Textdaten
Autor: Benedikt Josef von Koller
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Titel: Der Zauberstein
Untertitel: Eine Posse in einem Aufzuge. Vierte Fortsetzung der beiden Billets
aus: Dramatische Beiträge, Seite 249–298
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Erscheinungsdatum: 1804
Verlag: Blothe
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Erscheinungsort: Osnabrück
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Quelle: Google = Commons
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[Ξ]
Der Zauberstein.
Eine
Posse in einem Aufzuge.

Vierte Fortsetzung der beiden Billets.



[Ξ]


Die Idee zu dieser kleinen dramatischen Tändelei hat der Verfasser aus dem zweiten Theile der – Schaubühnen englischer und französischer Komödianten; Oktav, Frankfurt am Mayn 1670, bei Joh. Georg Schiele – entlehnt. In diesem genannten Theile findet sich ein Stückchen, welches den Titel führt: Lustiges Pickelhärings-Spiel, darinnen er mit einem Stein gar lustige Possen macht.[WS 1] – Wem die alte Posse etwa einmal in die Hände fällt, möge die neue damit vergleichen. –



[Ξ]
Personen.


Röschen.
Görge.
Schnaps.
Ein Knabe.



[Ξ]
Erster Auftritt.
Scene: Laube.
Görge allein. Er geht in der Laube unruhig umher, schüttelt den Kopf, und sagt endlich:

Nein, das ist zu arg. – Etwas muß man den Weibern immer nachsehen, das ist nicht mehr, als billig; aber was zu viel ist, ist zu viel. – Lieber Schnaps! hat Röschen im Traume gesagt, zwei- dreimal gesagt, und das in einem Tone, der einem Ehemanne nothwendig verdächtig seyn muß. – Lieber Schnaps! – Wenn ich’s nicht selber gehört hätte, so würde ich sagen: Es ist eine alberne Lüge. – Es ist aber leider! nur zu wahr: Sie liebt ihn. Wie’s nur möglich [254] ist, den häßlichen Popanz zu lieben, wenn man mich gegen ihn vergleicht! – Aber so sind die Weiber. Wer ihnen nur schmeicheln, und nach dem Munde reden kann, der ist ihnen lieb, und lieber noch, als der schönste und brävste Mann. – Und ich hatte sie lieb, habe sie noch so lieb, und auch Röschen hatte mich lieb; wir waren beide so einig, so zufrieden und glücklich: und nun auf einmal – Es ist nicht möglich! Auf einmal erlischt die Liebe nicht so ohne alle Ursache – auf einmal wird kein Weib ihrem Manne untreu. Er müßte sie nach und nach verführt haben; und da hätt’ ich doch auch Etwas davon merken müssen. Nein, das ist nicht geschehen. – Aber, Görge! könnte das alles nicht leere Einbildung von dir seyn? Wer weiß, warum sie „lieber Schnaps!“ gesagt hat? – Dahinter kommen möcht’ ich freilich –. Da fällt mir eben bei, was der Schäfer Martin letzten Sonntag in der Schenke gesagt hat. Er wüßte ein Mittel, sagte er, zu erfahren, ob die Weiber treu sind, oder nicht. Gut; ich will zu ihm [255] hingehen – ich will ihm das Kunststückchen abkaufen, damit ich weiß, wie ich mit Röschen daran bin. – Still, Görge! Sie kommt. Erst will ich versuchen, ob ich’s nicht von ihr selber herauskriege, was an der Sache ist. Ich will nun ein recht ehemännisch verdrüßliches Gesicht machen.


Zweiter Auftritt.
Görge. Röschen.

Röschen. Hier, lieber Görge, hast du das Frühstück.

Görge. Ich bin schon satt.

Röschen. Wovon denn?

Görge. Von der Morgenluft.

Röschen. Du scherzest.

Görge. Nein.

Röschen. Wie soll ich denn deine Antwort verstehen?

Görge. Wie du willst.

Röschen. Wie kommst du mir vor?

[256] Görge. Das gilt mir gleich, wie ich dir vorkomme.

Röschen. Du bist nicht aufgeräumt, wie ich merke?

Görge. Ich hab’ auch nicht Ursache dazu. –

Röschen. Was hat dich denn so mißlaunisch gemacht?

Görge. Was? – Und du kannst noch fragen?

Röschen. Wie soll ich’s denn wissen? Es war ja diesen Morgen noch Niemand bei dir, der dich hätte ärgern können. Hast du etwa unruhig geschlafen?

Görge. Kann seyn.

Röschen. Hast du böse Träume gehabt?

Görge. Sehr böse.

Röschen. Komm, setze dich auf den Rasen hier neben mich, und erzähle, wovon dir geträumt hat. Ich will es dann auch thun. –

Görge (ohne sich zu setzen). Wovon? – Soll ich’s sagen?

Röschen. Ja, lieber Görge!

[257] Görge (spöttisch). Lieber Görge! – Ich will nicht mehr „lieber Görge“ heißen.

Röschen. Was das für eine Rede ist!

Görge. Ich will nun nicht.

Röschen. Warum denn?

Görge. Darum.

Röschen. Das ist keine Antwort.

Görge. Ich will nicht mehr lieber Görge heißen, weil –

Röschen. Nun, heraus damit.

Görge. Weil –

Röschen. Siehst du, daß du keine vernünftige Ursache weißt?

Görge. Weil mir vom „lieben Schnaps“ geträumt hat. –

Röschen. Nun begreif’ ich, nun ist mir alles klar.

Görge. Was ist klar?

Röschen. Daß du nicht recht gescheidt bist. –

Görge. So? Und warum ist das klar?

Röschen. Weil dich die Eifersucht plagt.

Görge. Aber warum plagt sie mich?

[258] Röschen. Vermuthlich darum, weil ich von Schnaps geträumt habe.

Görge. Und wie geträumt?

Röschen. Wahrscheinlich etwas lebhaft, und laut.

Görge. „Lieber Schnaps“ hast du ihn genannt.

Röschen. Nun denn –?

Görge. Und nun?

Röschen. Was ist’s darum?

Görge. Was es darum ist?

Röschen. Ja; und darüber bist du eifersüchtig?

Görge. Wenn ich’s bin, so ist’s ein Beweis, daß ich dich noch liebe.

Röschen. Eifersucht ist Thorheit.

Görge. Also schiltst du mich einen Thoren?

Röschen. Wenn du eifersüchtig bist.

Görge. Ich will’s nun einmal nicht haben, daß du von Schnaps träumen sollst. Hast du etwa schon vergessen, daß ich das Recht habe, dir zu befehlen?

Röschen. Du mir?

[259] Görge. Hat der Herr Pfarrer nicht gesagt: Und er soll dein Herr seyn?

Röschen. Der Herr Pfarrer habe gesagt, was er wolle; das Träumen laß ich mir nicht verbieten. Das ist noch eine der größten Freuden des Lebens. Laß dir nur sagen, Görge, was mir Schnaps für Vergnügen im Traume gemacht hat. Wahrlich, das wird er wachend nimmermehr.

Görge. Ich verbiete dir, noch ein Wort von Schnaps zu reden; nicht einmal an ihn denken sollst du.

Röschen. Verbieten? Mir verbieten! Nun gerade nicht. Nun will ich nicht nur an Schnaps denken, nicht nur von Schnaps träumen, sondern dir zum Possen gegen Schnaps freundlich seyn, mit Schnaps reden, mit Schnaps lachen, scherzen, wann, und wo, und so oft ich kann.

Görge. Seht doch den Trotzkopf an. (Für sich): Ich muß wahrhaftig andere Saiten aufziehen. – Sieh! liebes Röschen! du hast die Hausthüre offen gelassen. Sey so gut, und schließe sie.

[260] Röschen. Du hast eben so weit hin, als ich.

Görge. Schließe sie, ich bitte dich.

Röschen. Jetzt nicht. Du hast mich böse gemacht.

Görge. Was das eine Halsstarrigkeit ist! – Hör’, Röschen! willst du’s eingehen, daß der die Thüre zumache, der zuerst von uns ein Wort redet?

Röschen. Ich bin’s zufrieden.

Görge. Nun, so komm’, laß uns mit einander das Frühstück einnehmen. Wenn wir beide sitzen: so gilt’s. (Sie setzen sich).


Dritter Auftritt.
Vorige. Schnaps.

Schnaps. Guten Tag, Frau Nachbarinn! Guten Tag, Herr Nachbar!

Röschen (nickt freundlich mit dem Kopfe).

Görge (sieht gar nicht auf).

Schnaps. Wie soll ich das verstehen? Seyd ihr Beide stumm geworden? Wenn [261] Bildsäulen äßen, so würd’ ich sie für Bildsäulen ansehen. Görge! –

Görge (macht eine unwillige Bewegung).

Schnaps. Hu! – Das ist, so wahr ich lebe, die stille Wuth. – Röschen!

Röschen (bietet ihm pantomimisch einen Platz bei ihr an).

Schnaps. Sieh da! das ist ein zärtliches Stillschweigen. – Aber was soll ich davon denken? Was soll das bedeuten? – Was fehlt Euch? – – – Kein Wort? Keine Silbe? – Nun denn – ich will doch sehen, ob ich ihm die Zunge nicht lösen kann. (Er küßt Röschen).

Görge (fährt hastig auf). Halt!

Röschen. Du hast verloren. Du mußt die Thüre schließen.

Görge. Jetzt ist nicht vom Schließen, sondern vom Küssen die Rede. Sogar vor meinen Augen geschieht das! Nun will ich wissen, wie ich daran bin. Zum Schäfer Martin will ich gehen, um zu erfahren, wie Ihr’s treibt. – Ja, seht mich nur an; macht nur große Augen. Das Zauberstückchen [262] will ich von ihm lernen, und sollt’s mich die beste Kuh kosten. Erfahre ich’s dann, daß Ihr mit einander unter dem Hütchen spielt, so – so laß ich mich scheiden von dir. (Geht ab).


Vierter Auftritt.
Röschen. Schnaps.

Röschen. Görge! Görge! So höre doch; so laß dir nur sagen –

Schnaps. So viel tolles Zeug in so kurzer Zeit hab’ ich mein Lebtag nicht gehört.

Röschen. Gott weiß, was er anfängt; ich will ihm nach.

Schnaps. Nicht doch, Frau Nachbarinn! Laß Sie ihn nur gehen.

Röschen. Zum Schäfer Martin will er gehen?

Schnaps. Martin ist heute den ganzen Tag nicht zu Hause; er hat Schaaf-Schur. – Hm! hm! Was hab’ ich da für eine Entdeckung gemacht! – Also eifersüchtig ist [263] Görge? Und wir Zwei sollen unterm Hütchen spielen? Das ist ein sehr drolligter Einfall. Der Verdacht macht mir viel Ehre. – Mir ist’s nur leid, daß ich so unschuldig dazu komme.

Röschen. Der verwünschte Traum! – Der Traum allein ist daran Schuld.

Schnaps. Traum! Welcher Traum?

Röschen. Von Ihm.

Schnaps. Von mir?

Röschen. Ja doch; von Ihm.

Schnaps. Wie! Röschen hat von mir geträumt?

Röschen. Und laut mit Ihm gesprochen.

Schnaps. Gesprochen?

Röschen. Und Ihn „lieber Schnaps“ genannt.

Schnaps. Lieber Schnaps!

Röschen. Und darüber ist Görge nun eifersüchtig geworden.

Schnaps. Lieber Schnaps! Das ist schön, mein liebes Röschen! Ich hoffe, Sie wird’s doch wachend nicht bereuen, daß Sie mich im Traume so genannt hat?

[264] Röschen. Bereuen eben nicht; aber sich darauf etwas zu gute thun, darf Er auch nicht. Vater Märten ist mir heute Nacht im Traume erschienen, und sagte zu mir: Röschen, gutes Röschen, vergib dem armen Schelm – und damit hat er Ihn gemeynt – und da sagt’ ich aus christlicher Gutherzigkeit: Ich vergebe dir, lieber Schnaps.

Schnaps. Ich denke, diese Verzeihung verdient zu haben. Wer weiß mir, seit der letzten Geschichte mit dem Baron von Lilienstein, etwas Böses nachzureden? Wenn ich nur ein Mittel wüßte, meine ehemaligen Unbesonnenheiten den Leuten aus dem Kopf zu bringen!

Röschen. Ich wollte, daß Er ein Mittel wüßte, wie Görge von seiner Eifersucht zu heilen wäre.

Schnaps. Ein Mittel? –

Röschen. Dann wollt ich Ihn auch wachend „lieber Schnaps“ nennen, wenn Er’s gern von mir hört.

Schnaps. Freilich hör’ ich’s gern, mein liebes Röschen! – Ein Mittel also wider [265] die Eifersucht! Hm! hm! Eifersucht ist zwar eine innerliche Krankheit, und gehört also eigentlich nicht in mein Fach. Doch –

Röschen. Was doch –?

Schnaps. Doch, wollt’ ich sagen, ist meine Praxis groß genug, um –

Röschen (in die Rede fallend). Mir fällt was ein.

Schnaps. Was denn?

Röschen. Das würde ihn wohl am ersten heilen.

Schnaps. Nun?

Röschen. Ja, den Spuck soll Er mir ausführen helfen.

Schnaps. Welchen Spuck?

Röschen. Wir wollen Görgen zum Besten haben.

Schnaps. Recht so.

Röschen. Er soll sich in den Schäfer Martin verkleiden.

Schnaps. Ich?

Röschen. Ja; und wenn nun Görge kommt, und will das Zauberstückchen von Ihm lernen, so soll Er ihm –

[266] Schnaps. Ich verstehe. Schon gut. Wart’ nur, du eifersüchtiger Görge! ich will dich zaubern lehren.

Röschen. Wir dürfen nicht säumen. Daß Martin heute nicht zu Hause ist, kommt uns gut zu Statten.

Schnaps. Der nächste beste Junge, den wir antreffen, soll sich Görgen nachschleichen, und ihn zu der Höhle führen, die im Wäldchen dort oben unweit Martins Hütte ist.

Röschen. Aber wie will Er sich vermummen?

Schnaps. Dafür laß Sie mich nur sorgen. Hahaha! den will ich in’s Bockshorn jagen. – Weiß Sie auch, daß ich donnern und blitzen kann?

Röschen. Desto besser.

Schnaps. Das hab’ ich nämlich unlängst von den Schauspielern in der Stadt gelernt.

Röschen. Das ist gut. Aber nun geschwinde fort. Das Nähere wollen wir unter Wegs verabreden.

[267] Schnaps. Eben recht. Dort seh’ ich einen Jungen. He da! wart’ ein wenig; ich hab’ dir was zu sagen. (Sie gehen ab).


Fünfter Auftritt.
Scene: Wald; zur linken Seite eine Hütte, zur rechten eine Höhle.
Görge kommt langsam daher.

„Erst erwäg’s, dann wag’s,“ sagte der Schulmeister. Ich will ihm folgen. Thu’ ich wohl recht daran, ein Zauberstückchen lernen zu wollen? Könnte nicht der Böse sein Spiel dabei haben? Am Ende dürfte ich wohl so wenig wissen, als vorher! – Aber was will ich denn eigentlich wissen? Ob Röschen mir treu ist? Das ist’s. – Aber sie hat’s doch sonst so redlich mit dir gemeynt! Freilich; doch „lieber Schnaps“ soll sie nicht sagen, auch nicht einmal im Traume sagen. – Warum sie aber das sagt, muß doch eine Ursache haben, und diese will ich wissen, darf ich, muß ich wissen. – [268] Hier wohnt Martin. Die Thüre ist verschlossen. — He! ist Niemand zu Hause?


Sechster Auftritt.
Görge. Der Knabe.

Knabe. Ihr wollt zum Schäfer Martin?

Görge. Ja.

Knabe. Er ist nicht zu Hause.

Görge. Weißt du, wo ich ihn finde?

Knabe. Ich werde Euch zu ihm führen. Dazu bin ich von Martin bestellt worden.

Görge. Wo ist er denn?

Knabe. Nicht weit von hier. Folgt mir nur. Aber Ihr müßt Euch der Bedingung unterwerfen, unter der man nur allein zu ihm kommen kann.

Görge. Welcher Bedingung?

Knabe. Daß Ihr Euch die Augen verbinden lasset.

Görge. Wozu das?

Knabe. Weil Ihr sonst das Schreckliche, [269] das Euch aufstoßen wird, nicht ertragen könntet.

Görge. Das Schreckliche? – Nun, es sey. Es wird das Leben nicht kosten.

Knabe. Gebt mir ein Tuch, daß ich’s Euch über die Augen binde.

Görge. Hier. –

Knabe. Gut. – Nun will ich Euch führen. Kommt. (Sie gehen ab).


Siebenter Auftritt.
Röschen. Schnaps.

Röschen (ganz weiß gekleidet, eine Laterne in der Hand). Da geht er hin.

Schnaps (in einem schwarzen Kleide, mit einer Blitz- und Donnermaschiene versehen). Nur zu, nur zu! Der Knabe mag ihn so lange in der Irre herumführen, bis wir, ihn zu empfangen, gehörig vorbereitet sind.

Röschen. Nun sag’ Er mir, wie Er’s ausgedacht hat, und was ich dabei thun und sagen soll.

[270] Schnaps. Ich bin der Teufels-Meister Martin.

Röschen. Wird Ihn Görge aber auch dafür halten?

Schnaps. Dafür ist gesorgt. Der Wald ist schon an sich finster genug; überdies soll noch dieser Flor mein Gesicht verhüllen.

Röschen. Ich fürcht’ aber, Er wird sich durch die Stimme verrathen.

Schnaps. Ich steh’ Ihr gut dafür, Sie soll eher meynen, einen Bären brummen, als mich reden zu hören.

Röschen. Mach’ Er’s nur nicht gar zu schrecklich. Und nun, was weiter?

Schnaps. Ich bin also der Teufels-Meister, und Sie –

Röschen. Nun – was bin denn ich?

Schnaps. Sie ist mein dienstbarer Waldgeist.

Röschen. Ich ein Waldgeist? Hu! Er macht, daß ich mich vor mir selber fürchte.

Schnaps. Sie verbirgt sich in diese Höhle.

Röschen. Wozu?

[271] Schnaps. Nimmt die Laterne, die Donner- und Blitzmaschine mit sich.

Röschen. Nun begreif’ ich.

Schnaps. Wenn Görge sich der Höhle naht, dann bricht Sie mit dem Donnerwetter los. –

Röschen. Darauf erschein’ ich als Geist.

Schnaps. Aber nicht eher, als bis ich dreimal gerufen habe.

Röschen. Dann soll mir Görge die drei Fragen beantworten, die Er mir unter Wegs eingelernt hat.

Schnaps. Gut. – Ich höre Fußtritte im Laube rauschen. Richtig; der Knabe führt ihn daher. Nun geschwind auf den Posten.

Röschen. Mach’ Er seine Sache gut, Herr Teufels-Meister! (Ab in die Höhle).

Schnaps. Gleichfalls, mein lieber Waldgeist!

[272]
Achter Auftritt.
Schnaps. Görge. Der Knabe.

Knabe. Nun sind wir an Ort und Stelle.

Görge. Meister Martin, seyd Ihr hier?

Knabe. Stille! Er kann Euch nicht antworten, weil er so eben die Geister zitirt.

Görge. Laßt mir doch die Binde von den Augen nehmen, daß ich sehe, wo ich bin, und was vorgeht.

Knabe. Wenn Ihr nur vor Entsetzen nicht in Ohnmacht fallet.

Görge. Ach nein; ich kann mit offnen Augen gewiß nicht mehrere Teufel sehen, als ich jetzt sehe. Nimm mir die Binde ab, Junge!

Knabe. Meister Martin hat es durch einen Wink bewilligt. (Nimmt ihm die Binde ab). Nun seht Euch um. Ich verlasse Euch. (Ab).

[273]
Neunter Auftritt.
Schnaps. Görge.

Görge (sieht sich sorgsam um). Wo bin ich! – Ha! da ist er. Willkommen, Meister Martin! (Will zu ihm).

Schnaps. Zurück.

Görge. Warum?

Schnaps. Alles, was in diesem Zirkel sich befindet, ist in der Macht des Teufels.

Görge. So? – Ich will doch aus Neugierde meinen Hut daran setzen, um zu sehen, ob es wahr ist. (Wirft seinen Hut in den Zirkel). Seht! er läßt ihn liegen.

Schnaps. Traut seinen Tücken nicht. Er will Euch dadurch, daß er den Hut nicht zerreißt, nur sicher machen, um Euch selbst in den Zirkel zu locken.

Görge. Man höre doch, wie politisch der Teufel ist.

Schnaps. Geht drei Schritte rückwärts, und sagt, was euer Begehren ist.

Görge. Ihr kennt meine Frau?

[274] Schnaps. Wohl.

Görge. Ihr kennt auch den Barbier Schnaps?

Schnaps. Ja.

Görge. Ihr wißt, daß mein Röschen nicht häßlich ist?

Schnaps. Ich weiß es.

Görge. Ihr wißt auch, daß Schnaps ein Erzschelm ist?

Schnaps. Der gute Mann hat seine Feinde.

Görge. Mein Röschen scheint nicht zu seinen Feinden zu gehören.

Schnaps. Desto besser.

Görge. Desto schlimmer. Ich fürchte, das Lumpengesinde halte zusammen.

Schnaps. Habt Ihr Beweise?

Görge. So halb und halb. Röschen hat ihn des Nachts im Traume „lieber Schnaps“ genannt.

Schnaps. Das ist bedenklich.

Görge. Freilich. Nun fiel mir ein, was Ihr am letzten Sonntage sagtet.

Schnaps. Was sagt’ ich?

[275] Görge. Ihr wüßtet ein Mittel, zu erfahren, ob die Weiber treu sind, oder nicht.

Schnaps. Ganz recht.

Görge. Ich bin darum gekommen, um das Kunststückchen von Euch zu lernen.

Schnaps. Ich bin bereit, Euch zu dienen, und zwar unentgeldlich, mit der einzigen Bedingung, daß Ihr das, was ich Euch lehren werde, keinem Andern mittheilt.

Görge. Ich verspreche, es ganz für mich zu behalten.

Schnaps. Seht Ihr dort die Höhle?

Görge. Ich sehe sie.

Schnaps. Drei Schritte einwärts werdet Ihr einen Stein finden.

Görge. Was soll ich mit dem Steine?

Schnaps. Den nehmt; und so oft Ihr ihn auf die linke Schulter legt, so werdet Ihr allezeit die Gestalt erhalten, die Ihr Euch wünschet.

Görge. Vortrefflich! Ich werde mich damit also auch in den Schnaps verwandeln können?

Schnaps. In wen Ihr wollt.

[276] Görge. Nun wartet; ich will Euch dahinter kommen. – Ich hole den Stein. (Donner und Blitz schreckt ihn am Eingange zurück). Was ist das?

Schnaps. Faßt Euch. Ich verstehe das.

Görge. Was soll das bedeuten?

Schnaps. Das ist ein Zeichen, daß der Geist dieser Höhle selbst mit Euch sprechen will. –

Görge. Der Geist? Mit mir sprechen?

Schnaps. Nicht anders.

Görge. Könnt Ihr mir nicht vorläufig sagen, was er will?

Schnaps. Wir müssen ihn selbst hören. Gewöhnlich pflegt er denen, die mich in ihren Angelegenheiten besuchen, drei Fragen vorzulegen, die sie nach der strengsten Wahrheit beantworten müssen, wenn sie dieses Wäldchen wieder lebendig verlassen wollen.

Görge. Drei Fragen?

Schnaps. In eurer Wahl steht nur dieses noch, ganz leer, ohne den Zauberstein wieder abzuziehen, oder Euch der Beantwortung [277] dieser Fragen gewissenhaft zu unterziehen. Entscheidet.

Görge. Abziehen, ohne den Zauberstein – nein, das will ich nicht: aber den Geist sprechen, und mich von ihm examiniren lassen – das ist doch auch kein leichtes Stückchen. –

Schnaps. Habt Ihr gewählt?

Görge. Den Kopf, denk’ ich, wird es eben nicht kosten; und was ich weiß, kann ich ihm ja sagen; was ich nicht weiß, kann er auch nicht von mir begehren, wenn der Geist auch nur ein wenig billig ist. – Wißt ihr was, Meister Martin? Ich will’s wagen.

Schnaps. Macht Euch also gefaßt. – (Macht verschiedene phantastische Bewegungen). – Entriegelt euch, ihr Pforten der Ewigkeit; schweigt, ihr kämpfenden Elemente; hemmt euern Umschwung, ihr Sonnen und Planeten; und du, allbelebende Natur, feire den Augenblick, wo ein Wesen aus dem Unendlichen in das Endliche zurückkehrt. – Ihr Luftgeister, die ihr wie Mücken um mich hertanzet, traget meinen Machtruf in die Wohnungen jenseits, [278] und geleitet den Geist mit Gedankenschnelligkeit, in sterbliche Hülle gekleidet, vor den Eingang dieser Höhle. – (Abermals Bewegungen).

(Donner und Blitz).

Geist der Höhle, ich gebiete dir, erscheine!


Zehnter Auftritt.
Schnaps. Görge. Röschen.

Röschen bleibt am Eingange der Höhle stehen.

Schnaps. Geist der Höhle! ich gebiete dir, stehe.

Görge. Mir wird ganz wunderlich um’s Herz.

Schnaps. Geist der Höhle! ich gebiete dir, rede.

Röschen (in feierlich langsamer Sprache). Wer ist der Verwegene, der den Zauberstein verlangt?

Görge (sehr furchtsam). Ich; aber, lieber Geist, ich bitte dich –

[279] Röschen. Schweige! Alles, was du mir antwortest, sey: Ja oder Nein.

Görge (dumm nachsprechend). Ja oder nein.

Röschen. Liebst du dein Röschen?

Görge. Ja, aber –

Röschen. Schweig. – Liebst du sie allein?

Görge. Ich fürcht’, ich hab’ einen Gehülfen an Nachbar Schnaps.

Röschen. Liebst du ausser Röschen keine Andere?

Görge. Nein.

Röschen. Was hältst du von Nachbar Schnaps?

Görge. Das ist zwar schon die vierte Frage; allein ich will dir doch sagen: daß ich ihn für einen Erzschelm halte.

Röschen. Du betrügst dich. Danke ihm im Voraus, denn er wird dich von einer schweren Krankheit befreien.

Görge. Er mich von einer Krankheit befreien? Ich glaube, wenn er stürbe, so würde ich erst recht gesund werden.

Röschen. Die Zukunft wird dich eines [280] Bessern belehren. Noch ist dein Auge mit Finsterniß umhüllt. – Du zweifelst an der Treue deines Röschens. Ich erlaube dir, sie zu prüfen.

Görge. Ich danke schön; aber wie –?

Röschen. Höre. – Der Zauberstein, den du hier liegen siehst, wird dir die Kraft verleihen, in jeder Gestalt zu erscheinen, in welcher du willst.

Görge. Ich werde die Gestalt vom Nachbar Schnaps annehmen, und dadurch erfahren, wie Röschen mit ihm steht.

Röschen. Das magst du thun. Findest du aber dein Röschen unschuldig, so bist du ihr Genugthuung schuldig.

Görge. Genugthuung?

Röschen. Du wirst ihr in Gegenwart von Nachbar Schnaps Abbitte thun, und die Herrschaft künftig Tag um Tag mit ihr theilen. –

Görge. Die Herrschaft theilen! Das ist stark. –

Röschen. Darum bedenke dich.

Görge. Doch – ist Röschen schuldig, [281] so verdient sie Strafe: ist sie aber unschuldig, so verdient sie – wenig gesagt – die halbe Herrschaft. Es sey. –

Röschen. Lebe wohl. (Verschwindet unter Donner und Blitz.)

Görge. Gott sey Dank! nun ist’s vorüber! – Meister Martin! wo seyd Ihr?


Eilfter Auftritt.
Schnaps. Görge.

Schnaps. Hier.

Görge. Habt Ihr alles gehört und verstanden?

Schnaps. Gehört und verstanden.

Görge. Nur Eins reut mich.

Schnaps. Was denn?

Görge. Daß ich dem Geiste über Nachbar Schnaps nicht besser und deutlicher die Meynung gesagt habe.

Schnaps. Besser hätte eure Meynung wohl seyn können, aber schwerlich deutlicher.

Görge. Glaubt Ihr? Nun, wenn [282] das ist, so bin ich zufrieden. Deutlichkeit ist in dem Falle die Hauptsache.

Schnaps. Ihr nanntet ihn einen Erzschelm.

Görge. Nicht wahr, das ist ein kräftiger Ausdruck?

Schnaps. O ja. – Doch, ich habe nun nicht Zeit, mich weiter hierüber einzulassen. Nehmt euern Stein dort in der Höhle, und tragt ihn langsam nach Hause; aber, wohl gemerkt, ohne Euch umzusehen.

Görge. Ohne mich umzusehen?

Schnaps. Morgen erwart’ ich Nachricht, wie euer Röschen in der Prüfung bestanden.

Görge. Ihr sollt alles erfahren. Lebt wohl. Ich danke Euch indessen, Meister Martin. (Er trägt den Stein fort).

[283]
Zwölfter Auftritt.
Schnaps. Röschen.

Schnaps (im obigen Tone). Geist der Höhle! ich gebiete dir, erscheine!

Röschen (kömmt aus der Höhle). Ist er fort? –

Schnaps. Da zieht er hin und schleppt sich mit dem Steine.

Röschen (bricht in ein lautes Gelächter aus). So mögen alle Männer Steine tragen, die ihren Weibern nicht trauen. – Warte nur – du sollst mir eins geneckt werden. – Hurtig jetzt nach Hause. Wir müssen den nähern Weg einschlagen. Ich will über Wiesen queerfeld ein laufen, und mich zur Hinterthüre ins Haus schleichen; Er kann Görgen von Ferne beobachten, und ihm langsam nachgehen.

Schnaps. Gut. – In der Laube treffen wir uns.

Röschen. Görge wird sogleich die Probe machen.

[284] Schnaps. Ich komme, wie von Ungefähr, dazu –

Röschen. Schon gut; das Uebrige gibt sich. – Da hat Er seine Donner- und Blitzmaschine. – Adieu, lieber Schnaps!

Schnaps. Adieu, liebes Röschen! – Bst! Bst!

Röschen. Was will Er?

Schnaps. Hat Sie mich wirklich ein wenig lieb?

Röschen. Darüber muß Er den Meister Martin fragen.

(Beide gehen ab.)


Dreizehnter Auftritt.
Scene: Laube.

Görge (legt den Stein ab und setzt sich). Dem Himmel sey Dank, daß ich da bin. In dem Steine muß der lebendige Satan sitzen. Er drückte mich bei jedem Schritte drei Zoll tief in die Erde. – Kann ich’s doch kaum erwarten, bis ich die Probe mit ihm gemacht [285] habe. Trift das zu, was Meister Martin verspricht, so ist der Stein unter Brüdern tausend Thaler werth. – Ich werde sogleich Röschen rufen. – He! Röschen! Röschen!

Röschen (innerhalb der Scene). Ich komme gleich.

Görge. Nun fragt sich, wie ich das mache, um den Stein auf der linken Schulter etwas lange tragen zu können. – Die Probe ist unbequem – allein – doch, es sey. Sie kommt. (Er legt den Stein auf die linke Schulter).


Vierzehnter Auftritt.
Görge. Röschen.

Röschen. Ist Er da, Nachbar Schnaps?

Görge (für sich vergnügt). Nachbar Schnaps!

Röschen. Ich glaubte, Görgens Stimme zu hören.

Görge (bemüht sich, Schnapsens Sprache nachzuahmen). Sie hat sich getäuscht, mein liebes Röschen!

[286] Röschen. So leb’ Er wohl; ich muß ihn suchen.

Görge. Auf ein Wort!

Röschen. Mach’ Er’s kurz.

Görge. Kurz? Warum denn heute so spröde, mein Herzchen?

Röschen. Heute, sagt Er? Ich denke, Er sollt’ es schon lange wissen, daß ich Ihn nicht wohl leiden kann.

Görge. Wie allerliebst Ihr die Verstellung läßt!

Röschen. Was spricht Er da von Verstellung?

Görge. Ich sollt’ es schon lange wissen, daß Sie mich nicht leiden kann! Hahaha!

Röschen. Was gibt es da zu lachen?

Görge. Als wenn ich nicht besser wüßte, woran ich bin.

Röschen. Ich glaube, Er ist verrückt.

Görge. Verrückt? Ja, wahrhaftig! Sie hat recht. Weiß Sie aber auch, wovon?

Röschen. Das ist mir gleichgültig?

Görge. Von dem Kusse, den Sie mir gegeben hat.

[287] Röschen. Ich Ihm einen Kuß gegeben? (Gibt ihm eine Ohrfeige). Das ist alles, was Ihm von mir zu Diensten steht. Wenn ich Ihn je freundlich angesehen habe, so geschah es nur, um meinen lieben Görge zu necken, und ein wenig eifersüchtig zu machen, nicht aber, weil ich Ihm gut bin, oder je gut werden könnte. Merk’ Er sich das, und sey Er in Zukunft bescheidener, wenn ich’s nicht meinem Manne sagen soll. (Will ab).


Fünfzehnter Auftritt.
Vorige. Schnaps.

Görge (für sich). O ich glücklicher Mann! – Der Stein ist nicht mit Gelde zu bezahlen. –

Röschen (erstaunt). Was ist das? Zwei Schnapse auf einmal!

Schnaps (gleichfalls erstaunt). Was seh’ ich? Mein leibhaftiges Ebenbild!

Görge (für sich). Nun wird die Frage [288] entstehen, welcher von Beiden der wahre Schnaps sey.

Röschen (zu Görgen). Sag’ Er mir doch: ist Er nicht der Nachbar Schnaps, mit dem ich diesen Augenblick hier sprach?

Görge. Ganz recht; ich bin derselbe Schnaps.

Röschen (zu Schnaps). Sag’ Er mir doch: ist Er nicht der Nachbar Schnaps, der diesen Augenblick erst in die Laube trat?

Schnaps. Ganz recht; ich bin derselbe Schnaps.

Röschen. Wie soll ich das begreifen? Der, welcher schon hier war, ist erst gekommen. Keiner ist vom Andern verschieden; von Beiden kann ich mir sagen: Das ist Schnaps zur rechten, und das ist Schnaps zur linken Seite.

Görge. Ich bin Schnaps; und ausser mir erkenn’ ich keinen Schnaps.

Schnaps. Ich bin Schnaps und keiner sonst. –

Röschen. Schnaps und nichts als Schnaps. Einer von den beiden Schnapsen [289] ist ein bloßes Blendwerk. Geh’ mir Keiner von der Stelle, sonst verlier’ ich auch noch das einzige Merkmal, Euch von einander zu unterscheiden. – Warte doch! Richtig; das wird hier Aufschluß geben. – Der wahre Schnaps hat kurz vorher eine Ohrfeige bekommen.

Görge. Der Glückliche bin ich; darum bin ich der wahre Schnaps.

Schnaps. Darum ist Er gerade nicht der wahre Schnaps. Der wahre läßt sich mit keinen Ohrfeigen abspeisen.

Röschen (für sich). Ich hätte Lust, es zu versuchen.

Schnaps. Doch, wer Lust hat, mir meine eigene Person streitig zu machen, der mag es thun; ich bin und bleibe darum doch, wer ich bin. Ich bin eigentlich hierher gekommen, um mich bei Röschen zu erkundigen, ob es wahr ist, was die Leute von Görgen sagen.

Röschen. Was sagen denn die Leute?

Schnaps. Sie sagen – – aber Sie könnte wirklich erschrecken.

[290] Röschen. Es ist ihm doch kein Unglück geschehen?

Schnaps. Unglück? Es wird auf Sie ankommen, wie Sie es nehmen will.

Röschen. Ich bitte um alles in der Welt, rede Er deutlicher.

Schnaps. Ich habe meiner Lebtage gehört: Wenn man den Teufel mit Kohlen an die Wand mahlt, so kommt er.

Röschen. Spricht Er im Traume?

Schnaps. Kurz: Görge hätt’ es wissen sollen, daß der Teufel keinen Scherz versteht.

Röschen. Nun glaub’ ich, daß Er der wahre Schnaps ist, weil Er mir so zuwider ist. Ich will wissen, was die Leute sagen. –

Schnaps. Mach Sie sich gefaßt. Fort müssen wir alle – der Eine auf diese, der Andre auf jene Art. Freilich hat sich’s der gute Görge wohl nie träumen lassen, einmal durch die Lüfte fort zu müssen.

Röschen. Durch die Lüfte?

Görge (für sich). Durch die Lüfte?

Schnaps. Kurz und gut: die Leute sagen: den Görgen habe der Teufel geholt.

[291] Görge (für sich). Kurz und gut!

Röschen. Gott steh’ uns bei. – Wie wird mir! – Armer, guter Görge!

Görge (für sich). Nun will ich sehen, ob sie’s redlich meynt. –

Röschen. Du guter, lieber Görge! wenn das wahr ist, so will ich auch nicht mehr leben.

Schnaps. Sie wird sich doch selbst kein Leid zufügen wollen?

Röschen. Ich stürze mich vom Kirchenthurm herab, spring’ ins Wasser, erschieße mich, oder lasse mich lebendig verbrennen.

Görge (legt den Stein ab). Lebendig verbrennen! – Was das eine Liebe ist!

Röschen (zieht sich vor Görgen zitternd zurücke). Was ist das? Görgens Geist?

Schnaps. Gott sey gepriesen! da steht ja unser Görge.

Görge. Sey ruhig, liebes Röschen!

Röschen. Seine Stimme. Er ist es.

Görge. Fürchte dich nicht. Komm näher zu mir; komm, umarme mich. Der Teufel hat mich nicht geholt; ich lebe noch, und [292] werde nun erst recht glücklich seyn, weil ich weiß und überzeugt bin, daß du brav und gut bist.

Röschen. Du bist es wirklich? Bist mein lieber Görge?

Görge. Ich bin’s.

Röschen (in seinen Armen). Ja du bist’s. Wie froh bin ich, daß ich dich wieder habe!

Görge. Wie froh bin ich, daß ich nun weiß, daß ich dich in einem falschen Verdachte hatte.

Schnaps. Daß ich nicht minder froh bin, kann Er mir auf mein Wort glauben, Görge!

Görge. Vergib mir, liebes Röschen! Ich war ein eifersüchtiger Thor. Ich habe dich gequält, ich habe mich selber gequält. Willst du mir vergeben, gutes Weibchen?

Röschen. Gerne; nur mußt du mir versprechen, in Zukunft nicht mehr eifersüchtig zu seyn.

Görge. Ich verspreche dir’s. – Auch Ihn, Nachbar Schnaps! bitte ich, mir den Verdacht, worin ich Ihn hatte, zu vergeben.

[293] Schnaps. Schon gut. Er gesteht also doch, daß Er zwei tugendhaften Personen durch seinen bösen Verdacht zu nahe getreten?

Görge. Ich gesteh’ es.

Schnaps. Er gesteht also doch, daß Röschen und Schnaps in puncto puncti unschuldig sind?

Görge. Ich gesteh’ es.

Schnaps. Ich vergebe Ihm.

Röschen. Aber sag’ mir doch, wo du die ganze Zeit her gewesen bist?

Görge. Ich hab’ es ja gesagt, wo ich hingehen wollte.

Röschen. Du gingst also wirklich zu Schäfer Martin?

Görge. Ja.

Röschen. Und hast wohl gar das Zauberstückchen von ihm gelernt?

Görge (mit zufriedenem Lächeln). Freilich hab’ ich es.

Röschen. Nun geht mir ein Licht auf. Daß ich kurz vorher zwei Schnapse zu sehen glaubte, war vermuthlich dein Werk.

Görge. Mein Werk.

[294] Röschen. Aber sag’ mir doch um aller Welt willen, wie das zugeht?

Görge. Siehst du den Stein hier?

Röschen. Ich seh’ ihn.

Görge. Das ist ein Zauberstein.

Röschen. Ein Zauberstein?

Görge. Wer ihn auf die linke Schulter legt, kann eine Gestalt annehmen, welche er will. –

Schnaps. Mit Erlaubniß, Herr Nachbar! das möcht’ ich doch versuchen. (Er legt den Stein auf die linke Schulter).

Röschen (umarmt den Schnaps). Du lieber Görge! Was bist du ein kunstreicher Mann geworden!

Görge. He! Röschen! Röschen!

Röschen (küßt Görgen). Lieber Herzens-Görge! Sieh doch! Vorhin waren zwei Schnapse, nun sind zwei Görgen, – Sagt mir doch, wo er hingekommen ist, Nachbar Schnaps?

Görge (betrachtet Schnapsen aufmerksam). Ich finde keine Veränderung an ihm. Wo ich ihn ansehe, guckt der alte Schnaps hervor.

[295] Schnaps. Glück zu! – Unser lieber Nachbar fängt wieder an, mit eignen Augen zu sehen.

Röschen. Bist du bald klüger?

Görge. Wie wird mir auf einmal? Ich erwache vom Schlafe.

Schnaps. Der Verstand legt sich schlafen, wenn die Leidenschaften dem Menschen Besuch geben.

Görge. Die verdammte Eifersucht!

Röschen. Sie hat meinen lieben Görgen zum Zauberer gemacht.

Schnaps. Sieht Er den Stein hier, Nachbar Görge?

Görge. Freihlich seh’ ich ihn.

Schnaps. Das ist ein Stein, wie andre Steine.

Görge. Ich bin also der Betrogene?

Schnaps. Wenn Er es so nennen will.

Görge. Der Schäfer Martin –

Schnaps. War ich.

Görge. War Er? Und der Waldgeist?

Röschen. War ich.

Görge. Warst du?

[296] Schnaps. Nun – sprach der Geist nicht wahr, daß ich Ihn von einer schweren Krankheit heilen werde?

Röschen. Und da Röschen unschuldig befunden wurde, so – weißt du noch, was der Geist auf diesen Fall ausbedungen?

Görge. Du sollst die ganze, nicht nur die halbe Herrschaft haben.

Röschen. Aber satt lachen muß ich mich erst über deine Thorheit.

Schnaps. Und Sonnabends, wenn die Bauern auf meine Barbierstube kommen, erzähl’ ich ihnen vom Zaubersteine.

Görge. Um alles in der Welt, Nachbar Schnaps! Mach’ Er mich doch nicht zum Gespötte der Leute.

Schnaps. Ich will schweigen; aber unter einer einzigen Bedingung.

Görge. Unter welcher?

Schnaps. Daß Er mir Röschen selbst hierher – führe, und um einen Kuß bitte, den ich ihr geben möchte.

[297] Görge. Ist Er toll?

Schnaps. Nun gut, so plaudre ich.

Görge. Ich selber sollt’ Ihm Röschen zuführen? Was meynst du, Röschen?

Röschen. Ich meyne, daß Schnaps ein guter Freund von uns Beiden ist.

Görge. Von mir auch?

Röschen. Ganz gewiß.

Görge. Und was folgt daraus?

Röschen. Daß du ihm doch einen unschuldigen Kuß gönnen wirst.

Görge (mit allen Zeichen der Eifersucht). Einen Kuß! Schon recht! Wenn’s nur beim Küssen bliebe!

Röschen. Ich glaube gar, du bist schon wieder eifersüchtig.

Görge. Ich eifersüchtig? Gott bewahre! – Damit du siehest, daß ich diesen Fehler ganz abgelegt habe, so komm’ mit mir zu Nachbar Schnaps. (Führt Röschen).

Schnaps. Was wollt Ihr?

[298] Görge. Einen Kuß für meine Frau.

Schnaps. Aufzuwarten. (Küßt Röschen).

Görge (für sich). Daß du ersticken mögest.

Röschen. So danke doch hübsch, lieber Görge!

Görge. Ich danke, Herr Nachbar!

Schnaps. Ist gern geschehen.



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Das Stück ist auch abgedruckt in: Die Schauspiele der Englischen Komödianten in Deutschland, hg. von Julius Tittmann, Leipzig 1880, S. 235 Google