Der Ursprung der chinesischen Revolution

Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Der Ursprung der chinesischen Revolution
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aus: Die Gartenlaube, Heft 23, S. 312
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[312] Der Ursprung der chinesischen Revolution. Es ist eine altbekannte Thatsache, daß in China stets die ersten Jahre einer neuen Regierung Aufruhr mit sich bringen, und so war denn auch Niemand verwundert, als im Jahre 1850 nach dem Tode Toukuang’s, nach dem Regierungsantritt des vierten Sohnes, Inschu, welcher das folgende Jahr seiner Regierung, das im März 1851 begann, Hiensong, das Jahr reich an Regen zu nennen befahl, die Unruhen in Kuangsi ausbrachen.

Ueber den eigentlichen Anlaß zu diesen Unruhen ist noch nichts Zuverlässiges ermittelt; doch war es nach allgemein umlaufender Meinung folgender:

Ein Zug von fünf- bis sechshundert Opiumhändlern reiste von Yün-Nan nach Kanton. Durch eine Uberschwemmung aufgehalten, fingen sie an, Geldmangel zu leiden, und mußten zum Borgen ihre Zuflucht nehmen. In dem Bezirke wohnten zwei Brüder, Namens Tschang, die als sehr reich bekannt waren, und an diese wandten sich die Schleichhändler, um von ihnen eine Summe von 600 Taels (1 Tael etwa 3 Thlr.) zu entlehnen. Nun hätten wohl die Brüder einige gegründete Bedenken haben sollen, sich mit den Schleichhändlern einzulassen, obwohl sie wußten, daß diese pünktlich in der Wiederbezahlung ihrer Schulden waren. Allein das Begehren war, das wußten sie wohl, so gut wie ein Befehl für sie, und so gaben sie denn die 600 Taels her. Das gab nun einem in der Nähe wohnenden Kleinmandarin, der längst nach dem Vermögen der Brüder gierig gewesen, willkommenen Anlaß, diese Geldgier zu befriedigen. Er ließ die beiden Brüder in Haft nehmen, obgleich er wohl wußte, daß sie mit den Schleichhändlern nicht in Mitgenossenschaft standen, sondern denselben nur nothgedrungen Geld geliehen hatten; ließ sie grausam schlagen und in den Kerker werfen.

Diese Ungerechtigkeit erregte großes Aufsehen, und da die beiden Brüder Tschang viel Freunde, selbst unter den Gerichtspersonen hatten, so kam einer von diesen auf den Gedanken, den Kaufleuten nachzueilen, und sie um Beistand zu bitten in einem Unglück, das sie, wenn auch ohne Wissen und Willen, verursacht hatten. Die Kaufleute, empört über das Verfahren des Kleinmandarins, ließen 100 Mann zur Bewachung ihres Opiums zurück und schlugen mit den Uebrigen den Rückweg ein, um ihren Wohlthäter in Freiheit zu setzen. Der Mandarin gab aber ihren Vorstellungen kein Gehör, überließ sich vielmehr in seiner Unklugheit dem heftigsten Zorn und gab so Veranlassung zu einem Auftritt, der ihm zunächst selbst das Leben kostete. Das Gerichtshaus wurde geplündert, die Pagoden zerstört und viele andere Gewaltthätigkeiten verübt.

Als die Opiumhändler, nachdem die erste Hitze gedämpft war, kaltblütig über ihr Verfahren nachsannen, fühlten sie, daß nur in einer offenen Empörung noch die Möglichkeit einer Rettung für sie lag. Den Gebrüdern Tschang blieb gleichfalls kein anderer Ausweg übrig, und die Gefangenen, die eben erst ihre Freiheit erhalten hatten, dürsteten ebenfalls nach Rache und Zerstörung. So gesellten sich denn alle Jene, welche bei dieser Geschichte irgendwie betheiligt gewesen waren, zu den Opiumhändlern, und die Empörung war organisirt.

Mit der Schnelle des Blitzes wuchs diese Empörung heran; alle Landstreicher der Umgegend, die zahlreichen Mitglieder der geheimen Gesellschaften, und alle Jene, die durch Plündern ihr zerrütteten Vermögen wieder herzustellen hofften, boten dem Aufstande ihre Kräfte an. Alle verpflichteten sich durch einen Eid, die Waffen nicht niederzulegen, bis ihre Unterdrücker, die Mandarinen, vertrieben sein würden. Man stellte ihnen einige schlechte Truppen entgegen, die sich fast ohne Gegenwehr schlagen ließen. Die zahlreichen Bundesgenossen, unter dem Namen der „Gesellschaft des Himmels und der Erde“ (Tien-ti-huy) bekannt, boten ein zum Kampfe und besonders zum Plündern vollkommen bereites Heer dar. Der Anführer des Aufstandes, der den Titel eines Kaisers sich beilegte, zu Nanking seinen Sitz aufschlug, und der schon längst eins der einflußreichsten Mitglieder des Tien-ti-huy gewesen war, ergriff ungesäumt die gute Gelegenheit. Er schwang sich an die Spitze der ansehnlichen Truppen, welche der Aufruhr ihm zur Verfügung stellte, ließ seine Obermacht durch seine Parteigänger anerkennen und zeigte sich der chinesischen Nation als einen ihr vom Himmel zugesandten Befreier. Er erklärte öffentlich, sein Streben gehe dahin, den tatarischen Herrscherstamm zu verdrängen, um einer einheimischen Herrscherfamilie den Platz einzuräumen; so verkündigte er in den Proclamationen, mit denen er das Land übersäete, hinzufügend, daß er selbst die ausgezeichnete Ehre habe, von der alten Min-Familie abzustammen.

Den zeitherigen Verlauf des Aufstandes, sein ersten massenhaftes Ausbreiten, seine Siege und Niederlagen, haben unsere Leser aus den Zeitungen kennen gelernt. Noch ist keine Entscheidung in diesem Kampfe zu Stande gekommen. Wie diese aber auch ausfallen möge, das Reich der Mitte, mag es von Hienfong oder Tien-te regiert werden, wird künftig im Innern wie nach Außen nach ganz andern Verhältnissen auftreten.