Der gespenstige Leichenzug zu Leisnig
Am 26. Juni des Jahres 1685 Abends zwischen 9-10 Uhr hat man zu Leisnig hinter der Baderei vom ersten Rundel an der Stadtmauer eine Mannsperson mit einer [309] weißen Leinwand bekleidet gesehen, dem auf einem Raum von drei Häusern 6 Männer mit einer Todtenbahre samt schwarzem Sarg folgten und beim Rundel etwas niedersetzten. Sodann geht der weißgekleidete Mann bis an das dritte Rundel hinter dem Kornhause und steht wieder still, dann tragen die 6 Männer den Sarg auch bis dahin und setzen sich wieder nieder, da dann zwei dieser Männer ein bei dem weißgekleideten Manne liegendes weißes Tuch aufheben, solches schwingen und auf den Sarg breiten. Anfangs hat dies nur eine Person gesehen, dann aber noch vier, Andere haben vor großem Schreck nicht mehr hinsehen wollen, ihrer zwei gehen aber auf die Höhe gegenüber, auf die sogenannte kleine Viehweide, um Solches besser zu beschauen und sehen sodann, daß hinter den 6 Männern noch viele Personen mit langen Haaren am Haupte, sonst aber in Gestalt der Todtengerippe, wie solche die Maler entwerfen und nach Art einer Leichenprocession gingen; darnach haben sich die zur linken Hand niedergesetzt und nach der Stadtmauer zu gesehen, die zur rechten aber ihre Gesichter nach der Vorstadt Neusorge zu gewendet. Dies Alles ist so schauerlich anzusehen gewesen, daß einer und der andere, wenn sie daran gedacht, sich vor Furcht geschüttelt und fast krank worden sind. Endlich haben sich zwei Brüder auf die Höhe an dem Stadtgraben wagen wollen, wo das Gesicht stand und es näher sehen wollen. Von diesen ist einer gefährlich gefallen, hat aber doch auf seinem Vorsatz bestanden und ist fortgeeilt. Da haben die andern aus den Häusern sehenden Leute gemerkt, wie der weißgekleidete Mann nach dem Oberthore zu mit den andern Trägern, Leichenbegleitern und dem Sarge gegangen und, nachdem sie noch etwa ¾ Stunden zu sehen gewesen, verschwunden ist, und haben die auf die Höhe Gestiegenen nichts mehr gesehen. Es haben aber die gedachten Personen den 29. Juni Alles vor dem Rathe und Superintendenten J. Nicol. Jacobi ausgesagt und mit einem Eide bestärkt und Letzterer hat am Tage Mariä Heimsuchung über die Worte Ezech. IX. v. 1–7 eine besondere Predigt gehalten, die er auch unter dem Titel: „die [310] Heimsuchung der Stadt Gottes etc. dem mit einem Warnungsgesichte heimgesuchten Leisnig“ drucken ließ.