Der armen Schönheit Lebenslauf.
Die arme Schönheit irrt auf Erden,
So lieblich Wetter draußen ist,
Möcht’ gern recht viel gesehen werden,
Weil jeder sie so freundlich grüßt.
Sich wie auf großes Glück besinnt,
Die Seele fühlt sich recht erbauet,
Wie wenn der Frühling neu beginnt.
Da sieht sie viele schöne Knaben,
Möcht’ manchen gern im Arme haben,
Hüt’ Dich, hüt’ Dich, Du armes Kind!
Da zieh’n manch’ redliche Gesellen,
Die sagen: Hast nicht Geld noch Haus,
Wir haben nichts zum Hochzeitsschmauß.
Von andern thut sie sich wegdrehen,
Weil keiner ihr so wohl gefällt,
Die müssen traurig weitergehen,
Da sagt sie: Was hilft mir mein Sehen,
Ich wünscht’, ich wäre lieber blind,
Da alle furchtsam von mir gehen,
Weil gar so schön mein’ Augen sind. –
Joseph von Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Vereinsbuchhandlung, Berlin 1826, Seite 270. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_dem_Leben_eines_Taugenichts_und_das_Marmorbild.djvu/274&oldid=- (Version vom 31.7.2018)