Textdaten
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Autor: Johann Georg Theodor Grässe
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Titel: Der ewige Durst
Untertitel:
aus: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 2. S. 186–187
Herausgeber:
Auflage: Zweite verbesserte und vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Schönfeld
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Erscheinungsort: Dresden
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Originalherkunft:
Quelle: Google-USA* und Commons
Kurzbeschreibung:
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[186]
789) Der ewige Durst.
Mündlich. Mitgeth. v. Ed. Kauffer.

Verfolgt man in Wilthen, 2 Stunden südlich von Bautzen, den Fußweg, welcher hinter der Kirche über den Berg nach Bautzen führt, so gewahrt man linker Hand unterhalb des Waldes einige Wiesen mit einer Quelle. Dort zeigt sich zuweilen in den Mittagsstunden eine weißgekleidete Frau, welche bis an die Quelle wallt und sich bückt, um mit der Hand Wasser zu schöpfen. Aber wie sie sich auch müht, sie kann das Wasser doch nicht erreichen und tief seufzend entfernt sie sich wieder und verschwindet. Diese Erscheinung heißt: „Der ewige Durst.“ Alte Leute erzählen: Es habe einst eine junge Frau in Wilthen während ihrer Niederkunft unsäglichen Durst gelitten und die Wehefrau gebeten, ihr zur Kühlung nur einige Tropfen Wasser zu reichen. Aber die Kindfrau verweigerte ihr die Labung, und so verschied sie unter den Qualen eines verzehrenden Durstes. Seit dieser Zeit geht sie alle Mittage an jene Quelle, will Wasser trinken – denn sie durstet noch immer – und kann doch das Wasser nicht erreichen, ein weiblicher Tantalus mit hoffnungsloser Qual.

Etwas anders erzählt mir schriftlich Hr. Dr. Haupt diese Sage.

Zwischen Irgersdorf und Wilthen liegt hart an der Straße ein quellender mit einem grünen Pflanzenteppiche bedeckter Sumpf, der immer frisches Wasser hat und niemals zufriert. Dorthin ist früher immer eine weiße „wilde Frau“ allabendlich trinken gegangen. Sie kam vom Pichow-(?) Berge herab und ging dann wieder auf dem Quersteige, der von der Wilthener Seite bis auf die Spitze des Berges führt, zurück, um daselbst auf einem Raine, der wie ein gemachtes Bette gestaltet ist, zu übernachten. Oft hat man diese wilde Frau rufen hören: „Ewiger Durst.“ Einst nöthigte sie eine ihr [187] begegnende Magd, sie zu kämmen und zu lausen und belohnte sie dann mit einer Schürze voll trocknen Laubes, das die Magd leider weg warf, denn zu Hause angekommen hatte sich ein am Schürzenband hängen gebliebenes Blatt in pures Gold verwandelt.