Textdaten
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Autor: Johann Peter Hebel
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Titel: Der silberne Löffel
Untertitel:
aus: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes
S. 211-213
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum: 1803-1811
Erscheinungsdatum: 1811
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: Tübingen
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Originalherkunft:
Quelle: ULB Düsseldorf und Djvu auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[211]
Der silberne Löffel.

In Wien dachte ein Officier: Ich will doch auch einmal im rothen Ochsen zu Mittag essen, und geht in den rothen Ochsen. Da waren bekannte und unbekannte Menschen, Vornehme und Mittelmäßige, ehrliche Leute und Spitzbuben, wie überall. Man aß und trank, der eine viel, der andere wenig. Man sprach und disputirte von dem und jenem, zum Exempel von dem Steinregen bey Stannern in Mähren, von dem Machin in Frankreich, der mit dem großen Wolf gekämpft hat. Das sind dem geneigten Leser bekannte Sachen, denn er erfährt durch den Hausfreund alles ein Jahr früher, als andere Leute. – Als nun das Essen fast vorbey war, einer und der andere trank noch eine halbe Maaß Ungarwein zum Zuspitzen, ein anderer drehte Kügelein aus weichem Brod, als wenn er ein Apotheker wär, und wollte Pillen machen, ein dritter spielte mit dem Messer oder mit der Gabel, oder mit dem silbernen Löffel. Da sah der Officier von ungefähr zu, wie einer, in einem grünen Rocke, mit dem silbernen Löffel spielte, und wie ihm der Löffel auf einmal in den Rockermel hineinschlüpfte und nicht wieder heraus kam.

Ein anderer hätte gedacht: was gehts mich an? und wäre still dazu gewesen, oder hätte großen Lermen angefangen. Der Officier dachte: Ich weiß nicht, wer der grüne Löffelschütz ist, und was es für einen Verdruß geben kann, und war mausstill, bis der Wirth kam und das Geld einzog. Als der Wirth kam und das Geld einzog, nahm der Officier auch einen silbernen Löffel und steckte ihn zwischen zwey Knopflöcher im Rocke, zu einem hinein, zu andern [212] hinaus, wie es manchmal die Soldaten im Kriege machen, wenn sie den Löffel mitbringen, aber keine Suppe. – Während dem der Officier seine Zeche bezahlte, und der Wirth schaute ihm auf den Rock, dachte er: „Das ist ein kurioser Verdienstorden, den der Herr da anhängen hat. Der muß sich im Kampf mit einer Krebssuppe hervor gethan haben, daß er zum Ehrenzeichen einen silbernen Löffel bekommen hat, oder ists gar einer von meinen eigenen?“ Als aber der Officier dem Wirth die Zeche bezahlt hatte, sagte er mit ernsthafter Miene: „Und der Löffel geht ja drein. Nicht wahr? Die Zeche ist theuer genug dazu.“ Der Wirth sagte: „So etwas ist mir noch nicht vorgekommen. Wenn ihr keinen Löffel daheim habt, so will ich euch einen Patent-Löffel schenken, aber meinen silbernen laßt mir da. Da stand der Officier auf, klopfte dem Wirth auf die Achsel und lächelte. „Wir haben nur Spaß gemacht, sagte er, ich und der Herr dort in dem grünen Rocke. Gebt ihr euern Löffel wieder aus dem Ermel heraus, grüner Herr, so will ich meinen auch wieder hergeben. Als der Löffelschütz merkte, daß er verrathen sey, und daß ein ehrliches Auge auf seine unehrliche Hand gesehen hatte, dachte er: Lieber Spaß als Ernst, und gab seinen Löffel ebenfalls her. Also kam der Wirth wieder zu seinem Eigenthum und der Löffeldieb lachte auch – aber nicht lange. Denn als die andern Gäste das sahen, jagten sie den verrathenen Dieb mit Schimpf und Schande zum Tempel hinaus, und der Wirth schickte ihm den Hausknecht mit einer Handvoll ungebrannter Asche nach. Den wackern Officier aber bewirthete er noch mit einer Bouteille [213] voll Ungarwein auf das Wohlseyn aller ehrlichen Leute.

Merke: Man muß keine silbernen Löffel stehlen.

Merke: Das Recht findet seinen Knecht.