Textdaten
Autor: Gustav Mühl
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Titel: Der schwarze Hirsch
Untertitel: Volksblatt. Eine Wochenzeitschrift mit Bildern. Jahrgang 1878 Nr. 2, S. 15
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Herausgeber: Dr. Christlieb Gotthold Hottinger
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Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Verlag von Dr. Hottinger's Volksblatt
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Erscheinungsort: Straßburg
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Quelle: Scan auf Commons
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Der schwarze Hirsch.


Im Thale dahinten, welch donnernder Schall,
Das ist das Bocksloch, der Wasserfall,
Wie stürzen die platzenden Fluten herab
Und entspringen unten dem felsigen Grab!

5
Hier jagten die Herren von Wildenstein,

Vom Hifthorn tönte bis Abend der Hain,
Es flüchtete schnell das geweckte Wild
Weit in die Ferne, von Schrecken erfüllt.

Manch Hirschlein, vom Jagdzug eingeengt,

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Ward bis zum Wasserfall hingedrängt;

„Halloh!“ – es sprang von der Felsenwand,
Zerschlagen in blutigen Wellen es schwand.

Einst jagte Graf Ruprecht von Wildenstein
Auf raschem Renner im Forst allein;

15
Nichts hatt’ er geschossen und ritt schon lang,

Da rauschten im Walde die Bäume so bang:

Ein schwarzer Hirsch aus felsigem Haus
Tritt hinter den finstern Tannen heraus;
Er stellt das Geweih hoch über das Haupt,

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Daß es die zitternden Bäume entlaubt.


Das Gehörn ist so zackig, gewunden, krumm,
Die feurigen Augen rollen herum,
Sie bannen das Roß in fiebrischen Krampf,
Aus der Nase qualmt ein glühender Dampf.

25
Der Ritter stößt in’s gellende Horn

Und stachelt das Roß mit blutigem Sporn,
„Wohlauf, ein seltsam Wild, fürwahr,
Ein riesiger Hirsch mit schwarzem Haar!“

Drauf fliegt der Reiter schnell hervor,

30
Drauf springt der Hirsch durch Hecken und Moor,

Schießt durch den Wald wie Sturmgebraus,
Bricht aus den Felsen die Tannen heraus.

Der Ritter folgt auf kecker Bahn,
Es faßt ihn ein feuriger, toller Wahn,

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Schon donnert vor ihm der Wasserfall,

„Der Hirsch muß hinunter in den Schwall!“

Der Hirsch, er schwebt vom Felsenrand
Hinüber an das andre Land,
Das Pferd, es springt vom Felsenrand,

40
Und Roß und Reiter in Fluten schwand.


Da schaut der schwarze Hirsch hinab
Wild blökend in das wogende Grab,
Ruht dann behaglich auf grünem Rain:
„Jetzt ist des Frevlers Seele mein!“

  Dr. Gustav Mühl.