich schwören müssen.« »Nun!« sagte der König, »wenn du es nicht sagen darfst, so darfst du es doch schreiben« und ließ Feder, Tinte und Papier holen. Da schrieb sie auf, daß der, welcher in dem Gasthofe die Flöte spielte, sie von den Räubern erlöst hätte; der Schiffskapitän aber wäre ein Betrüger und falscher Mann und gäbe sich mit Unrecht für ihren Befreier aus. Als das der König las, schickte er gleich einen von seinen Dienern hin, daß er den Mann holen sollte, der in dem Gasthofe gegenüber auf der Flöte spielte. Wie aber der Diener hinkam und den Fremden darum ansprach, so that der ganz säumig und sprach; »Wenn dein Herr, der König, mich zu sprechen wünscht, so kann er selber kommen; der Weg vom Könige zu mir ist nicht weiter als der Weg, welcher von mir zum Könige geht«. Mit der Antwort ging der Diener vor den König und sagte ihm auch, was das für ein schmutziger Gesell wäre, der so verwegen gesprochen hatte. Da redete der König seiner Tochter zu, daß sie sich den Landstreicher sollte aus dem Sinne schlagen; aber die Prinzessin wollte sich nicht eher zufrieden geben, bis ihr Vater selbst hinging und den Mann herüber in das Schloß holte. Da erkannten sich die beiden und fielen sich in die Arme, und dann erzählten sie dem Könige von der Treulosigkeit des Schiffskapitäns und wie das alles so gekommen war. Da gab der König den Befehl aus, daß der Kapitän zur Strafe von vier Ochsen sollte in Stücken gerissen werden; den Königssohn aber vermählte er mit seiner Tochter und machte ihn zum Könige, und das ist er auch geblieben, bis er starb.