Der kranke Staat
Längst hatte der Staat die Lungensucht; längst hatte er in seinen Gliedern Schwere gefühlet, und keine Arznei wollte helfen.
Das Concilium der Aerzte war, wie gewöhnlich, unter sich uneins; alle aber kamen darinn überein, daß der Kranke schwer zu curiren sei: denn sein Auge scheue und eckle sich an der Medicin, sein Mund schließe sich ihr, Hände und Füße erstarrten und der Magen gebe sie von sich. Ein einziger möge ihn etwa noch curiren, durch Kunst oder durch Zufall, und zwar ein altes Weib, die Armuth.
Die Armuth ward herbei geruffen; weit that sie ihren Mund auf, und sprach. Die unverschämte Schwätzerinn sprach also:
„Närrischer Kranker, warum bist du krank? Nur dadurch, daß du der Natur undankbar, ein Feind deiner eignen Glieder, der jetzigen Zeit zur Schande, der künftigen zum Spott bist. Auf! nimm die Arznei, die dir die bittre Wahrheit, die genaue Oekonomie, die arbeitsame Gerechtigkeit reicht, und du wirst genesen:
Der beschämte Kranke nahm sie und genas. Zur Verwundrung aller Schlucker, Seiltänzer, Schmeichler und Buben genas er wirklich.
Einem treuen, aber ermatteten Pferde ziemen nicht Blutritzende Sporne; ein guter Zuruf seines mitleidigen Reiters muntert es mehr auf, als alle Stöße in seine Seiten.