Der große Waldbrand in der Sächsisch-Böhmischen Schweiz im Jahre 1842
Es war im Jahre 1842, das sich wie die Jahre 1890 und 1904 durch große Brände auszeichnete. Aus den verschiedensten Gegenden liefen Nachrichten ein über furchtbare Brände, die hier und dort gewütet und Städte und Dörfer, sowie ganze Wälder in Aschehaufen verwandelt hatten. In diesem verhängnisvollen Jahre sollte auch der herrlichste Forst in der Sächsisch-Böhmischen Schweiz ein Raub der Flammen werden. –
Am Nachmittage des 31. August 1842 wurde unten im Prebischgrunde, unweit des Prebischtores, auf der dem Fürsten Clary von Aldringen zu Teplitz gehörigen Herrschaft Biensdorf auf Stumsdorfer oder Stimmersdorfer Reviere ein verdächtiger Rauch bemerkt. Aus noch nicht aufgeklärter Ursache waren die auf dem Waldboden liegenden Nadeln und dürren Aeste
[339][341] in Brand geraten. Das Feuer griff schnell um sich. Die Flammen liefen auf dem völlig ausgetrocknetem Waldmoose weiter, ergriffen auch Bäume, und bald wogten die Feuerflammen mit Riesenschritten vorwärts und erreichten auch den angrenzenden Herrnskretschener Forst. Nun blies auch noch der Wind heftig in das wütende Feuermeer und trieb die Flammen aufwärts bis zu den höchsten Felsenrücken. Es brannten jetzt nur Moos, Heide und junger Anflug, nein, die Flammen züngelten auch zu den Wipfeln der harzigen Baumriesen empor. Das Prebischtor, der bewunderungswürdige und riesige Felsenaltar, war jetzt von knisternden und prasselnden Flammen förmlich umglüht. Das Moos der Prebischtorfelsen brannte, und die Feuerzungen leckten an der Holzbrüstung, welche die Prebischtordecke einfaßt. Das zwischen zwei koulissenartig vortretenden Felsenwänden so malerisch erbaute Gasthaus, das dem Fremden einen gar angenehmen Aufenthalt gewährt, kam jetzt in die größte Gefahr.
Da zog ein heftiges Gewitter herauf, und der Wind sprang plötzlich um. Er wandte sich von Südost nach Nordwest und trieb nunmehr die Flammen in die Felsenschluchten, so daß dadurch das Gasthaus augenblicklich außer Gefahr war. Das Feuer bekam aber neue Nahrung, und der furchtbare Brand wälzte sich weiter, immer weiter. In den Felsenspalten und Ritzen züngelten die Flammen empor, erreichten den Schäferstein, den Musensitz böhmischer Harfner, und rasten nun auf dem Bergrücken weiter, dem großen Winterberge zu. Gegen sechs Uhr nachmittags wütete der Brand am furchtbarsten, und das Feuermeer wogte jetzt auch auf sächsischem Gebiete. Einem Lavastrome gleich wälzten die rasenden Flammen in stürmender [342] Eile sich durch den Mittelndorfer Forst. Glühende Rauchwolken wirbelten empor und verkündeten weithin das furchtbare Ereignis. Bergaufwärts und bergabwärts, rechts und links bahnten sich die Flammen ihren Weg, liefen pfeilschnell am dürren Moose der Bäume empor bis in deren Wipfel. Besonders aber boten die jungen Pflanzungen, die sogenannten Kulturen, den züngelnden Flammen passende Nahrung. So wogte über dem zarten Waldbestande ein furchtbares Feuermeer, das alles zu verwüsten drohte.
Auf dem Prebischtore waren an diesem Tage gerade viele Touristen anwesend. Der wackere Wirt Schlegel aus Herrnskretschen bot alles auf, das bedrohte Gasthaus zu retten und seine Habseligkeiten möglichst in Sicherheit [343] zu bringen. Alle Anwesenden, zumeist Deutsche, leisteten hilfreiche Hand. Sie halfen redlich, und jedermann zeigte mitten in der wachsenden Gefahr Mut und Entschlossenheit, denn die Gefahr fürs Haus wuchs noch einmal. Die Hitze mehrte sich, der Glutrauch wälzte sich um das Riesentor, und alle waren zu einem schnellen Rückzuge gezwungen. Hätte der Wind sich gedreht, dann wären die Fliehenden ein Raub der wütenden Flammen geworden, die Zurückbleibenden aber dem Erstickungstode preisgegeben gewesen.
Zum Glück behielt der Wind seine ursprüngliche Richtung, und der Rückzug glückte, freilich war er immerhin gefahrvoll. Es herrschte infolge des Brandes eine so furchtbare Hitze, daß manche dem Verschmachten nahe waren. Wasser gab es ja ringsum nicht. Trotz der großen Gefahr kam von allen Seiten Hilfe. Böhmische Forstbeamte leiteten am Prebischtore die Rettungsarbeiten. Auch aus dem an der Elbe in Sachsen liegenden Dorfe Schmilka eilten eine große Anzahl Retter mit Haken, Schaufeln und Aexten herbei, doch konnten [344] sie wegen des wachsenden Feuermeeres nicht bis zum Prebischtore vordringen. Sie wurden zur Umkehr gezwungen und wandten sich nun nach dem großen Winterberge, wo ihre Hilfe auch gar nötig war. Dort hatten die Flammen beinahe den Gipfel des Berges erreicht und umzüngelten bereits die daselbst erst kurze Zeit vorher erbaute Restauration. Allein die schnell herbeigeeilten sächsischen Forstbeamten, ferner die Holzschläger, die Fremden mit den Führern, die Landleute und der Gastwirt Büttner vereinten sich zur gemeinschaftlichen Rettung des Hauses. Den Wackeren schlossen sich später auch die aus Schmilka Kommenden bereitwilligst an. Die Wege wurden von Aesten und Nadeln gereinigt. Gräben wurden gezogen. Nun kam die Nacht. Zum Glück hatte sich die Glut mehr in die Schluchten gezogen, und das Gasthaus auf dem Gipfel des Winterberges, das noch heute freundlich in das Land hineingrüßt, war infolgedessen weniger in Gefahr.
Ein schauriges, aber ein großartiges Bild bot die Umgegend von hier oben aus! Mitten aus dem Feuermeer ragten geisterhaft die gespenstisch
[345][347] beleuchteten Felsmassen empor. Ueber dem Glutstrome des brennenden Mooses und der brennenden Heide brannten die harzigen Aeste der Fichten und Kiefern, gleich tausenden von Laternen oder riesengroßen Christbäumen. Wie Höllenrachen leuchteten die Felsenschluchten.
Während der Nacht schienen die Flammen in die Schluchten sich zu verirren, ließen in ihrem Zorne etwas nach und erleichterten somit die wieder [348] aufgenommenen Rettungsarbeiten. Von allen Seiten her nahte jetzt die tätigste Hilfe; aus den Nachbargemeinden eilten viele Retter herbei. Die Gräben wurden breiter und tiefer gezogen, um dem sich immer weiter vorwärtsdrängenden Moos- und Heidebrande rechtzeitig vorzubeugen. Das geschah oft nicht ohne die größte Lebensgefahr, doch niemand scheute zurück. Es schien fast, als sei das Feuer über die tätigen Retter erzürnt; denn es übersprang oft wie zum Hohne die gezogenen Gräben, um drüben dann das begonnene Zerstörungswerk fortzusetzen. Die Rettenden mußten wiederholt dem Feuer einen großen Vorsprung abgewinnen, um dann von neuem Gräben zu ziehen und Erdwälle aufzuwerfen. Von Stunde zu Stunde mehrte sich die Zahl der Retter. Militär kam an. Aus Tharandt eilten die Studenten der Forstakademie herbei und traten freudig in die Reihen der Arbeiter. Die Rettungsarbeiten wurden von dem Kgl. Forstmeister und von den aus Dresden und Tharandt angekommenen Forstbeamten geleitet. Und endlich sollte das wütende Feuer gezähmt und bezwungen werden. Am 3. September erlosch der furchtbare Waldbrand. Nun ließ sich auch der entstandene Schaden schätzen. Auf sächsischer Seite war derselbe am größten. Hier hatten die Flammen besonders junge und kräftige Kulturen zerstört, während auf böhmischer Seite mehr der Hochwald gelitten hatte. Die verkohlten und astlosen Bäume boten einen traurigen Anblick. Die Brandstätte erinnerte noch nach Jahren den Wanderer an den großen Waldbrand. Doch jene einst verwüsteten Waldflächen sind längst wieder bepflanzt worden. Kräftiger, junger Wald spendet dem Wanderer wieder wie vordem kühlenden Schatten. Die unzugänglichen Felsengrate und die Felsenwände und Schluchten sind von neuem Anfluge auch wieder überzogen worden.