Der deutsche Kaiser Karl der Fünfte als Epikuräer

Textdaten
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Titel: Der deutsche Kaiser Karl der Fünfte als Epikuräer
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aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 223
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1879
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[223] Der deutsche Kaiser Karl der Fünfte als Epikuräer. Mancher schöne Mythus, der sich in die Geschichte eingeschlichen, hat der Leuchte moderner Forschung weichen müssen (wir erinnern nur an die Tellsage). Auch an die letzten Lebensjahre Kaiser Karl’s des Fünften hat sich die Poesie gewagt und schildert uns rührend, wie der lebensmüde Pilgrim von St. Just beim Dunkel der Nacht und dem Sausen der Stürme an die Thür hispanischer Mönche pocht, um eine kleine Zelle, ein Ordenskleid und einen Sarkophag für sich zu fordern, er, dem die Hälfte der Welt nicht genügte. Sehr bescheidene Forderungen in der That, nur schade, daß Niemand weniger daran dachte, sich damit zufrieden zu geben, als Karl der Fünfte. Er nahm eine Dienerschaft von sechszig Personen in seine „Klause“ mit und führte dort ein ebenso absolutes Regiment, wie vordem zu Augsburg oder Toledo. Die neueste Geschichtsforschung, der ganz andere Quellen zugänglich sind, als weiland Robertson und andern ältern Historikern hat die letzten Tage Karl’s des Fünften jeder Romantik entkleidet und ihn als echten „Flamänder“ charakterisirt, der, nachdem ihm keine andern Genüsse mehr erreichbar, nur an’s Essen und Trinken dachte. Schon früher hatte er sich die Gicht zugezogen durch zu großen Genuß der Tafelfreuden. Ein Engländer, Roger Asham, der einem Feste des Ordens vom goldenen Vließe beiwohnte, sah staunend, mit welcher Energie der Kaiser Rindfleisch, Hammel- und Hasenbraten und schließlich einen Kapaun verschwinden ließ und dazu trank, „besser als er je sah“; denn er hatte seinen Kopf fünf Mal so lange Zeit im Humpen, als ein Anderer, und trank nie weniger, als ein gutes Quart Rheinwein auf einen Zug. Der übermäßige Genuß der Tafelfreuden brachte seinen Beichtvater Cardinal Loaysa, der schon ein Vierteljahrhundert vergebens dagegen protestirt hatte, nachgerade zur Verzweiflung.

Die Lieferung für seine Küche war der Hauptgegenstand der Correspondenz zwischen seinem Mayordomo und dem Staatssecretär. Die wöchentliche Courierpost von Valladolid nach Lissabon mußte einen Umweg machen, damit sie jeden Donnerstag eine Sendung Aale und andere feine Fische als kaiserliche Fastenspeise bringen konnte. Nach Thunfisch herrschte stete Frage, auch nach Anchovis und Forellen, und letztere besonders waren dem Exkaiser nie groß genug. Dagegen wünschte er die Oliven von kleinerem Format und requirirte deshalb deren aus Perejon. Eines Tages erinnerte sich der Eremit von St. Just, daß ihm in früheren Jahren der Graf von Orsono einmal nach Flandern Feldhühner aus Gama geschickt habe, die er für die besten der Welt erkannt hatte, und dem Staatssecretär wurde befohlen, deren wieder herbeizuschaffen, was auch geschah, aber ohne daß die Hühner diesmal den gleichen Beifall des Kaisers gefunden hätten. Dessen ungeachtet ließ er die übrig gebliebenen Hühner für spätere Eventualitäten in Essig legen.

Außer mit diesem Geflügel, beschäftigte sich seine Erinnerung auch mit einer Sorte vorzüglicher Bratwürste, auf deren Herstellung nach vlämischem Recept Königin Juana selig zu Tordesillas nicht wenig stolz gewesen. „Der Staatssecretär möge sich wegen dieses kostbaren Recepts an die Marquise von Denia wenden.“ Glücklicherweise war diese noch in dem Besitz des gewünschten Documents, und die nach demselben gefertigten Würste entsprachen ganz den kaiserlichen Erwartungen.

Sobald die Leidenschaft des hohen Eremiten für eine vorzügliche Küche im Lande bekannter wurde, wetteiferten Adel und Geistlichkeit, durch übersandte Delicatessen dem Mangel am damaligen Aufenthaltsorte ihres Exkaisers abzuhelfen, wo außer Welschnüssen nur noch Schafe, Schweine und Wild (und diese zu hohen Preisen) zu erhalten waren. Da schickte eines Tages der Graf von Oropesa Wild, andern Tages der Erzbischof von Saragossa ein paar fette Kälber; besonders aber der Erzbischof von Toledo und der Herzog von Frias waren unermüdlich und äußerst splendid in ihren Geschenken von Wild, Früchten und Eingemachtem, auch kam in regelmäßigen Zwischenräumen Proviant aller Art von Sevilla und Portugal. Wenn so der Leibarzt des Kaisers, Luis Quixada, der dessen defecte Leibesconstitution nur zu gut kannte, diese Züge beladener Maulthiere kommen sah, schien es ihm, als bestände ihre Fracht in Podagra und Galle, statt in Näschereien und er weissagte Schlimmes, wenn auch der Mayordomo nach einem ungestraft verlaufenen kaiserlichen Diätfehler triumphirte. Nur die Vorliebe des Kaisers für eine Sorte Regenvögel hielt er für harmlos, auf’s Energischste widersetzte er sich aber der Liebhaberei für Aalpasteten, welcher der Kaiser oft kurz vor dem Schlafengehen noch huldigte, und mit Recht; denn diese anerkanntermaßen auch für bessere Magen schwer verdauliche Speise ward der Nagel zum kaiserlichen Sarge.