Der Zuger See in der Schweiz

CCCLXXXIX. Das Lauterbrunnenthal in den Berner Alpen (Schweiz) Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band (1842) von Joseph Meyer
CCCXC. Der Zuger See in der Schweiz
CCCXCI. Tetuan in Marocco
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ZUF AM ZUGER SEE
in der Schweiz

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CCCXC. Der Zuger See in der Schweiz.




Dreimal heilig ist mir Zug’s stille, klare Fluth: denn Tell’s That ward auf ihr geboren und sein Kirchlein steht an ihrem Ufer. Seitdem die Geistersonne der Freiheit ihre ersten Aufgangsstrahlen blutigroth über Zug’s Gewässer geworfen hat, seitdem ist sie höher und immer höher gegen den Zenith heraufgestiegen. Schon leuchtet sie vielen Völkern, schon spiegelt sie ihr Bild in vielen Meeren, und in mehr als einem Welttheile schimmert’s auf den Auen im Morgenthau. Darum sey gepriesen, o See, an dem die Freiheit die ältesten Jubelfeste feiert.

Der Zugersee ist unter den bekannteren schweizer Wasserbecken der Alpen der kleinste. Er ist vom Vierwaldstädter See nur durch eine sehr schmale Landzunge geschieden. Weil er überall von hohen Gebirgen eingeschlossen ist, so hat er was Düsteres, Schwermüthiges in seinem Wesen. Nur bei’m Städtchen Zug, an der Nordseite, wird die Landschaft heiterer. Der Canton, dem er den Namen gibt, gehört zu den ältesten der Schweiz. Er ist der kleinste von allen: denn 6 Quadratmeilen groß, bleiben ihm, da davon der See 4 einnimmt, nur 2 Geviertmeilen [52] Land übrig. Gleichwohl hat das kleine, streng demokratische Gemeinwesen schon ein Halbjahrtausend fest bestanden, und die Menschen, meistens Alpenhirten, leben hier, bei großer Einfalt der Sitten und von Abgaben nicht bedrückt, glücklich und zufrieden.

Von dem Zugersee steigt der 7000 Fuß hohe Rigi steil empor. Es wird dieser Berg jährlich von 30 bis 60,000 Reisenden besucht, und die Fahrt auf seinen Gipfel knüpft sich mit einer auf dem See gewöhnlich zusammen. Der Weg geht vom Ufer fast treppenartig aufwärts, unter dichtem Waldschatten hin. Im Sommer ist er herrlich! Dann überall rieselnde Quellen, duftende Blumen und schmetternder Vögelgesang. Herkömmlicher Weise rasten die Rigiwanderer, die vom See her aufsteigen, unterhalb der Kuppe am Kapuzinerkloster, wo nicht weniger als 5 Wirthshäuser stehen, und vollenden den Weg nach dem Rigi-Kulm, d. h. der höchsten Spitze des Bergs, am andern Morgen, ehe der Tag graut, bei’m Geleite einer Laterne, um vor Sonnenaufgang oben zu seyn. Hat man den rechten Augenblick zur Abfahrt gewählt, und das Glück, einen hellen Morgen zu treffen, dann sieht man bald nach der Ankunft oben den letzten Schleier der Dämmerung sinken, und zwischen den weißen Nebelfloren in Osten die ersten goldnen Strahlen des jungen Tages zucken. Glänzende Rosengluth überzieht allmählig Berg und Thal. – Wohl Dir, wenn Dich nicht, wie es leider! meist der Fall ist, der Lärm und der schale Witz roher Gesellen stört, und Du die majestätische Herrlichkeit des Sonnenaufgange in Gemeinschaft der großen Natur in stiller Andacht mitfeiern kannst. Schöner sieht man das prächtige Schauspiel von keinem Punkte der Erde.

Folgt dann die Helle des Tage, so entzückt Dich eine unermeßliche Aussicht. Du siehst die Hochalpen der Schweiz im weiten Halbzirkel, der fast zwei Drittheile des ganzen Horizonts einnimmt. Alle ihre Häupter strahlen, wie in Glorien. Dann die zwölf blauen Seen in der Tiefe. Nordwärts ist Hügelland, mit prangenden Auen, Feldern und Wäldern, mit vielen Strömen, Städten, Flecken und Dörfern, den tausend Weilern, den Schlössern und Burgen: – Alles ist so klar, man hat das weite Land wie eine kolorirte Reliefkarte vor sich. Der Jura, die Vogesen, der Schwarzwald bilden den Rahmen auf dieser Seite. Das Ganze ist ein Panorama, an Umfang ungeheuer, an Herrlichkeit unaussprechlich. –

Unterm Kulm steht ein Wirthshaus; dahin zieht die Wandererschaar zum Frühstück, wenn die gesättigte Seele dem Körper sein Stimmrecht gönnt. Das Haus ist weit; doch kann es oft die Menge nur zum kleinsten Theile fassen. Vom Kulmwirthshause neigt sich der Weg allmählig und anmuthig unter der mannichfaltigsten Aussicht 3 Stunden lang hinab zum See, wo stets Nachen der Kommenden harren, um sie nach einer der vier Waldstädte zu rudern, oder an der Landzunge zu landen, von wo der Weg, an Tell’s Kapelle vorbei, zurück nach Zug führt.