Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Der herzlose Gatte
Untertitel:
aus: Chinesische Volksmärchen, S. 289–297
Herausgeber: Richard Wilhelm
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Eugen Diederichs
Drucker: Spamer, Leipzig
Erscheinungsort: Jena
Übersetzer: Richard Wilhelm
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
E-Text nach Digitale Bibliothek Band 157: Märchen der Welt
Eintrag in der GND: [1]
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[289]
93. Der herzlose Gatte

Hangtschou war früher die Hauptstadt des südlichen China. Deshalb hatten sich viele Bettler dort zusammengefunden. Die Bettler pflegten einen Führer zu wählen, der amtlich bestätigt wurde zur Aufsicht über die Ausübung des Bettelns. Er hatte darüber zu wachen, daß die Bettler die Einwohner der Stadt nicht belästigten. Er bekam von allen Bettlern ein Zehntel ihrer Einnahmen. Bei Schnee und Regenwetter, wenn man nicht auf den Bettel konnte, hatte er dafür zu sorgen, daß die Bettler etwas zu essen bekamen, ebenso hatte er die Hochzeiten und Beerdigungen zu leiten. Die Bettler aber gehorchten ihm in allen Stücken.

In Hangtschou nun war solch ein Bettlerfürst mit Namen Gin, in dessen Sippe hatte sich das Amt schon seit sieben Geschlechtern fortgeerbt. Was sie an Bettelpfennigen erhielten, hatten sie auf Zinsen ausgeliehen. So wurde das Haus allmählich wohlhabend und schließlich sogar reich.

Der alte Bettler hatte mit fünfzig Jahren seine Frau verloren. Er hatte nur ein einziges Kind, das war ein Mädchen namens Goldtöchterchen. Sie war überaus schön von Gesicht, und er liebte sie wie einen Schatz. Von Jugend auf war sie in den Büchern bewandert. Sie konnte schreiben, dichten und Aufsätze machen; auch war sie in weiblichen Handarbeiten erfahren, geschickt in Gesang und Tanz, in Flöten- und Zitherspiel. Der alte Bettlerfürst wollte für seine Tochter unter allen Umständen einen Gelehrten als Bräutigam. Aber weil er Bettlerfürst war, so mieden ihn die vornehmen Familien, und mit den geringeren wollte er nichts zu tun haben. So kam es denn, daß das Mädchen achtzehn Jahre alt wurde und noch nicht versprochen war.

[290] Zu jener Zeit lebte in Hangtschou bei der Friedensbrücke ein Gelehrter namens Mosü. Er war zwanzig Jahre alt und allgemein beliebt wegen seiner Schönheit und Begabung. Seine Eltern waren beide tot, und er war so arm, daß er kaum zu leben wußte. Haus und Hof waren längst verpfändet oder verkauft, und er wohnte in einem verlassenen Tempel, und mancher Tag verging, wo er hungrig zu Bett mußte.

Ein Nachbar hatte Mitleid mit ihm.

„Der Bettlerfürst hat ein Kind namens Goldtöchterchen,“ sagte er eines Tages zu Mosü, „sie ist über alle Maßen schön. Auch ist er reich und hat Geld und keinen Sohn, der ihn beerbt. Wenn du in seine Familie einheiraten willst, so ist sein ganzes Vermögen dein. Ist das nicht besser, denn als armer Gelehrter Hungers zu sterben?“

Mosü war eben in äußerster Not. Als er daher diese Worte hörte, ward er hoch erfreut. Inständig bat er den Nachbar, für ihn den Vermittler zu machen.

Der ging hin und redete mit dem alten Bettlerfürsten. Der Bettlerfürst besprach die Sache mit Goldtöchterchen, und da Mosü aus guter Familie war und außerdem begabt und gelehrt und nichts dagegen hatte, in die Familie einzuheiraten, so waren beide über die Aussicht sehr erfreut. Sie sagten zu, und die Verlobung ward geschlossen.

So trat Mosü in die Familie des Bettlers ein. Mosü freute sich der Schönheit seiner Frau, auch hatte er immer genug zu essen und gute Kleider anzuziehen. So fühlte er sich über Erwarten glücklich und lebte mit seiner Frau in Frieden und Freude.

Der Bettlerfürst und seine Tochter, denen die Niedrigkeit ihrer Familie schon lang ein Dorn im Auge war, ermahnten den Mosü, doch ja recht fleißig zu studieren. Sie hofften, er werde sich einen Namen machen und so auch ihrer Familie zum Glanz verhelfen. Alte und neue Bücher kauften sie ihm zu den höchsten Preisen. Sie versorgten ihn auch immer reichlich mit Geld, damit er vornehmen [291] Verkehr pflegen konnte. Auch für die Prüfungskosten kamen sie auf. So mehrte sich denn seine Gelehrsamkeit von Tag zu Tag, und sein Ruf erscholl in der ganzen Gegend. Er bestand in rascher Folge seine Prüfungen und ward mit dreiundzwanzig Jahren zum Standesbeamten des Kreises Wu We ernannt. Von der kaiserlichen Audienz kam er in Feiergewändern hoch zu Roß zurück.

Mosü war aus Hangtschou gebürtig; so wußte bald die ganze Stadt, daß er mit Erfolg die Prüfung bestanden, und auf beiden Seiten der Straße drängte sich das Volk, um ihn zu sehen, wie er nach dem Hause seines Schwiegervaters ritt. Alt und jung, Weib und Kind versammelte sich, um das Schauspiel zu genießen, und ein müßiger Gaffer rief mit lauter Stimme:

„Der Schwiegersohn des alten Bettlers ist Beamter geworden!“

Dem Mosü stieg die Scham ins Gesicht, als er diese Rede hörte. Wortlos und mürrisch setzte er sich in sein Zimmer. Der alte Bettlerfürst aber in seiner Freude bemerkte die Mißstimmung nicht. Er richtete ein großes Festmahl her, zu dem er alle seine Nachbarn und guten Freunde einlud. Die Geladenen waren aber meistens Bettler und Arme. Nun wollte er noch dazu, daß Mosü mit esse. Mit Mühe und Not ließ dieser sich überreden, aus seinem Zimmer hervorzukommen. Wie er nun aber die Gäste an der Tafel sah, zerlumpt und schmutzig wie eine Herde hungriger Teufel, da zog er sich unwillig wieder zurück. Goldtöchterchen, die merkte, wie ihm zu Mute war, suchte auf hunderterlei Weise, ihn wieder zu erheitern, aber vergebens.

Einige Tage darauf machte sich Mosü mit Weib und Gesinde auf den Weg nach seinem neuen Amte. Von Hangtschou nach Wu We gehts zu Wasser. So stiegen sie denn ins Schiff und fuhren nach dem Yangtsekiang hinaus. Am ersten Tag kamen sie nach einer Stadt, wo sie Anker warfen. Die Nacht war klar, und glitzernd lag der Mondschein auf dem Wasser. Mosü saß vorne im Schiff und genoß den [292] Mondschein. Plötzlich mußte er an den alten Bettlerfürsten denken. Seine Frau war wohl gut und klug; aber wenn sie ihm Kinder gebar, so waren und blieben sie eben Enkel des Bettlers, und diese Schmach ließ sich auf keine Weise abwischen. Da entstand in seinem Herzen ein Plan. Er rief Goldtöchterchen aus der Kajüte heraus, um den Mondschein anzusehen. Erfreut trat sie zu ihm. Knechte und Mägde und alle Schiffer waren längst schlafen gegangen. Er sah sich nach allen Seiten um: niemand war zugegen. Goldtöchterchen stand eben vorne im Schiff. Sie dachte an nichts Böses, als er plötzlich sie mit der Hand ins Wasser stieß. Dann stellte er sich erschrocken und begann zu schreien: „Meine Frau hat einen Fehltritt getan und ist ins Wasser gefallen!“

Auf seine Worte hin standen die Diener eilig auf und wollten sie herausfischen.

Er aber sprach: „Sie ist schon von der Strömung fortgerissen, ihr braucht euch keine Mühe zu machen.“ Dann befahl er schleunigst weiterzufahren.

Wer hätte gedacht, daß ein glücklicher Zufall es wollte, daß gerade in jener Zeit Herr Hü, der Verkehrsbeamte der Provinz, ebenfalls sein Amt antrat und ebenfalls an jenem Platze ankerte. Auch er saß mit seiner Frau am offenen Fenster der Kajüte, des Mondscheins und der Kühlung zu genießen.

Plötzlich hörten sie am Ufer weinen, und zwar schien es ein Mädchen zu sein. Eilig sandten sie Leute zu ihrer Hilfe aus. Die brachten sie an Bord. Es war Goldtöchterchen.

Als sie ins Wasser gefallen war, da fühlte sie etwas unter ihren Füßen, das ihr Halt gab, so daß sie nicht untersank. So ward sie von der Strömung fortgetragen dem Ufer zu. Sie kroch hinauf. Da kam es ihr zum Bewußtsein, daß ihr Mann, nachdem er vornehm geworden, seine frühere Armut vergessen hatte, und wenn sie auch nicht ertrunken war, so kam sie sich doch allein und verlassen vor, und unversehens entströmten ihr die Tränen.

[293] Als Herr Hü sie nun fragte, was ihr fehle, da erzählte sie ihm weinend ihre ganze Geschichte. Herr Hü sprach ihr Mut zu.

„Du mußt jetzt nicht mehr weinen,“ sagte er. „Willst du meine Pflegetochter werden, so wollen wir schon für dich sorgen.“

Goldtöchterchen verneigte sich dankend. Frau Hü aber befahl den Mägden, ihr statt der nassen Kleider andere zu geben und ihr eine Lagerstatt zu bereiten. Den Dienern wurde eingeschärft, daß sie sie Fräulein nennen mußten und keinem Menschen etwas von dem Vorfall sagen durften.

So ging die Reise weiter, und nach ein paar Tagen trat Herr Hü sein Amt an. Wu We, wo Mosü Standesbeamter war, gehörte zu seinem Amtsbereich, und dieser kam denn auch, um seinen Vorgesetzten zu besuchen. Als Herr Hü den Mosü sah, da dachte er bei sich: „Wie schade, daß ein so begabter Mensch sich so herzlos benommen hat.“

Als einige Monate vorüber waren, sprach Herr Hü zu seinen Untergebenen: „Ich habe eine Tochter, die ist recht hübsch und gut, und ich möchte einen Schwiegersohn, der in meine Familie einheiratet. Wißt ihr niemand, der sich dafür eignet?“

Die Untergebenen wußten alle, daß Mosü jung war und seine Frau verloren hatte. So empfahlen sie denn einmütig ihn.

Herr Hü antwortete: „Ich habe auch schon an den Herrn gedacht, doch ist er jung und hat es rasch zu etwas gebracht; ich fürchte, er hat sich höhere Ziele gesteckt und ist nicht gewillt, als Schwiegersohn in meine Familie einzuheiraten.“

„Er ist von Hause aus arm“, erwiderten die Leute, „und ist Euer Untergebener. Wenn Ihr ihm diese Freundlichkeit erweisen wollt, so wird er sicher freudig damit einverstanden sein und sich nicht an dem Einheiraten stoßen.“

[294] „Wenn ihr alle meint, daß es sich machen läßt,“ sagte Herr Hü, „so geht bitte einmal hin und forscht nach, wie er darüber denkt! Aber ihr dürft nicht sagen, daß ich euch geschickt habe.“

So kamen sie denn zu Mosü und erzählten ihm: „Der Herr Hü hat eine Tochter und sucht einen Schwiegersohn, der in die Familie einheiratet.“

Mosü, der eben darauf bedacht war, sich bei Herrn Hü gut dran zu machen, ging mit Freuden darauf ein und bat sie inständig, die Vermittlung in der Sache zu übernehmen, indem er ihnen reichen Lohn versprach, wenn die Verbindung zustande komme.

So kamen sie denn wieder zurück und berichteten es dem Herrn Hü.

Der sprach: „Ich freue mich sehr, daß jener Herr die Heirat nicht verschmäht. Aber ich und meine Frau sind rein verliebt in diese Tochter; wir können uns kaum entschließen, sie aus der Hand zu geben. Herr Mosü ist jung und vornehm, und unser Töchterchen ist recht verwöhnt. Wenn er sie nicht gut behandelt oder es sich später etwa einmal gereuen ließe, daß er in eine andere Familie eingeheiratet hat, so würden ich und meine Frau untröstlich darüber sein. Darum muß alles vorher klar ausgemacht werden, und erst wenn er sich ausdrücklich daraufhin verpflichtet, kann ich ihn in meine Familie aufnehmen.“

Die Leute hinterbrachten dem Mosü alle diese Bedingungen, und er erklärte sich zu allem bereit. Dann brachte er Gold und Perlen und bunte Seide als Brautgeschenke dar. Darauf wurde ein günstiger Tag für die Hochzeit ausgewählt.

Herr Hü beauftragte seine Frau, mit Goldtöchterchen zu reden.

„Dein Vater“, sprach sie, „hat Mitleid mit dir, daß du so verlassen bist, deshalb hat er einen jungen Gelehrten für dich ausgesucht.“

Aber Goldtöchterchen sagte: „Ich bin zwar von niedriger [295] Herkunft; aber ich weiß doch, was sich schickt. Ich habe nun einmal mit Mosü den Bund fürs Leben geschlossen. War er auch lieblos gegen mich, ich will doch bis zum Tode keinem andern angehören. Ich bringe es nicht fertig, einen andern Ehebund zu schließen und die Treue zu brechen.“

Nach diesen Worten fiel ein Tränenregen aus ihren Augen. Als Frau Hü sah, daß sie in ihrem Entschlusse nicht wankend zu machen war, da erzählte sie ihr alles, wie es sich verhielt.

„Dein Vater“, sagte sie, „ist entrüstet über die Lieblosigkeit des Mosü. Obwohl er nun dafür sorgen will, daß ihr beiden wieder zusammenkommt, hat er ihm gegenüber nur verlauten lassen, du seiest unser leibliches Kind. Darum war der Mosü mit Freuden zu der Heirat bereit. Wenn heute abend nun die Hochzeit gefeiert wird, dann mußt du es so und so machen, damit du deinen gerechten Zorn an ihm ein wenig kühlen kannst.“

Als sie das alles gehört hatte, da trocknete Goldtöchterchen ihre Tränen und bedankte sich bei ihren Pflegeeltern. Darauf schmückte sie sich für die neue Hochzeitsfeier.

Am Abend des Tages nun kam Mosü mit Goldblumen auf dem Hut und einer roten Schärpe um die Brust auf festlich geschmücktem Pferde mit großem Gefolge angeritten. Alle seine Freunde und Bekannten kamen mit ihm, um bei der Feier zugegen zu sein.

In Herrn Hü’s Hause war ebenfalls alles mit bunten Tüchern und Laternen geschmückt. Mosü stieg vor dem Saal vom Pferde. Herr Hü hatte ein Festmahl bereitet und führte Mosü und seine Freunde zur Tafel. Als sie drei Becher getrunken, da kamen die Dienerinnen und baten den Mosü ins innere Gemach. Die Braut im rotem Schleier wurde von zwei Dienerinnen herausgeführt. Nach den Rufen des Festmeisters verehrten sie zusammen Himmel und Erde, dann die Schwiegereltern. Dann gingen sie ins Hochzeitsgemach. Dort brannten bunte Kerzen, und ein [296] Festmahl war aufgetischt. Mosü fühlte sich glücklich wie im neunten Himmel.

Als er jedoch das Gemach betreten wollte, da kamen auf beiden Seiten der Tür sieben, acht Mägde hervor, die hielten Bambusstöcke in der Hand, mit denen schlugen sie unbarmherzig auf ihn ein. Sie schlugen ihm seinen Festhut vom Kopfe, und dann hagelten die Streiche auf Schultern und Rücken. Mosü rief um Hilfe. Da hörte er im Zimmer eine zarte Stimme sprechen: „Ganz braucht ihr ihn nicht totzuschlagen, den herzlosen Bräutigam. Bittet ihn herein zur Begrüßung!“

Da ließen die Mägde ab von ihm und drängten sich um die Braut, der sie den Hochzeitsschleier abnahmen.

Mosü verneigte sich gesenkten Hauptes und sprach: „Was habe ich denn getan .....“ Aber als er die Augen aufschlug, da stand niemand anderes vor ihm als seine Frau Goldtöchterchen!

Er zuckte vor Schreck zusammen und schrie: „Ein Gespenst! Ein Gespenst!“ Aber alle Dienerinnen brachen in lautes Gelächter aus.

Endlich kam Herr Hü mit seiner Frau herein, der sprach: „Mein lieber Schwiegersohn, sei versichert, das ist meine Pflegetochter, die ich auf meiner Reise hierher aufgenommen habe, kein Gespenst.“

Da fiel Mosü eiligst auf seine Knie und sprach: „Ich habe mich versündigt, ich bitte um Gnade!“ und machte unablässig Kotau.

„Das geht mich nichts an,“ erwiderte Herr Hü, „wenn nur unser Töchterchen gut mit dir auskommt, dann ist alles gut.“

Goldtöchterchen aber spuckte ihm ins Gesicht und fing an: „Du kaltherziger Schurke! Erst warst du arm und dürftig. Wir nahmen dich in unsere Familie auf und ließen dich studieren, daß du es zu etwas brachtest und dir einen Namen machtest. Aber kaum warst du Beamter und angesehen, da verkehrte sich deine Liebe in Feindschaft, und [297] du vergaßest deine Gattenpflicht und stießest mich in den Fluß. Zum Glück habe ich da meinen lieben Pflegevater gefunden, der mich herausgezogen, und an Kindes Statt angenommen hat. Sonst hätte ich mein Grab gefunden im Bauch der Fische. Wie konntest du das nur über dich bringen! Und wie kann ich es mit meiner Ehre vereinigen, nun wieder mit dir zusammen zu leben?“

Mit diesen Worten fing sie laut zu heulen an, und einen hartherzigen Schurken nach dem andern warf sie ihm an den Kopf.

Mosü lag in sprachloser Beschämung vor ihr auf den Knien und flehte sie um Verzeihung an.

Als nun Herr Hü bemerkte, daß Goldtöchterchen sich durch Schimpfen genügend Luft gemacht hatte, da half er ihm auf die Beine und redete ihm zu: „Mein lieber Schwiegersohn, wenn du deine Schuld bereust, so wird Goldtöchterchen allmählich auch zu zürnen aufhören. Ihr seid ja wohl ein altes Ehepaar. Aber ihr habt heute in meinem Hause aufs neue einen Ehebund geschlossen, so tut mir den Gefallen und höret, was ich sage. Mosü, du hast eine schwere Schuld auf dich geladen; darum mußt du es deiner Frau nicht übelnehmen; wenn sie etwas ungehalten ist, sondern Geduld mit ihr haben. Ich will meine Frau rufen, damit sie zwischen euch Frieden stiftet.“

Mit diesen Worten ging Herr Hü hinaus und schickte seine Frau, der es endlich mit vieler Mühe gelang, die beiden wieder zu versöhnen, so daß sie aufs neue den Ehebund zusammen schlossen.

Und sie hielten einander lieb und wert, noch einmal so sehr als vorher. Alles war eine Glückseligkeit und Freude. Und als Herr Hü und seine Frau später starben, da trauerten sie um sie wie um ihre leiblichen Eltern.

Anmerkungen des Übersetzers

[403] 93. Der herzlose Gatte. Nach Gin Gu Ki Guan (gekürzt).

„einheiraten.“ Für gewöhnlich zieht die Frau ins Haus der Eltern des Mannes. Nur wenn kein männlicher Erbe da ist, kommt die Abmachung vor, daß der Schwiegersohn die Familie der Eltern seiner Frau fortsetzt und in deren Hause lebt. Die Sitte ist in Japan noch heute sehr verbreitet, doch gilt es in China nicht als ehrenvoll, auf diese Weise in eine fremde Familie einzutreten. Bezeichnend ist, daß Mosü zur Strafe dafür, daß er das Einheiraten das erstemal verschmäht hat, noch zum zweitenmal einheiraten muß bei dem Herrn Hü.

Goldblumen auf dem Hut: Die Kleidung, die geschildert wird, ist noch heute die Hochzeitskleidung in China.

„Goldtöchterchen spuckte ihm ins Gesicht“: Trotz ihrer Treue für ihn muß sie nach chinesischer Anschauung ihrem Zorn über seine Untreue Luft machen; erst dadurch kommt der Fall in Ordnung und ist ihr „Gesicht gewahrt“.