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Titel: Der schottische Windhund
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aus: Die Gartenlaube, Heft 41, S. 695
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1875
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[685]

Schottische Wildhunde.
Nach der Natur gezeichnet von Ludwig Beckmann in Düsseldorf.

[695] Der schottische Windhund. (Mit Abbildung Seite 685.) Der schottische Windhund oder Deerhound[1] ist eine der ältesten Hunderacen der britischen Inseln, und seine directe Abstammung von dem großen, nunmehr fast ausgestorbenen Irischen Wolfshunde ist nicht zu bezweifeln. Er war der Jagdhund der alten Kelten, während die Sachsen und Normannen den schwerfälligen Talbot oder Bluthund und den glatthaarigen Windhund einführten. Mit der Ausrottung der Wölfe auf den britischen Inseln ward der Wolfshund in Irland überflüssig und verschwand allmählich; im schottischen Hochlande fand er mit der zunehmenden Entwaldung des Landes als Deerhound Verwendung, indem er zum Hetzen des zahlreichen Rothwildes auf den weiten kahlen Bergen und Haidestrecken benutzt wurde.

Der heutige Deerhound ist immer noch eine stattliche Erscheinung von achtundzwanzig bis zweiunddreißig Zoll englisch Schulterhöhe. Von unserem gewöhnlichen Windhunde, und selbst von dessen rauhhaariger Varietät, unterscheidet sich der Deerhound in mancher Beziehung. Die größere Breite des Oberkopfes zwischen den Ohren, das große, schwarze Auge, der starke, mit einem vorspringenden Knebelbart gezierte Unterkiefer geben seiner Physiognomie einen ganz eigenthümlichen Ausdruck. Der lange, hagere Hals erweitert sich nach unten allmählich und geht unmerklich in den colossal entwickelten, tief hinabreichenden Brustkorb über. Der Rücken ist in der Nierengegend breit und leicht gekrümmt, die Hinterschenkel oft in ganz auffallender Stärke entwickelt. Mit Ausnahme der kurz und seidenweich behaarten Ohren ist das Haar am ganzen Körper zottig, rauh und von harter, drahtartiger Beschaffenheit, an der Unterseite der langen dürren Ruthe eine zerrissene Feder bildend. Der Fuß ist kurz, rund, mit derber Sohle. Die Färbung entweder röthlichgrau, sandgrau oder eisengrau, häufig mit weißlichem Bruststreif. Exemplare mit schwarzen Ohren, Nase und Augen, bei abweichender Färbung des übrigen Körpers, sind sehr geschätzt. Der Preis eines guten Exemplares variirt zwischen vierzig bis hundert Pfd. Sterl.

In früherer Zeit ward die Hetze mit dem Deerhound folgendermaßen ausgeübt. Der Jäger schlich sich – gefolgt von zwei aufgekoppelten Hunden – möglichst nahe unter Wind an das Wild und löste dann die Hunde, welche den Hirsch bald überholten und am Halse oder hinter den Schultern zu fassen suchten. Diese ersten Angriffe pflegte der Hirsch leicht abzuschütteln, bei zunehmender Ermüdung aber suchte er das nächste Wasser zu erreichen, wo er die Hunde mit dem Geweih leicht zurückweisen konnte. Die Hunde begnügten sich indeß meist damit, den Hirsch unter fortwährendem Lautgeben zu umkreisen, bis der Jäger herankam und den Hirsch entweder todtschoß oder in einer solchen Richtung aus seinem Asyl trieb, daß er die Hunde beim Fortstürmen nicht überrannte oder mit dem Geweih forkeln konnte. Die Hunde faßten den fliehenden Hirsch dann meist von der Seite und zogen ihn nieder, worauf ihn der Jäger mit dem Hirschfänger abfing.

Diese eigentlichen Hetzjagden finden nur noch selten Anwendung. Die meisten Hirschjäger ziehen es vor, das Rothwild mit der Büchse zu pürschen (to stalk, und der Deerhound wird erst nach dem Schusse, und nur dann auf das Wild gehetzt, wenn dasselbe noch flüchtig fortgeht. Der Deerhound folgt dem Wilde allerdings zumeist nach dem Gesicht, indeß braucht er die Nase doch bei Weitem mehr als der gewöhnliche Windhund. Man hat ihn daher in neuerer Zeit mit dem Fuchshunde gekreuzt, in der Absicht, seine Nase noch mehr zu verbessern und ihn auch auf „kalter Fährte“ gebrauchen zu können. Eine weitere Kreuzung mit dem schottischen Schäferhunde (Collie) ist ebenfalls häufig versucht. Der Zweck dieser Kreuzung ist für uns schwer verständlich, wenn man nicht etwa hofft, die den meisten Deerhoundzuchten erblich anhängende Neigung zum Anfallen der Schafe dadurch auszumerzen.

In Folge dieser Kreuzungsversuche war die reine Deerhoundsrace schon vor längeren Jahren fast verschwunden und nur noch im Besitze der Königin und einiger alter Adelsfamilien in Schottland. Inzwischen aber haben die großen Grundbesitzer Schottlands herausgefunden, daß sie ihre weitläufigen Territorien gar nicht besser verwerthen können, als wenn sie die – früher als Schafweide verpachteten – Districte wieder mit Rothwild bevölkern und als „Shooting-ground“ an reiche Engländer auf fünf bis sechs Jahre gegen ganz enorme Geldsummen überlassen. In Folge dieses plötzlichen Umschwunges der Verhältnisse mehren sich die Rothwildgehege im Hochlande in ganz überraschender Weise, und demzufolge ist auch die Liebhaberei für die Deerhoundsrace wieder im Steigen begriffen.


  1. Deerhound (wörtlich: Wildhund), nicht zu verwechseln mit dem im Süden Englands gebräuchlichen Staghound oder Hirschhund. Letzterer ist kein Wind- oder Hetzhund, sondern ein Jagdhund oder Bracke, welcher in ganzen Meuten unter beständigem Lautgeben der Fährte des Wildes mit Hülfe der Nase folgt, während der schottische Deerhound, wie jeder andere Wind- oder Hetzhund, vorzugsweise nach dem Gesichte jagt und bei seiner überlegenen Schnelle das Wild bald überholt und niederzieht.