Der armen Schönheit Lebenslauf

Textdaten
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Autor: Joseph von Eichendorff
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Titel: Der armen Schönheit Lebenslauf
Untertitel:
aus: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Zwei Novellen nebst einem Anhange von Liedern und Romanzen. S. 270–272
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1826
Verlag: Vereinsbuchhandlung
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Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Universitätsbibliothek Greifswald, Signatur: 520 Bn 420; Commons
Kurzbeschreibung:
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[270]

Der armen Schönheit Lebenslauf.

Die arme Schönheit irrt auf Erden,
So lieblich Wetter draußen ist,
Möcht’ gern recht viel gesehen werden,
Weil jeder sie so freundlich grüßt.

5
Und wer die arme Schönheit schauet,

Sich wie auf großes Glück besinnt,
Die Seele fühlt sich recht erbauet,
Wie wenn der Frühling neu beginnt.

Da sieht sie viele schöne Knaben,

10
Die reiten unten durch den Wind,

Möcht’ manchen gern im Arme haben,
Hüt’ Dich, hüt’ Dich, Du armes Kind!

Da zieh’n manch’ redliche Gesellen,
Die sagen: Hast nicht Geld noch Haus,

15
Wir fürchten Deine Augen helle,

Wir haben nichts zum Hochzeitsschmauß.

Von andern thut sie sich wegdrehen,
Weil keiner ihr so wohl gefällt,
Die müssen traurig weitergehen,

20
Und zögen gern an’s End’ der Welt.


Da sagt sie: Was hilft mir mein Sehen,
Ich wünscht’, ich wäre lieber blind,
Da alle furchtsam von mir gehen,
Weil gar so schön mein’ Augen sind. –

[271]
25
Nun sitzt sie hoch auf lichtem Schlosse,

In schöne Kleider putzt sie sich,
Die Fenster glüh’n, sie winkt vom Schlosse,
Die Sonne sinkt, das blendet Dich.

Die Augen, die so furchtsam waren,

30
Die haben jetzt so freien Lauf,

Fort ist das Kränzlein aus den Haaren,
Und hohe Federn steh’n darauf.

Das Kränzlein ist herausgerissen,
Ganz ohne Scheu sie mich anlacht;

35
Geh’ Du vorbei: sie wird Dich grüßen,

Winkt Dir zu einer schönen Nacht. –

Da sieht sie die Gesellen wieder,
Die fahren unten auf dem Fluß,
Es singen laut die lust’gen Brüder,

40
So furchtbar schallt des Einen Gruß:


„Was bist Du für’ne schöne Leiche!
So wüste ist mir meine Brust,
Wie bist Du nun so arm, Du Reiche,
Ich hab’ an Dir nicht weiter Lust!“

45
Der Wilde hat ihr so gefallen,

Laut schrie sie auf bei seinem Gruß,
Vom Schloß möcht sie herunter fallen.
Und unten ruh’n im kühlen Fluß. –

[272]

Sie blieb nicht länger mehr da oben,

50
Weil alles anders worden war,

Vor Schmerz ist ihr das Herz erhoben,
Da ward’s so kalt, doch himmlischklar.

Da legt sie ab die goldnen Spangen,
Den falschen Putz und Ziererei,

55
Aus dem verstockten Herzen drangen

Die alten Thränen wieder frei.

Kein Stern wollt nicht die Nacht erhellen,
Da mußte die Verliebte geh’n,
Wie rauscht der Fluß! die Hunde bellen,

60
Die Fenster fern erleuchtet steh’n.


Nun bist Du frei von Deinen Sünden,
Die Lieb’ zog triumphirend ein,
Du wirst noch hohe Gnade finden,
Die Seele geht im Hafen ein. –

65
Der Liebste war ein Jäger worden,

Der Morgen schien so rosenroth,
Da blies er lustig auf dem Horne,
Blies immerfort in seiner Noth.