Der Weg zwischen Balaklava und dem englischen Lager

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Titel: Der Weg zwischen Balaklava und dem englischen Lager
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aus: Die Gartenlaube, Heft 10, S. 137
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1855
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Aus dem Krimkrieg 1853-1856
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Der Weg zwischen Balaklava und dem englischen Lager.

Wir haben diesen Weg früher gelegentlich im Allgemeinen geschildert. Da er aber ohne Zweifel als ein weltgeschichtlicher Weg erkannt werden wird, als der in einem Abgrund der englischen Alters- und Erbweisheit zu Hause und der englischen und anderen auswärtigen Politik überhaupt, wird es auch friedliche, nicht politische Leute interessiren, sich eine bestimmte, getreue Vorstellung davon zu machen. Hier ist eine von dem vollkommensten und treffendsten aller Portraitmaler, der Sonne, gezeichnete. Es ist bekannt, daß im englischen und französischen Heere viele Photographen oder Daguerreotypisten theils für die Commandeurs, theils für englische Journale alle möglichen Gegenden auf der Krim auf empfindlichen photographischen Platten auffangen und sie im letztern Falle nach England zur Veröffentlichung durch den Holzschnitt senden. Die photographischen Platten sind jetzt einer so großen Empfänglichkeit fähig, daß sie selbst bewegte Gegenstände im Nu auffangen und fixiren. Diesem Umstande verdanken wir eine Menge natur- und situationsgetreuer Bilder aus der großen Tragödie auf der Krim, der alten Tauris, die nicht so zart aussieht, als die klassische „Iphigenia auf Tauris“ von Goethe. Wir geben hier einen Theil des photographisch aufgefangenen Weges zwischen Balaklava und dem englischen Lager, dessen kürzeste Ausdehnung über eine deutsche Meile lang ist. Die Moräste, Thäler und Hügel, Schnee und Regen, Tausende gefallener Pferde, umgestürzter Wagen, versunkener Vorräthe, erfrorner Soldaten u. s. w. machen diese Entfernung mit Hülfe der bisherigen englischen Verwaltung zu 10–20 Meilen, so daß in Balaklava Vorräthe schiffsladungsweise verfaulen, während im Lager die Soldaten thatsächlich tausendweise verhungern, erfrieren und an unzähligen Krankheiten hinsterben, wie sie sich aus fortgesetztem Mangel an Nahrung, Wärme, Menschlichkeit und Reinlichkeit unter mannigfaltigen Namen entwickeln.

Weg zwischen Balaklava und dem englischen Lager.

Dabei kostet dem englischen Volke jeder lebende und so langsam umgebrachte Soldat, wie die Times vom 12. Februar nachwies, täglich ein Pfund Sterling, also über sechs Thaler. Zu gleicher Zeit machte die Times bekannt, daß ein reicher Privat-Geschäftsmann unter den allerschwersten Strafen sich verpflichtet habe, die ganze englische Armee täglich dreimal mit Thee, Kaffee, frischem Brot, Fleisch, Bier, Rum u. s. w. und mit guten, schützenden Zelten – also mit Kost und Wohnung – für täglich 3 Schillinge 6 Pence auf den Kopf, also für ein Siebentel des zum Hunger verdammenden Regierungspreises, ohne Eisenbahn u. s. w. zu versehen, aber unter einer Bedingung, nämlich daß ihn Regierung und Generalstab und all der officielle Schwindel in keiner Weise unterstütze.

Die Regierung hat jetzt zu Schiffe eine Eisenbahn nach der Krim geschickt, um den Soldaten endlich einen gangbaren Weg „aus der Hand zum Munde“ zu bahnen, aber auf diesem Boden und unter den jetzigen Verhältnissen geht das gewiß nicht so geschwind, als das Verhungern, Erfrieren und Umkommen im Großen. Die Eisenbahn kann frühestens mit Frühlings Anfang fertig sein (und auch das wäre fast ein Wunder), zu einer Zeit, wo vielleicht die Natur ebenfalls als Wegbaumeister sich bewährt haben wird, so daß das Werk der Kunst sich erst im nächsten Herbste als das Ding zeigen wird, welches just ein Jahr zu spät kam, um etwa 20,000 Soldaten das Leben zu retten. In vielen andern Dingen kamen die privilegirten Verwalter der englischen Staats- und Kriegswirthschaft nicht so früh zu spät.