Der wunderliche Spielmann (1819)

Textdaten
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Autor: Brüder Grimm
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Titel: Der wunderliche Spielmann
Untertitel:
aus: Kinder- und Haus-Märchen Band 1, Große Ausgabe.
S. 44-48
Herausgeber:
Auflage: 2. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1819
Verlag: G. Reimer
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Erscheinungsort: Berlin
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
seit 1819: KHM 8
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Bearbeitungsstand
fertig
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Begriffsklärung Andere Ausgaben unter diesem Titel siehe unter: Der wunderliche Spielmann.


[44]
8.

Der wunderliche Spielmann.

Es war einmal ein wunderlicher Spielmann, der ging durch einen Wald mutterselig-allein. Da sprach er zu sich selber: „mir wird hier Zeit und Weile lang, ich muß einen guten Gesellen herbei holen!“ nahm seine Geige vom Rücken und fidelte eins, [45] daß es durch die Bäume schallte. Nicht lange, so kam ein Wolf daher gegangen. „Ach ein Wolf kommt!“ sagte der Spielmann; aber der Wolf schritt näher und sprach zu ihm: „ei! du lieber Spielmann, was fidelst du so schön! das mögt ich auch lernen.“ „Das ist bald gelernt, sagte der Spielmann, wenn du alles thun willst, was ich dich heiße.“ „Ja, antwortete der Wolf, ich will dir gehorchen, wie der Schüler seinem Meister.“ Nun gingen sie ein Stück Weg zusammen und kamen an einen alten Eichbaum, der innen ganz hohl und in der Mitte durchgerissen war. „Siehst du, sprach der Spielmann, willst du fideln lernen, so leg die Vorderpfoten in diese Spalte.“ Der Wolf thats; aber der Spielmann hob schnell einen Stein auf und schlug ihm die beiden Pfoten mit einem Schlag fest, daß er wie ein Gefangener liegen bleiben mußte. „Nun warte da so lange, bis ich wieder komme“ sagte der Spielmann und ging weiter.

Ueber eine Weil sprach er zu sich selber: „mir wird die Zeit lang, ich muß einen andern Gesellen holen;“ nahm seine Geige und fidelte wieder in den Wald hinein. Alsbald kam ein Fuchs daher gewandelt. „Ach ein Fuchs kommt!“ rief der Spielmann. Der Fuchs sprach aber zu ihm: „ei! du lieber Spielmann, was fidelst du schön! das mögt ich auch lernen.“ „Das ist bald gelernt, sprach der Spielmann, wenn du alles thun willst, was ich dich heiße.“ „Ja, antwortete der Fuchs, ich will dir gehorchen, wie der Schüler seinem Meister.“ Nun gingen sie ein Stück Weg zusammen, bis sie zu einem engen Fußweg kamen, auf dessen beiden Seiten hohe Sträucher standen. Da hielt der Spielmann [46] still, bog von der einen Seite einen Haselnußstamm zur Erde herab und hielt das Ende mit seinem Fuß fest, dann bog er auch einen von der andern Seite herab, und sprach: „nun Füchslein, komm, wenn du was lernen willst und reich mir deine linke Vorderpfote.“ Der Fuchs thats und der Spielmann band sie ihm an den linken Stamm. „Füchslein, nun reich mir die rechte.“ Es geschah; und der Spielmann band sie ihm an den rechten Stamm. Dann ließ er los und die Bäumchen fuhren in die Höhe und schnellten das Füchslein hinauf, daß es in der Luft schwebte und zappelte. „Nun warte da bis ich wieder komme, sagte der Spielmann und ging weiter.

Bald aber sprach er wiederum zu sich: „die Zeit wird mir lang, ich muß mir einen Gesellen holen;“ nahm die Geige und fidelte daß es eine Art hatte. Da kam ein Häslein daher gelaufen. „Ach ein Haas kommt!“ rief der Spielmann. Aber das Thier sprach zu ihm: „ei! du lieber Spielmann, was fidelst du so schön, das mögt ich auch lernen.“ „Das ist bald gelernt, sprach der Spielmann, wenn du alles thun willst, was ich dich heiße.“ „Ja, antwortete das Häslein, ich will dir gehorchen, wie der Schüler seinem Meister.“ Nun gingen sie ein Stück Wegs zusammen, bis sie zu einer lichten Stelle im Wald kamen, darauf ein Espenbäumchen stand. Der Spielmann band dem Häslein einen langen Bindfaden um den weichen Hals, das andere Ende knüpfte er an den Stamm des Bäumchens und sprach darauf: „Häslein, munter! spring mir zwanzigmal um den Baum herum.“ Das Häslein thats und wies zwanzigmal herumgelaufen [47] war, so hatte sich der Bindfaden zwanzigmal um den Stamm gewickelt und das Häschen war ganz fest und gefangen, und mogte ziehen und zerren wie es wollte, es schnitt sich nur den Faden in den Hals. „Nun warte da bis ich wiederkomme, sprach der Spielmann und ging fort.

Der Wolf aber hatte in der Weil gerückt, gezogen, an dem Stein gebissen und so lange gearbeitet, bis er die Pfoten wieder aus der Spalte brachte und frei wurde. Zornig rief er: „ich muß dem Spielmann nach, und muß ihn zerreißen!“ Als ihn der Fuchs daher laufen sah, rief er: „ach, Bruder Wolf, mach mich frei der Spielmann hat mich betrogen.“ Da kam der Wolf und zog die Stämme herab und biß die Schnüre entzwei und beide liefen darauf dem Spielmann nach. Als sie das Häslein kommen sah, rief es um Hülfe; wie sie seine Stimme hörten gingen sie hin, und machten es los; dann suchten sie alle drei ihren Feind.

Der Spielmann aber hatte auf seinem Weg mit der Fidel sich wieder einen Gesellen herbeigespielt, denn ein armer Holzhauer zu dem der Klang gedrungen war, konnte sich nicht helfen, mußte seine Arbeit verlassen, und war mit dem Beil unter dem Arm gekommen ihm zuzuhören. Der Spielmann war freundlich gegen ihn, weil er nun einen Menschen gefunden hatte, und dachte nicht ihm ein Leids anzuthun, ja er blieb stehen und spielte ihm das schönste und lieblichste vor, daß jenem das Herz aufging vor Freude. Wie der Holzhauer so stand und horchte sah er die drei [48] Thiere, den Wolf den Fuchs und das Häslein herankommen und merkte wohl, daß sie Böses vorhatten. Da erhob er seine blinkende Axt und stellte sich vor den Spielmann, als wollt er sagen: „dem darf niemand etwas thun, so lang ich die Axt schwingen kann!“ und als die Thiere das sahen, ward ihnen so Angst, daß sie in den Wald zurück liefen. Der Spielmann aber spielte dem armen Manne noch eins zum Gegendank, und zog dann weiter.