Der gefangene Riese
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Der gefangene Riese.
Kein Märchen. Von Rudolf Lavant.
Er rang sich wund an seinen Ketten
Verzweiflungsvoll in strenger Haft,
Und nimmer hofft er sich zu retten
Aus dem Verließ durch eigne Kraft,
Und Finkenschlag und Fichtenduft,
Sie wurden seinen trüben Sinnen
Zu Traum und Schaum im Bann der Gruft.
Es starrt sein Blick in öde Weiten
Da sieht er schlüpfen es und gleiten
Behend durch jeden Gitterspalt,
Und Zwerglein sieht er dann erscheinen
In knappen Wämsern, silbergrau,
Sie nicken tröstend ihm und schlau.
Und emsig trippelnd sieht er eilen
Ans Rettungswerk den Zwergenschwarm,
Und emsig, unermüdlich feilen
Sie sehn mit kicherndem Gelächter,
Wie er die Eisenthür erbricht ―
Er fällt mit einem Schlag den Wächter
Und stürmt empor zu Luft und Licht.
Die lange sicher sich geglaubt,
Seit sie den Mächtigen gefangen
Und Reich und Freiheit ihm geraubt.
Er war im Kerker wohl verdorben,
Er war vielleicht bereits gestorben ―
Sie durften schwelgen nach Begehr.
Nun steht er da ― sein Auge lodert.
Zerstoben ihr gestohlen Glück!
Sein Recht der Schreckliche zurück.
Es scheucht der Anblick seiner Züge
Den Troß, der lange ihn verlacht,
Es flüchtet die entlarvte Lüge
Und Jubel weckt in Feld und Gassen
Das Tagen einer bessern Zeit,
Und freudig zeigt der Fürst den Massen
Die Zwergenschar, die ihn befreit.
Die ihn erlöst aus Kerkerdunst ―
Ja, als Erretter darf erscheinen
Dem Menschengeist die Druckerkunst. ―