Des Fremden Königreich
Der König feiert am Meer das Spiel,
Es nahen Ritter und Fürsten viel,
Die Fluth sie rufet und rauschet,
Die Sonne lächelt und lauschet.
Einst fühlt’ ich mein junges Königsblut
Von Kraft und von Liebe schäumen,
Heut möcht’ ich von Jugend träumen!
O säh’ ich Einen kämpfen, wie mich!
Auf setzt’ ich ihm wohl die Krone,
Wie einem leiblichen Sohne!
Schaut her, wie strahlt mein Purpurgewand,
Wie leuchtet das Kind an meiner Hand! –
Dazu die Tochter zum Weibe.“
Da huben sich alle vom Fürstengeschlecht,
Sie warfen den Speer, sie kämpften gerecht,
Doch so ist’s Keinem gelungen,
Der Greis erschaut sich nicht Jugendmuth,
Da kommt auf den wallenden Wogen
Ein Schifflein herangeflogen.
Als hätt’ er die Wellen in seinem Bann,
Den Kahn hat an’s Land er geschwungen,
Ist rüstig herausgesprungen.
Ein Jüngling ist’s im leichten Rock,
Er trägt kein ritterlich Waffen,
Ist doch zum Kampfe geschaffen.
Die Ritter standen im Harnisch blank,
Da war doch keiner so stark und schlank,
So blitzend an keinem zu schauen.
Und kecklich tritt er in den Kreis,
Das Haupt er neigt vor dem König leis,
Doch vor der Maid, der süßen,
Dem König er gefiel so sehr,
Er ließ ihm reichen Schild und Speer:
„Du bist ein herrlicher Knabe,
In kühnem Kampfe dich labe.“
Da rang er mit Fürstensöhnen jung,
Mit seinen Armen, wie Schlangen,
Hielt er die Gegner umfangen.
Wohl hat er getroffen das ferne Ziel,
Vor seiner Stärk’ und Schöne
Verbleichten die Heldensöhne.
Und rosig roth die Jungfrau ward,
Und dem König däucht’ er von rechter Art,
Den Mantel ab, ihn zu schmücken.
Er hieß ihn treten zum hohen Thron:
„So sprich, von wannen du bist, o Sohn!
Dein Arm und dein Blick und die Thaten,
Der Knabe schaut an sein Purpurkleid,
Anschaut’ er die rosige, lächelnde Maid,
Nichts hat er auf weiter Erden –
Denkt doch ein König zu werden.
Weit drüben im tiefen, dunkeln Meer,
Dort steigt es aus dem Schaume.“
Der Jüngling sprach, wie im Traume.
Es steht dem lockigen Sohne,
Als fehlt’ ihm schon lang’ die Krone.
Da rief der König: „Dein Blut ist ächt,
Fürwahr du bist von Fürstengeschlecht,
Nimm hin die Tochter zum Weibe!“
Ja, setze sie nur in deinen Kahn,
Du ruderst mächtig, so rudre voran,
Beginnt der Morgen zu grauen,
Sie springen in’s Schiff wohl Hand in Hand,
Der Kahn, er flieget hinaus vom Strand,
Es rudert durch Tag’ und Nächte
Des Knaben gewalt’ge Rechte.
Sie forscht und forscht nach des Buhlen Reich:
Sein Blick der sinket zu Grunde,
Als sucht’ er es tief im Sunde.
Was hebet sich dort im Abendlicht?
Was schaut herab in die Welle?
Eine Burg mit öder Schwelle.
Vorüber schnell am verfallenen Bau,
Nur Räuber und Geister hausen!“
Da spricht er: „Lieb, was wirst du bleich?
O Lieb, das ist mein Königreich!
Hier mußt du Königin werden,
„Mein Vater war wohl stolz und reich,
Jetzt liegt er unter dem Hügel bleich,
Erschlagen, nicht sanft gestorben,
Sein’ Hab’ und Gut verdorben.“
Durch brandende Wogen die wilde Bahn,
Durch der Felsen ragende Zinken,
Wo moosige Thürme winken.
„O Knabe, wo ist das Brautgemach?“ –
„Wo harren die Edelknaben?“ –
„„Dort fliegen und krächzen die Raben!““
Da schaut er sie an, der Knabe spricht:
„O Maid, es kann dir gefallen nicht,
Du siehst es an mit Entsetzen!“
Eh’ laß uns zusammen begraben seyn,
Eh’ laß zu den Felsenriffen
Er hält sie im Arme bleich und stumm,
Er dreht das Schiff in den Wellen um
Tief zwischen den steinernen Rippen;
Dann schleudert er’s an die Klippen. –
Mit froher Flagge, mit Freudengesang
Heranzieht ohne Sorgen
Des Königs Schiff am Morgen.
Der Greis sucht seiner Tochter Reich,
Er schifft im Hauch des Windes
Wohl über das Grab des Kindes.