Textdaten
Autor: unbekannt
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Der alte Gaul
Untertitel:
aus: Die Blütezeit der deutschen politischen Lyrik von 1840 bis 1850, S. 488–489
Herausgeber: Christian Petzet
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum: ca. 1843
Erscheinungsdatum: 1903
Verlag: Lehmann
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: München
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google-USA* und Commons
Kurzbeschreibung:
Erstdruck ohne Autorenangabe in: Hermann Marggraff: „Liederbuch des deutschen Michel“. Leipzig 1843 Google.
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]


[488]
Der alte Gaul.


O armer Gaul aus edlem Sproß,
Wie bist du zugeritten!
Wie hast du, einst ein Feuerroß,
So ruhig dies gelitten!

5
Du warst so kräftig einst und frei

Und liefest auf den Wiesen;
Man durft’ dich nicht in Sklaverei
In einem Stall verschließen.

Du trugst den einen Reiter nur,

10
Den du erwählt zum Reiten;

Er konnte blos dich durch die Flur
Mit sanftem Zügel leiten.

Wenn er mit Sporen dich verletzt
Und dich im Sattel drückte,

15
So hast du gleich ihn abgesetzt,

Eh’ es ihm zweimal glückte.

Jetzt spornt und schlägt und hetzt man dich
Und du gehst ruhig weiter
Und trägst, seitdem der eine wich,

20
Nun sechsunddreißig Reiter.


Ein jeder hat an dich jetzt Recht
Und übt es aus mit Prügeln
Und hält für dich noch manchen Knecht,
Um tüchtig dich zu striegeln.

25
Sie sperrten dich im Stalle ein

Und lassen dich bewachen,
Damit dich nicht der Sonne Schein
Zu kräftig möge machen.

Nur wenn einmal ein Fremder naht,

30
Führt man dich vor aus Gnade,

Man legt dir auf den besten Staat
Und macht mit dir Parade.

Man wirft dir etwas Hafer vor –
Doch weit von deiner Nase –

35
Und flüstert schmeichelnd dir ins Ohr,

Du seist von edler Race.

O guter Gott! wie trägst du steif
Den Kopf dann in die Höhe!
Wie schlägst du mutig mit dem Schweif,

40
Damit’s der Fremde sehe!


Wie grüß’st du wiehernd deinen Herrn,
Den größten von den vielen,
Wenn er sich lächelnd naht von fern,
Einmal mit dir zu spielen!

45
Er nimmt dir deine Kette ab,

Läßt stolz den Schweif dir winden,
Um gleich nach dem Paradetrab
Dich fester nur zu binden.

Er hüb’ sich gern allein zum Herrn,

50
Um recht dich zu bepacken.

Und drückte seinen Adler gern
Dir auf die Hinterbacken.

O steh nicht ruhig wie ein Schaf,
Laß dich nicht mehr besteigen;

55
Sie wollen mit dem Alaaf[1]

Dir nur den Hafer zeigen.

Man wird dich, daß du besser trägst,
Allmählich englisiren
Und dir den Schweif, womit du schlägst,

60
Auf polnisch kurz coupiren.


Dann läßt man dich – denn du bist doch
Zu frei noch im Bewegen –
Von dem Kosakenhengste noch
Am Ende gar belegen.

65
O armer Gaul! O armer Gaul!

Wie kamst du in die Falle!
Zerreiß die Ketten mit dem Maul
Und fliehe aus dem Stalle!

Noch ist es Zeit, sie werden bald

70
Das Maul dir ganz verbinden,

Um leicht dich, ohne viel Gewalt,
Lebendig dann zu schinden.

Anmerkung des Herausgebers

  1. Niederdeutsch, für „hoch auf!“

[489] Dieses Gedicht war nach einer Erklärung der Redaktion der „Sächsischen Vaterlandsblätter“ anfänglich dieser Zeitschrift angeboten, aus ungenannten Gründen aber nicht dort an die Öffentlichkeit gelangt.[WS 1] Die Autorschaft wird von dem genannten Organ „einem süddeutschen bekannten Dichter“ zugeschrieben: daß damit Uhland[WS 2] gemeint sein konnte, wie mehrfach angenommen wurde, ist unseres Erachtens unzutreffend. Die dem ungenannten Verfasser von den „Sächsischen Vaterlandsblättern“ zugeschriebenen späteren poetischen Veröffentlichungen bezeugen ebensowenig den Geist des schwäbischen Dichters.

Anmerkungen (Wikisource)

Das wohl 1843 entstandene Gedicht thematisiert die Repression im deutschen Vormärz. Der Gaul meint die deutschen Bürger, die früher nur einen Herrn (Vers 9), nämlich den Kaiser hatten, nun aber von 36 Fürsten (gemeint ist der Deutsche Bund) beherrscht werden (Vers 20). Der größte (Vers 42) ist der König von Preußen.

Möglicherweise spielt Vers 58 (englisieren) auf den Hannoverschen Verfassungskonflikt an. Theodor Oelckers verwendete 1847 den Anfang des Gedichts als Motto seines Kapitels über diese Auseinandersetzung: Google.

  1. Siehe auch die Notiz im Vorwärts!, die sich auf den ersten Jahrgang 1843 bezieht Google
  2. Ludwig Uhland