Des Deutschen Lebenslauf
In Deutschland hat in stiller Nacht
Ihn die Mama zur Welt gebracht,
Denn das erlaubt – wir sind ja frei –
Die hohe deutsche Polizei.
Mit Ach und Krach gekommen war,
Beschenkte man den kleinen Schelm
Bereits mit Flinte, Schwert und Helm;
Und er erfuhr – zu rechter Zeit –
Durch Vaterworte voll Gewicht,
Was eines Deutschen erste Pflicht.
Es ward geschickt zur Schule dann
Der ahnungslose kleine Mann,
In Deutschlands Macht und Herrlichkeit
Und wo das Nöt’ge er erfuhr
Von unsrer sittlichen Natur
Und von der Fülle von Gemüt
Indes die ganze andre Welt
In Schmutz und Dummheit sich erhält.
Was in der Lehre er gelernt,
Hat zwar fürs Leben nicht entfernt
Doch nahm er solches Manko leicht,
Denn bald darauf ward er Soldat,
Den oft man auf die Beine trat
Und den mit Umsicht und Bedacht
Nach ein’ger Zeit, wie man’s so treibt,
Hat er sich regelrecht beweibt
Sechs Kinder in die Welt gesetzt,
Sich abgerackert Nacht und Tag.
Es hungert sich zur Not ganz leicht,
Wenn es nur für die Steuern reicht;
Genügt’s doch, daß man mit Gewalt
Nun denkt er mit gerechtem Stolz
Des Schlafrocks wohl aus Fichtenholz,
Weil ehrlich sein Gewerb er trieb
Und Steuern niemals schuldig blieb;
Der nie gemurrt und nie gemault.
Anmerkungen (Wikisource)
Ebenfalls abgedruckt in:
- Der Wahre Jacob. Nr. 449 (1903), S. 4160.