Textdaten
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Autor: Ludwig Tieck
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Titel: Der getreue Eckart
Untertitel:
aus: Badisches Sagen-Buch I, S. 292–303
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
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Quelle: Commons und Google
Kurzbeschreibung:
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Indexseite
[292]
Der getreue Eckart.
1.

Der edle Herzog groß
Von dem Burgunder Lande
Litt manchen Feindesstoß
Wohl auf dem ebnen Sande.

5
Er sprach: „mich schlägt der Feind,

Mein Muth ist mir entwichen,
Die Freunde sind erblichen,
Die Knecht’ geflohen seind!

„Ich kann mich nicht mehr regen,

10
Nicht Waffen führen kann:

Wo bleibt der edle Degen,
Eckart, der treue Mann?

„Er war mir sonst zur Seite
In jedem harten Strauß,

15
Doch leider blieb er heute

Daheim bei sich zu Haus.

„Es mehren sich die Haufen,
Ich muß gefangen seyn,
Mag nicht wie Knecht’ entlaufen,

20
Drum will ich sterben fein! –“


So klagt der von Burgund,
Will sein Schwert in sich stechen:
Da kommt zur selben Stund’
Eckart, den Feind zu brechen.

[293]
25
Geharnischt reit’t der Degen

Keck in den Feind hinein,
Ihm folgt die Schaar verwegen
Und auch der Sohne fein.

Burgund erkennt die Zeichen

30
Und ruft: „Gott sey gelobt!“

Die Feinde mußten weichen,
Die wüthend erst getobt.

Da schlug mit treuem Muthe
Eckart in’s Volk hinein,

35
Doch schwamm in rothem Blute

Sein zartes Söhnelein.

Als nun der Feind bezwungen,
Da sprach der Herzog laut:
„Es ist dir wohl gelungen,

40
Doch so, daß es mir graut;


Du hast viel Mann geworben,
Zu retten Reich und Leben,
Dein Söhnlein liegt erstorben,
Kann’s dir nicht wieder geben.“

45
Der Eckart weinet fast,

Bückt sich, der starke Held,
Und nimmt die theure Last,
Den Sohn in Armen hält.

„Wie starbst du, Heinz, so frühe,

50
Und warst noch kaum ein Mann?

Mich reut nicht meine Mühe,
Ich seh’ dich gerne an,

„Weil wir dich, Fürst, erlösten
Aus deiner Feinde Hohn,

55
Und drum will ich mich trösten,

Ich schenke dir den Sohn.“

[294]

Da ward dem Burgund trübe
Vor seiner Augen Licht,
Weil diese große Liebe

60
Sein edles Herze bricht.


Er weint die hellen Zähren
Und fällt ihm an die Brust:
„Dich, Held, muß ich verehren,“
Spricht er, „in Leid und Lust.“

65
„So treu bist du geblieben,

Da Alles von mit wich,
So will ich nun auch lieben
Wie meinen Bruder dich.

„Und sollst in ganz Burgunde

70
So gelten wie der Herr,

Wenn ich mehr lohnen kunnte,
Ich gäbe gern noch mehr.“

Als dies das Land erfahren,
So freut sich Jedermann,

75
Man nennt den Held seit Jahren

Eckart den treuen Mann.


2.

Er schwang sich auf sein Pferd,
Eckart, der treue Held,
Und sprach: „in aller Welt

80
Ist mir nun nichts mehr werth.


„Die Söhn’ hab’ ich verloren,
So find’ ich nirgends Trost,
Der Fürst ist mit erboßt,
Hat meinen Tod geschworen.“

85
Da reitet er zu Wald

Und klagt aus vollem Herzen

[295]

Die übergroßen Schmerzen,
Daß weit die Stimme schallt:

„Die Menschen sind mir todt,

90
Ich muß mir Freunde suchen

In Eichen, wilden Buchen,
Ihn’n klagen meine Noth.

„Kein Kind, das mich ergötzt;
Erwürgt vom schlimmen Leuen

95
Blieb Keiner von den Dreien,

Der Liebste starb zuletzt.“

Wie Eckart also klagte,
Verlor er Sinn und Muth,
Er reit’t in Zorneswuth,

100
Als schon der Morgen tage.


Das Roß, das treu geblieben,
Stürzt hin im wilden Lauf,
Er achtet nicht darauf,
Und will nun nichts mehr lieben.

105
Er thut die Rüstung abe.

Wirft sich zu Boden hin,
Auf Sterben steht sein Sinn,
Sein Wunsch nur nach dem Grabe.


3.

Der Herzog sank darnieder

110
Im wilden dunklen Hain,

Da nahm Held Eckart bieder
Ihm auf die Schultern fein.

Er sprach: „gar viel Beschwerden
Mach’ ich dir, guter Mann!“

115
Der sagte: „auf der Erden

Muß man gar viel bestahn.“

[296]

„Doch sollst du,“ sprach Burgund,
„Dich freun, bei meinem Worte,
Komm’ ich nur erst gesund

120
Zu Haus und sicherm Orte.“


Der Held fühlt Thränen heiß
Auf seinen alten Wangen,
Er sprach: „auf keine Weis’
Trag’ ich nach Lohn Verlangen.“

125
„Es mehren sich die Plagen,“

Sprach der Burgund in Noth;
„Wohin willst du mich tragen?
Du bist wohl gar der Tod?“ –

„Tod bin ich nicht genannt,“

130
Sprach Eckart noch im Weinen,

„Du stehst in Gottes Hand,
Sein Licht mag dich bescheinen!“

„Ach, wohl ist mir bewußt,“
Sprach Jener drauf in Reue,

135
„Daß sündvoll meine Brust,

Drum zittr’ ich, daß Er dräue.

„Ich hab’ dem treusten Freunde
Die Kinder umgebracht,
Drum steht er mir zum Feinde

140
In dieser finstern Nacht.


„Er war mir recht ergeben,
Als wie der treuste Knecht,
Und war im ganzen Leben
Mir niemals ungerecht.

145
„Die Kindlein ließ ich tödten,

Das kann er nie verzeih’n,
Ich fürcht’, in diesen Nöthen
Treff’ ich ihn hier im Hain:

„Das sagt mir mein Gewissen,

150
Mein Herze innerlich,
[297]

Die Kind’ hab’ ich zerrissen,
Dafür zerreißt er mich.“

Der Eckart sprach: „empfinden
Mußt du so schwere Last,

155
Weil du nicht rein von Sünden

Und schwer gefrevelt hast;

„Daß du den Mann wirst schauen,
Ist auch gewißlich wahr;
Doch magst du mir vertrauen,

160
So krümmt er dir kein Haar.“

4.

Da stand der Eckart von der Erden
Und trat herfür an’s helle Licht.
Er zeigt mit traurigen Gebehrden
Sein hochbekümmert Angesicht.

165
Da fehlt dem Burgund Kraft und Muth

Den Blick des Mannes auszuhalten,
Den Adern sein entweicht das Blut,
In Ohnmacht ist er festgehalten.

Es stürzen ihm die matten Glieder

170
Von neuem auf den Boden nieder.

„Allmächt’ger Gott!“ so schreit er laut,
„Du bist es, den mein Auge schaut?
Wohin soll ich vor dir entfliehn?
Mußt du mich aus dem Walde ziehn?

175
Dem ich die Kinder hab’ erschlagen,

Der muß mich in den Armen tragen?“

So klagt Burgund und weint im Sprechen,
Und fühlt das Herz im Busen brechen,
Er sinkt dem Eckart an die Brust,

180
Ist sich sein selber nicht bewußt. –

Der Eckart leise zu ihm spricht:

[298]

„Der Schmach gedenk’ ich fürder nicht,
Damit die Welt es sehe frei:
Der Eckart ward dir stets getreu.“


5.
185
Kommt es nicht wie Träumen

Aus den grünen Räumen
Zu uns wallend nieder,
Wie Verstorbner Lieder?

Spricht Eckart zu den jungen Herrn:

190
„Vernehmt den Zauberklang von fern.“

Wie sich die Tön’ herüberschwungen,
Erwachet in den frommen Jungen
Ein seltsam böser Geist,
Der sie nach unbekannter Ferne reißt.

195
„Wir wollen in die Berge, in die Felder,

Uns rufen die Quellen, uns locken die Wälder,
Gar heimliche Stimmen entgegen singen,
In’s irdische Paradies uns zu bringen!“

Der Spielmann kommt in fremder Tracht

200
Den Söhnen Burgunds in’s Gesicht,

Und höher schwillt der Töne Macht,
Und heller glänzt der Sonne Licht;
Die Blumen scheinen trunken,
Im Abendroth nieder gesunken,

205
Und zwischen Korn und Gräsern schweifen

Sanft irrend blau und goldne Streifen.

Wie ein Schatten ist hinweggehoben,
Was sonst den Sinn zur Erden zieht,
Gestillt ist alles irdische Toben,

210
Die Welt zu einer Blum’ erblüht;

Die Felsen schwanken lichterloh,
Die Triften jauchzen seligfroh,
Es wirrt und irrt Alles in die Klänge hinein,

[299]

Und will in der Freude heimisch seyn;

215
Des Menschen Seele reißen die Funken,

Sie ist im holden Wahnsinn ganz versunken.

Da wurde Eckart rege
Und wundert sich dabei,
Er hört der Töne Schläge

220
Und fragt sich, was es sey.


Ihm dünkt die Welt erneuet,
In andern Farben blühn,
Er weiß nicht, was ihn freuet,
Fühlt sich in Wonne glühn.

225
„Ha! bringen nicht die Töne,“

So fragt er sich entzückt,
„Mir Weib und liebe Söhne,
Und was mich sonst beglückt?“

Doch faßt ein heimlich Grauen

230
Den Helden plötzlich an,

Er darf nur um sich schauen
Und fühlt sich bald ein Mann.

Da sieht er schon das Wüthen
Der ihm vertrauten Kind’,

235
Die sich der Hölle bieten

Und unbezwinglich sind.

Sie werden fortgezogen
Und kennen ihn nicht mehr,
Sie toben wie die Wogen

240
Im wild empörten Meer.


Was soll er da beginnen?
Ihn ruft sein Wort und Pflicht,
Ihm wanken selbst die Sinnen,
Er kennt sich selber nicht.

245
Da kommt die Todesstunde

Von seinem Freund zurück,

[300]

Er höret den Burgunde
Und sieht den letzten Blick.

So schirmt er sein Gemüthe

250
Und steht gewappnet da,

Indem kommt im Gewüthe
Der Spielmann selbst ihm nah.

Er will den Degen schwingen
Und schlagen jenes Haupt:

255
Er hört die Pfeife klingen,

Die Kraft ist ihm geraubt.

Es stürzen aus den Bergen
Gestalten wunderlich,
Ein wüstes Heer von Zwergen,

260
Sie nahen grauerlich.


Die Söhne sind gefangen
Und toben in dem Schwarm,
Umsonst ist sein Verlangen,
Gelähmt sein tapfrer Arm.

265
Es stürmt der Zug an Vesten,

An Schlössern wild vorbei,
Sie ziehn von Ost nach Westen
Mit jauchzendem Geschrei.

Eckart ist unter ihnen,

270
Es reißt die Macht ihn hin,

Er muß der Hölle dienen,
Bezwungen ist sein Sinn.

Da nahen sie dem Berge,
Aus dem Musik erschallt,

275
Und alsobald die Zwerge

Stillstehn und machen Halt.

Der Fels springt von einander,
Ein bunt Gewimmel drein,

[301]

Man sieht Gestalten wandern

280
Im wunderlichen Schein.


Da faßt er seinen Degen
Und spricht: „ich bleibe treu!“
Und haut mit Kraft verwegen
In alle Schaaren frei.

285
Die Kinder sind errungen,

Sie fliehen durch das Thal,
Der Feind noch unbezwungen
Mehrt sich zu Eckarts Qual.

Die Zwerge sinken nieder,

290
Sie fassen neuen Muth,

Es kommen andre wieder,
Und jeder kämpft mit Wuth.

Da sieht der Held schon ferne
Die Kind’ in Sicherheit,

295
Spricht: „nun verlier’ ich gerne

Mein Leben hier im Streit.“

Sein tapfres Schwert thut blinken
Im hellen Sonnenstrahl,
Die Zwerge niedersinken

300
Zu Haufen dort im Thal.


Die Kinder sind entschwunden
Im allerfernsten Feld,
Da fühlt er seine Wunden,
Da stirbt der tapfre Held.

305
So fand er seine Stunde

Wild kämpfend wie der Leu,
Und blieb noch dem Burgunde
Im Tode selber treu.

Als nun der Held erschlagen,

310
Regiert der ält’ste Sohn,

Dankbar hört man ihn sagen:
„Eckart hat meinen Thron

[302]

„Erkämpft mit vielen Wunden
Und seinem besten Blut,

315
Und alle Lebensstunden

Verdank’ ich seinem Muth.“

Bald hört man Wundersagen
Im ganzen Land umgehn,
Daß wer es wollte wagen

320
Den Venus-Berg zu sehn,


Der werde dorten schauen
Des treuen Eckart Geist,
Der Jeden mit Vertrauen
Zurück vom Felsen weist,

325
Wo er nach seinem Sterben

Noch Schutz und Wache hält.
Es preisen alle Erben.
Eckart den treuen Held.

Ludwig Tieck.
Einiges über Alt-Breisach.

Zur Zeit der Römer, die hier ein Kastell oder eine Niederlassung hatten, lag Breisach (Mons Brisiacus) auf dem linken Rheinufer; im 10. Jahrhundert war es eine Insel, im 13. aber stand der Berg schon diesseits des Flusses. Von den Römern kam Breisach an das fränkische Geschlecht der Harlinger oder Harlungen. Ein Theil des Berges heißt der Eckartsberg und erinnert noch an den treuen Eckart, welcher, aus dem Geschlechte der Karolinger stammend, als Pfalzgraf hier seinen Sitz gehabt und dem Herzog von Burgund bis in den Tod die treueste Freundschaft bewahrt haben soll. (Siehe obige Romanze von Tieck, die eines eigenen Commentars bedürfte, für den hier kein Raum sich bietet.)

Von Breisach, als der Hauptstadt dieses Landstriches, hat das Breisgau seinen Namen erhalten.

Wenige teutsche Städte haben einen solchen Wechsel von Ereignissen erfahren, als diese. Das Schloß wurde von Berthold V. von Zähringen erbaut und von Maximilian I. erweitert. Eine Hauptmerkwürdigkeit ist die St. Stephanskirche oder das Münster, eines der schönsten altteutschen Gebäude. Den Hochaltar schmücken treffliche, aus Holz geschnitzte Bildwerke. Die Gebeine des heiligen Gervaß und Protaß, welche Kaiser Friedrich I. im Jahr 1162 von Mailand nach Breisach bringen ließ, ruhen in dieser Kirche in einem silbernen Sarge. Auch sieht man darin viele Grabsteine berühmter Feldherren und anderer hohen Personen. Für [303] den Freund römischer und teutscher Alterthümer ist hier ein reiches, noch nicht gehörig benütztes Feld.

(Siehe Schreiber’s: „Führer für Reisende durch das Großherzogthum Baden.“ Carlsruhe, 1828.)


Zwei Männer treten besonders aus der Geschichte Breisachs hervor, in deren Schicksal diese Stadt eng verflochten war: der burgundische Landvogt von Hagenbach und der Herzog Bernhard von Weimar. Ueber Jenen siehe die folgenden, ihn betreffenden Artikel. Ein schöneres Erinnerungsbild ist das des Herzogs Bernhard, dieses edlen Helden des dreißigjährigen Krieges. Er hatte den Plan gefaßt, das ganze obere Rheinthal zwischen dem Schwarzwalde und den Vogesen zu erobern und sich ein eigenes Fürstenthum zu gründen, dessen Hauptstadt Breisach werden sollte. Seine Unternehmungen versprachen auch wirklich einen glücklichen Erfolg, aber unerbittlich ereilte ihn der Tod mitten in diesen großen Entwürfen und er starb, wie man behauptet, an genossenem Gifte, in der Nachbarschaft von Breisach, zu Neuenburg.

(Vergleiche Jos. Bader’s: „Freiburg und seine Umgebungen.“ Freiburg, 1838. Herder. S. 81)