Der arme Musikant auf dem Schauenforst

Textdaten
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Autor: Johann Georg Theodor Grässe
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Titel: Der arme Musikant auf dem Schauenforst
Untertitel:
aus: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 2. Anhang: Die Sagen des Herzogthums Sachsen-Altenburg, S. 409–412
Herausgeber:
Auflage: Zweite verbesserte und vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Schönfeld
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Erscheinungsort: Dresden
Übersetzer:
Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Google-USA* und Commons
Kurzbeschreibung:
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[409]
105) Der arme Musikant auf dem Schauenforst.
Nach Greß a. a. O. S. 126 fg.

Es war einmal ein armer Musikant, der hieß Waldsachs, [410] gesucht und bekannt im ganzen Hexengrunde wegen seiner Fidel, mit der er an allen Kirchweihen, Erntefesten und Feiertagen den jungen Burschen und Mädchen zum Tanze aufspielte. Allein er verstand auch manche ernste, traurige Weisen und Lieder aufzuspielen, die dem Menschen zu Herzen gehen, und solche trübselige Melodieen spielte er eigentlich noch lieber als lustiges Zeug.

Da hatte er denn auch wieder einmal an einem zweiten Pfingstfeiertag in einem Dorfe bei Orlamünde zum Tanze aufgespielt und als der Tanz zu Ende war, ging er schon tief in der Nacht mit zwei Kameraden heim. Allein vorher beschlossen sie, erst noch hinauf auf den Schauenforst zu steigen und sich droben vom weißen Fräulein Gold und Wein zu holen. Denn sie hatten gehört, daß sie gerade in dieser Nacht denen, die da Muth hätten sie zu besuchen, gnädig sei und sie gern mit ihren Gaben beschenke. So stiegen denn die drei jungen Burschen keck und muthig den Berg hinan, geraden Weges auf die alte Burg zu, die im Mondenlicht flimmernd herabglänzte. Je näher sie aber dem alten Bau kamen, desto ängstlicher wurden die beiden Gefährten des Waldsachs. Es schien ihnen, als lugten bärtige Gesichter aus den zerfallenen Fenstern und als funkelte aus dem Innern heller Kerzenglanz, und wie die Wipfel der alten Bäume so geheimnißvoll über ihnen rauschten und ihre Schritte so hohl klangen und ihre Schatten so lang wurden, da litt es sie nicht länger, sie nahmen die Beine unter den Arm und jagten pfeilschnell wieder den Berg hinab. Waldsachs aber schritt unerschrocken dem alten Baue zu und trat furchtlos in den Burghof, aber wie geblendet stand er da, als er den ganzen Raum von tausend Kerzen prächtig erhellt und ringsum in der luftigen Halle reichgeschmückte Ritter und Edelfrauen in alterthümlicher, längst verschollener Tracht an herrlich besetzten Tischen sitzen sah. Doch bald faßte er sich wieder, zog schnell seine Geige hervor und spielte den seltsamen Gästen einen muntern lustigen Tanz auf, also daß die Edelfrauen und Ritter sich nach dem fremden Spieler umschauten und ihm freundlich zunickten. [411] Als er aber geendet hatte, da trat mitten aus der Gesellschaft das weiße Fräulein hervor, welches er bis jetzt noch nicht bemerkt hatte, den weißen Schleier hatte sie zurückgeschlagen und schaute ihn so wundersam mit ihren blitzenden Zauberaugen an, daß ihm schier die Sinne vergingen und er kaum sah, daß sie ihm auf silberner Schale umgeben von Goldmünzen einen goldnen Becher voll funkelnden, duftigen Weines darreichte. Doch er ermannte sich, ergriff hastig den Becher und trank ihn mit langen, durstigen Zügen aus bis auf den Grund und setzte ihn dann wieder sich tief verneigend auf die silberne Schale nieder.

Da mit einem Male durchströmte ihn ein nie gekanntes Feuer, er glaubte sich in unbekannte Welten versetzt, er sah nur noch die sinnbethörenden Augen des weißen Fräuleins und sank dann betäubt nieder auf den grünen, weichen Moosboden des Burghofes. Als er aber am andern Morgen erwachte, da bewieß ihm die neben ihm stehende silberne Schale mit den funkelnden Goldmünzen, daß er nicht geträumt hatte. Aber es widerstand ihm in sein Heimathdörfchen zurückzukehren, es trieb ihn hinaus in die Ferne, und er zog mit seiner Fidel auf und davon und wanderte durch Fluren und Wälder, über Berg und Thal und suchte das Fräulein, die ihn bezaubert hatte, allein ob er wohl manches Land durchzogen hatte und manche Jahre über ihn dahin gerauscht waren, er fand keine Ruhe. Da kam aber plötzlich Heimweh über ihn und Sehnsucht nach dem alten Gemäuer des Schauenforstes, und so wanderte er denn wieder manchen lieben Tag, bis er die einsame Ruine wieder im Abenddämmerscheine herabglänzen sah, er klomm hinan und als er in den Burghof trat und das Fräulein nicht fand, da legte er sich matt und müde und bekümmerten Herzens nieder in das grüne weiche Moos und entschlief, das weiße Fräulein aber erschien ihm im Traume gerade so wie er sie in jener Pfingstnacht erblickt hatte, nahm ihn in ihren Arm und sprach: „Du guter Gesell, ruhe Dich aus von Deiner langen Irrfahrt, ich habe Dich längst erwartet.“ Er erwachte nicht wieder. Am nächsten [412] Morgen aber fanden ihn Leute aus dem Dorfe eingeschlafen zum ewigen Schlafe und sagten sich: „das ist ja der Waldsachs, der damals nicht wieder kam und der längst vergessen war“ und sie begruben den Heimathlosen auf dem stillen Friedhofe des Dörfchens.