Textdaten
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Titel: Der kamtschatkische Hund
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aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 318–320
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[320] Der kamtschatkische Hund. Das schätzbarste Hausthier auf Kamtschatka ist unstreitig der Hund, der für den dauerhaftesten und geschwindesten in ganz Sibirien gehalten wird. Er hat Aehnlichkeit mit dem Wolfshund unserer Schäfer, und ist mit langem, dichtem, gewöhnlich rothfahlem oder gelblichweißem Haare bedeckt. Die kurzen, aufrechtstehenden Ohren geben ihm ein munteres Aussehen. Er ernährt sich von lauter Fischen; vom Frühling bis in den späten Herbst bekümmert man sich nicht im Geringsten um ihn, sondern er geht überall frei herum und lauert den ganzen Tag an den Flüssen auf Fische, die er sehr behende zu fangen weiß. Wenn er Fische genug hat, so frißt er, wie der Bär, nur allein die Köpfe. Im October sammelt Jeder seine Hunde, bindet sie an den Pfeilern der Balaganen an, und läßt sie weidlich hungern, damit sie sich von dem Fett entledigen, zum Laufen fertiger und nicht engbrüstig werden mögen; und alsdann geht mit dem ersten Schnee ihre Noth an, so daß man sie Tag und Nacht durch ein gräßliches Geheul ihr Elend beklagen hört. Es ist dieses die Straßenmusik Petropawlowsks. Ihre Winterkost besteht aus stinkenden oder verschimmelten, an der Luft getrockneten Fischen. Mit letzteren füttert man sie auf der Reise des Morgens, um ihnen mehr Kraft zu geben; erstere bekommen sie Abends, wie Steller sagt, zur Ergötzung. Unterwegs gibt man ihnen nichts, und wenn sie auch zehn Stunden laufen sollten.

Man kann sich nicht genug über ihre Stärke verwundern. Gewöhnlich spannt man nur fünf Hunde an einen Schlitten; diese ziehen drei erwachsene Menschen mit sechzig Pfund Gepäck behende fort. Leicht beladen, legt ein solches Hundespann in schlimmen Wegen und tiefem Schnee 30 bis 40 Werste des Tages zurück, in guten Wegen 80 bis 140. Das Pferd wird niemals den Hund als Zugthier verdrängen können, wegen des allzutiefen Schnees, über welchen die Hunde hinlaufen, während ein Pferd bis an den Leib einfällt, so wie auch wegen der vielen steilen Gebirge und der zahlreichen Flüsse und Quellen, die entweder gar nicht zufrieren, oder doch wenigstens nicht so hart, daß sie ein Pferd tragen könnten. Wegen der schrecklichen und öfteren Sturmwinde hat man auch niemals oder selten einen gebahnten Weg zu hoffen. Uebrigens ist das Reisen mit Hunden eben so gefahrvoll als beschwerlich. Statt der Peitschen bedient man sich dabei des Oschtols, eines krummen, mit eisernen Ringen versehenen Stockes. Das durch Schütteln hervorgebrachte Geklingel gibt dem Leithund die nöthigen Zeichen. Wenn das Gespann sich zu sehr der Faulheit hingibt, so wirft man den Oschtol darunter, um es aus seiner Trägheit aufzurütteln. Dann muß aber der Reisende geschickt genug sein, den Oschtol im Vorbeirennen wieder aufzugreifen. Außer dem Ziehen sind die Hunde gute Wegweiser, und wissen sich auch in dem größten Sturm, wo man kein Auge aufmachen kann, zurecht zu finden; sind die Schneegestöber so stark, daß man liegen bleiben muß, wie es sehr oft geschieht, so erwärmen und erhalten sie ihren Herrn, liegen neben ihm Stunden lang ruhig und stille, so daß er unter dem Schnee sich um nichts zu bekümmern hat, als daß er nicht allzutief vergraben und erstickt werde. Auch hat man immer die sicherste Nachricht von dem herannahenden Ungewitter durch die Hunde. Denn wenn diese beim Rasten Gruben in den Schnee graben und sich hinein legen, so kann man mit voller Gewißheit einen Sturm erwarten.

Die Schlittenhunde werden sehr frühzeitig zu ihrem künftigen Dienste abgerichtet. Sobald sie sehen, werden sie sammt der Mutter in eine tiefe Grube gelegt, so daß sie weder Menschen noch Thiere zu sehen bekommen. Wenn sie von der Hündin abgewöhnt sind, legt man sie abermals in eine andere Grube, bis sie erwachsen. Nach einem halben Jahre spannt man sie mit andern gelernten Hunden an den Schlitten, und fährt mit ihnen einen kurzen Weg; weil sie nun hund- und menschenscheu sind, so laufen sie aus allen Kräften. Sobald sie wieder nach Hause kommen, müssen sie wieder in die Grube, so lange und so viel, bis sie von nichts Anderm wissen, des Ziehens gewohnt worden und eine weite Reise verrichtet haben. Erst nachdem sie vollständig ausstudirt, genießen sie ihre hündische Sommerfreiheit. Diese harte Erziehung versauert ihren ganzen Charakter. Sie bleiben zeitlebens menschenscheu, unfriedlich, bekümmern sich nicht im Geringsten um ihres Herrn Güter, sind sehr furchtsam und melancholisch und sehen sich beständig aus Mißtrauen um, sie mögen thun, was sie wollen. Sie haben nicht die geringste Liebe für ihren Herrn, sondern suchen ihn allezeit um den Hals zu bringen. Welch ein Contrast mit dem treuen Pudel oder mit dem freundlichen Schooßhündchen!