Der neue Direktor der Münchener Akademie

Textdaten
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Autor: Adalbert Svoboda
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Titel: Der neue Direktor der Münchener Akademie
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 798
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
w:Akademie der Bildenden Künste München
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Der neue Direktor der Münchener Akademie.

Fritz August von Kaulbach, Sohn des Portraitmalers Friedrich Kaulbach in Hannover und Großneffe des berühmten Wilhelm von Kaulbach, wurde vor Kurzem durch die Gunst des Prinzregenten Luitpold von Bayern zum Direktor der Münchener Akademie der bildenden Künste ernannt. Derselbe wird gewiß wie sein ausgezeichneter Vorgänger Piloty mit jenem Wohlwollen, das einem jeden feingebildeten Künstler und einem jeden guten Lehrer eigen ist, bei den Schülern der Akademie nicht bloß auf die freie, selbständige Entwickelung ihrer Eigenart, sondern auch auf jene Zucht und genaue Ausbildung des Form- und Farbensinnes sehen, welche ihn selbst auszeichnet.

Man merkt es den mit kühler Ruhe vorgebrachten Urtheilen dieses Künstlers über Werke neuer und alter Meister an, wie klar er über die Ziele seiner Kunst denkt, wie fein erzogen sein Geschmack ist, wie richtig er die ästhetischen Verpflichtungen des Malers auffaßt. Das sind Eigenschaften, welche er in seinem neuen Amte vortrefflich verwerthen kann.

Achtzehn Jahre alt trat Fritz August Kaulbach 1868 in die von Kreling geleitete Nürnberger Kunstschule und malte unter Prof. C. Raupp, dessen liebliche Chiemsee-Jdyllen so vortheilhaft bekannt sind, meist Bildnisse. Nach München gekommen, trat er nicht in die Akademie ein, deren Lenker er jetzt geworden, sondern entwickelte seine Maltechnik nach den besten Mustern alter und neuer Zeit und erwarb sich, gefördert auch durch wiederholte Studien in Paris, bald den Ruf eines gewandten Malers von Frauenportraits sowie von Figurenbildern. Es beweist Einsicht, wenn ein Künstler, dessen Phantasie nicht beweglich und erfinderisch genug ist, sich auf die Behandlung des dankbarsten Malvorwurfs verlegt, welchen es giebt: der schönen Frau. Ist doch die weibliche Schönheit des Sieges im Leben, im Lieben und in der Kunst immer sicher. Fritz August Kaulbach hat sich auf dieses dankbare Darstellungsgebiet beschränkt und schuf eine Reihe von weiblichen Kostümfiguren und von Frauenbildnissen, welche durch Korrektheit und edle Harmonie der Linien sowie dnrch ihren gefälligen und eleganten Farbenvortrag den Kunstfreund gefangen nehmen. Die Frauengestalten Fritz August Kaulbach’s würden noch günstiger wirken, wenn in ihren holden Köpfen auch immer der Ausdruck einer edlen, weichen, liebenswürdigen Innerlichkeit läge. Meist blicken jedoch die schönen Edel- und Burgfräulein Fritz August Kaulbach’s etwas kalt, ablehnend, brunhildenhaft vor sich hin und scheinen sich damit zu begnügen, Trägerinnen prächtiger Kleider zu sein. Es ist übrigens ein Vorzug mancher Frauenbilder Fritz August Kaulbach’s, daß er sie in ernstes Sinnen oder in Andacht versunken darstellt, daß sie sich nicht in eine kokette Beziehnng zum Beschauer setzen und sich nicht lächelnd um die Gunst desselben bewerben. Wenn dieser Künstler seine anmuthigen Mädchen in einen Wald stellt und sie Blumen pflücken läßt, bringt er einen genreartigen Zug in seine Gemälde; er nennt dann Bilder, welche solche Blumenfreundinnen vorführen, entweder: „Der Mai ist gekommen!“ oder die „Waldeinsamkeit“; in beiden ist der Durchführung desselben schlichten Motivs ein feiner poetischer Duft nicht abzusprechen.

Stellt ein Maler weiches menschliches Empfinden im Bilde dar, so kann er des Mit- und Nachempfindens des Dargestellten, also einer günstigen Wirkung beim Beschauer sicher sein. Das Glück einer jungen Mutter, welche ihr Kind bei Sonnenschein und Blüthenduft zärtlich an sich schmiegt, hat Fritz August Kaulbach zweimal in wenig veränderter Weise verbildlicht. Die Gemälde „Herzblättchen“ und „Im Sonnenschein“ gehören auch zu den gelungensten Werken des Künstlers. Ein allerliebstes Familienidyll ist außerdem Fritz August Kaulbach’s Gemälde „Beim Förster“, welches die Annäherung von zahmen Rehen an die hübschen Kinder einer glücklichen Mutter in einnehmender Weise vor Augen stellt.

Alle Bilder jedoch, in welchen das Glück des Familienlebens von unserem Künstler dargestellt wurde, übertrifft das prächtige Gemälde „Ein Sommertag“, wo Jugendlust, Blumenreiz, Sonnenschein und Elternglück mit der anmuthigsten Beredsamkeit des Pinsels versinnlicht werden.

In einer Reihe von Gemälden stellte Fritz August Kaulbach Liebespaare in dem Augenblicke dar, in welchem sie sich das süße Geheimniß ihres Herzens offenbaren. Besonders reizend charakterisirt dieser Maler in dem Bilde: „Im Boudoir“ die Verlegenheit eines Jünglings, welcher gern der Herzgeliebten seine Neigung erklären möchte, wenn ihn nicht soeben Muth und Beredsamkeit ganz und gar verlassen hätten. Die reizende Urheberin dieser Verlegenheit blickt ihn jedoch mit ihren dunklen Gluthaugen so fest und ermuthigend an, daß man das Beste von der nächsten Viertelstunde hoffen darf. Die Ruhe des schönen Fräuleins und die Blödigkeit des Jünglings bilden einen köstlichen Kontrast. Auf einem anderen Bilde Fritz August Kaulbach’s ist sie verlegen und er muthig im Bekennen seiner Gefühle.

Fein und beredt im Jndividualisiren ist das 1873 gemalte Bild: „Kavalier und Zofe“. Hier versteht der „Kavalier“ dreist und zielbewußt seine Herzenssache zu vertreten, während die Zofe, ein liebliches Mädchen, die Betheuerungen desselben mit anmuthiger Befangenheit vernimmt. Die Farbenkontraste wirken auf diesem Bilde eben so reizvoll wie die Gegensätze im Ausdruck der beiden Liebenden. Ein viertes Liebespaar wird von Fritz Angust Kaulbach in tiefster Waldeinsamkeit vorgeführt.

Ein eigenartiger Zug der Begabung Fritz August Kaulbach’s ist dessen Ausgestaltung satirischer und heiterer Einfälle. Die populäre „Schützenliesel“ ist ein Beweis dafür, eben so die kürzlich erst geschaffene allegorische Darstellung des unverdienten Glücks beim Kegelspiel: ein lächelndes Mädchen lenkt da ein Borstenthier, welches ungestüm alle neun Kegel vom Plane niederfegt. Gleichsam eine Sühne für solche allzu weltliche Vorwürfe bietet das Bild der heiligen Cäcilia, welches in der Berliner Jubiläumsausstellung die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat.

Der Stoffkreis, welchen Fritz August Kaulbach beherrscht, ist, wie man sieht, zwar ein enggezogener; allein fast in Allem, was dieser Maler schafft, gewinnt die stilvolle Form- und Farbengebung unsere Theilnahme. Dieser Umstand bürgt auch dafür, daß der neue Leiter der Münchener Akademie den Auswüchsen der sich in Frankreich immer ungeberdiger gestaltenden sogenannten Pleinair-Malerei, welche dem Formrohen, Gemeinen, Häßlichen und Saloppen die Kunstfähigkeit zuspricht, überall dort kräftig entgegentreten werde, wo jungen deutschen Künstlern die Ansteckungsgefahr droht.

Man sieht dem Einflusse, welchen Fritz August von Kaulbach auf die Zustände der Münchener Akademie der bildenden Künste ausüben wird, mit begreiflicher Spannung entgegen. Möge die Lehr- und Direktionsthätigkeit dieses Malers derselbe Erfolg begleiten, welcher bisher seinem künstlerischen Schaffen treu geblieben ist! Dr. Adalbert Svoboda.