Der Todesgang des armenischen Volkes/Zweiter Teil/Achtes Kapitel

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8. Die Ausführung.


Seit Beginn des europäischen Krieges und im verstärkten Maße seit Ausbruch des russisch-türkischen Krieges hat man sich im jungtürkischen Komitee mit der Frage beschäftigt, wie man die Gelegenheit des Krieges benützen könne, um die Armenier für ihre Reformbestrebungen zu bestrafen und die armenische Frage ein- für allemal aus der Welt zu schaffen. Man kam auf dieselbe Lösung, die ein Minister Abdul Hamids in zynischer Weise definiert hat: „Die armenische Frage schafft man am besten dadurch aus der Welt, daß man die Armenier aus der Welt schafft.“21) Daß man am liebsten mit den Griechen und Syrern in gleicher Weise verfahren wäre, beweist das Vorgehen gegen die griechische Bevölkerung in der Umgegend von Smyrna im Frühjahr 1914 und gegen die syrische Bevölkerung in Nordpersien, in der Umgegend von Urmia, die beim Einbruch der Armee von Halil Bey aus ihren Wohnsitzen vertrieben wurde. Das Gleiche geschah mit den nestorianischen Bergsyrern im oberen Zab-Tal.

Ein türkischer Minister soll während des Krieges geäußert haben: „Am Ende des Krieges wird es keinen Christen mehr in Konstantinopel geben. Es wird so vollständig von Christen gesäubert werden, daß Konstantinopel sein wird wie die Kaaba.“ Man braucht das Wort, selbst wenn es gesprochen wurde, nicht ernst zu nehmen. Die griechische Bevölkerung wird so lange sicher sein, als sich Griechenland nicht der Entente angeschlossen hat. Dagegen hat man ernstlich an eine Austreibung der 160 000 Armenier aus Konstantinopel gedacht. Der Einspruch Deutschlands hat sie verhindert. Ein Sektionschef im Justizministerium sagte zu einem Armenier: „Es ist in diesem Reich kein Raum für uns und euch, und es würde ein unverantwortlicher Leichtsinn sein, wenn wir diese Gelegenheit nicht benützen würden, um mit euch aufzuräumen“. Mitglieder des jungtürkischen Komitees sprachen es offen aus, daß alle „Fremden“ aus der Türkei verschwinden müßten, erst die Armenier, dann die Griechen, dann die Juden und zuletzt die Europäer“. Die Frage, ob ein Armenier schuldig oder unschuldig ist, ob man ihn eines Verbrechens gegen den Staat für verdächtigt hält oder nicht, ob er durch ordentliche Gerichte einer Schuld überführt ist oder nicht, existiert für das Bewußtsein eines Muhammedaners, da es sich um Christen handelt nicht, wenn man ihn aus Gründen der Staatsraison beseitigen will. Andernfalls wäre es nicht möglich, an einer Million von Staatsbürgern einen Massenraub zu begehen, der niemals eine gerichtliche Ahndung finden wird. Das muhammedanische Recht und das Vorbild Muhammeds erlauben solche Dinge. Ein türkischer Minister rühmte sich dessen, daß, was Abdul Hamid in 30 Jahren nicht fertig gebracht habe, er in 3 Wochen zustande bringen würde. Dem Einwande, daß mit den wenigen Schuldigen eine ungeheure Masse Unschuldiger mitbestraft und umgebracht werde, begegnete ein türkischer Offizier mit der Bemerkung: „Dieselbe Frage richtete jemand an unseren Propheten Muhammed – Gottes Friede über Ihm! – und er erwiderte: „Wenn du von einem Floh gebissen wirst, tötest du nicht alle?“

Als die Frage der Unterdrückung der christlichen Nationalitäten einmal im Komitee zur Sprache kam, äußerte ein exaltierter Türke: „Der Fehler ist, daß nicht schon Muhammed der Eroberer, das getan hat, was wir jetzt tun.“ Von einem anderen Komiteemitglied, das etwas mehr geschichtliche Bildung besaß, erhielt er die Antwort: „Dann stünde die Türkei heut noch auf der Kulturstufe von Marokko.“

Bei der Mehrheit des Komitees scheint die Absicht, einen vernichtenden Schlag gegen die Armenier zu führen, schon am Anfang des Krieges bestanden zu haben. Natürlich erhob sich auch Widerspruch gegen eine so radikale Politik, die unbedenklich zu den Methoden Abdul Hamids zurückkehrte und ein Hohn war auf all die schönen Reden von Freiheit, Brüderlichkeit und Gleichheit, mit denen die Ära der Konstitution eingeleitet worden war. Djemal Bey, der Oberstkommandierende in Syrien, versuchte noch während der Deportation die Bevölkerung von Adana, wo er früher Wali gewesen war, zu retten. Daß verschiedene Walis, Mutessarifs und Kaimakams sich der Maßregel widersetzten, haben wir gesehen. Sobald aber im Zentralkomitee für Einheit und Fortschritt die Entscheidung gefallen war, begann die fieberhafte Tätigkeit der Zweigkomitees, die jeden Widerstand der Regierungsorgane im Innern brach und durch organisierte Banden die allgemeine Deportationsmaßregel in ein allgemeines Massaker verwandelte.

Gewisse psychische Hemmungen mußten auch beim Zentralkomitee und bei der Regierung überwunden werden. Man war sich augenscheinlich dessen bewußt, daß man an den Führern der Daschnakzagan, die gemeinsam mit den Jungtürken den Absolutismus gestürzt und seit Beginn der Konstitution unentwegt zu dem Komitee gehalten hatten, einen schnöden Verrat beging. Verschiedene der jungtürkischen Führer, die (wie der Auswärtige Minister Halil Bey, der während der Reaktion sich zwei Wochen im Haus von Sohrab versteckt gehalten hatte), ihren armenischen Freunden ihr Leben verdankten, mochten Regungen eines gewissen Anstandsgefühls empfinden, das sie abhielt, ihre Lebensretter ans Messer zu liefern. Um derartige psychische Hemmungen zu überwinden, mußte man sich wenigstens einreden, daß möglicherweise die Führer des armenischen Volkes mit dem Gedanken einer nationalen Erhebung umgingen. Der Gedanke konnte ihnen auch dadurch nahegelegt werden, daß sie den Daschnakzagan gegenüber ein schlechtes Gewissen hatten. Schon vor der Begründung der Verfassung und bei jeder Krise seit der Begründung der Verfassung hatten sie den Führern der Daschnakzagan mündlich und schriftlich Versprechungen gemacht, ihre gerechten Wünsche in bezug auf die Neuordnung der Zustände im Innern zu erfüllen, und regelmäßig hatten sie diese Versprechungen, sobald sie wieder obenauf waren, gebrochen und dazu noch die Armenier um die ihnen zukommenden Kammersitze verkürzt. Daß die Daschnakzagan, wie es wirklich der Fall war, ihnen und ihrer politischen Überzeugung trotzdem treu geblieben waren, konnten sich vielleicht die Jungtürken nicht vorstellen und vermuteten, daß sie heimlich auf Vergeltung bedacht wären. Die krampfhaften Bemühungen, nachträglich Schuldbeweise zu finden, und, wenn auch unter der Folter, zu erzwingen, sind ein Ausfluß der moralischen Verlegenheit, in der sich die Regierung gegenüber den Daschnakzagan befand. Um auf die Daschnakzagan den Schein des Vaterlandsverrates zu werfen, bediente sie sich eines merkwürdigen Tricks. Daß jedermann Waffen besitzt, ja, daß die Jungtürken selbst noch in den letzten Jahren, als die Gefahr der Reaktion drohte, ihre politischen Freunde und deren Anhang mit Waffen versorgt hatten, war bekannt. Auch bezweifelte niemand, daß aus der Zeit Abdul Hamids noch Bomben vorhanden waren. Da die Bombe in diesem Kriege zu der Würde einer der ehrenhaftesten Waffen avanciert ist, gab es natürlich in den Regierungsarsenalen eine genügende Anzahl von Bomben, die man als bei Armeniern gefunden ausgeben konnte. So wurden denn im Polizeiblatt von Konstantinopel („Polizei-Revue für die intellektuelle Bildung der Polizisten“, nennt sich das Blatt) in der Mai-Nummer Haufen von Gewehren und Bomben, die man photographiert hatte, abgebildet. Die Veröffentlichung sollte dazu dienen, die Bevölkerung und die Vertreter der fremden Mächte von den revolutionären Absichten der Armenier zu überzeugen. Um die Beschuldigung, daß die Armenier die Ausrichtung eines armenischen Königreiches geplant hätten, glaubhaft zu machen, wurde auch die Photographie einer „revolutionären Fahne mit dem armenischen Wappen“ wiedergegeben.13) (Auch das offizielle Communiqué vom 4. Juni spricht von diesen „revolutionären Fahnen“.) Wie verhält es sich damit?

Die Partei der Daschnakzägan hatte ein Parteiwappen, das in allen armenischen Klubs aushing. Junge Damen machten sich ein Vergnügen daraus, dieses Wappen als Emblem für die Klublokale zu sticken. Hundertmal haben die Jungtürken, wenn sie in den Klubs der Daschnakzagan aus- und eingingen, dieses Wappen gesehen. Im Scherz nannten sie es „le drapeau du patriotisme ottoman“. Da man keine anderen Beweise hatte, wurde jetzt das Parteiwappen der Daschnakzagan photographiert und für die Fahne der Revolution ausgegeben.

Man kann sich den Verkehr, der früher zwischen den armenischen und jungtürkischen Klubs und ihren Führern bestand, nicht eng genug denken. Man beriet nicht nur, man dinierte und soupierte zusammen. Man veranstaltete gemeinsame Wahlfeldzüge und tauschte freundschaftliche Besuche aus. Als Aknuni krank war wurde er von Talaat Bey und Dschavid Bey besucht. Tags darauf kamen Dr. Nasim und Omer Nadji. Der letztere ließ sich allwöchentlich auf der Redaktion des Azatamart sehen.

Es ist begreiflich, daß auch im jungtürkischen Komitee lange Zeit eine Majorität für die Maßregeln gegen die Armenier nicht zustande kam. Überdies schlugen sich die Armenier, wie der Kriegsminister Enver Pascha aus persönlichem Augenschein mündlich und schriftlich bekundet hat, selbst an der Kaukasusfront aufs tapferste. Es blieb daher in den ersten Monaten bei lokalen Maßnahmen, für die sich einigermaßen plausible Gründe aus strategischen Rücksichten geltend machen ließen.

Da kam die Nachricht von den Vorgängen im Wangebiet, die durch das Verhalten von Djewded Bey und durch die Ermordung und Verhaftung der armenischen Führer Ischchan und Wramjan provoziert waren. Am 16. April wurde Ischchan ermordet. Am 20. setzten sich die Armenier von Wan gegen das ihnen drohende Massaker in Verteidigungszustand. Am 24. erfolgte die Verhaftung der Intellektuellen von Konstantinopel. Sie war das Ergebnis eines Beschlusses, der von den Mitgliedern des Komitees für Einheit und Fortschritt gefaßt worden war. Seit dem 21. April war die Vernichtung des armenischen Volkes eine beschlossene Sache.

Der Großvezier Said Halim Pascha, der Kammerpräsident Halil Bey und der Scheich ül Islam waren gegen die Deportation. Da aber Talaat Bey seinen allmächtigen Einfluß für die Vernichtungsmaßregel einsetzte, ging der Beschluß durch.

Von dem Polizeichef Bedri Bey und seinen Gehilfen Dschampolad Bey und Reschad Bey war unter Zuziehung der Polizeimeister von Skutari und Pera der Plan der Verhaftung der Intellektuellen von Konstantinopel und in der Provinz ausgearbeitet worden. Sorgfältige Listen wurden zusammengestellt, um mit einem Schlage aller Führer der Nation habhaft zu werden. Waren die Führer beseitigt, so brauchte man nicht mehr zu befürchten, daß wegen der Maßregeln gegen das armenische Volk Lärm geschlagen würde. Der Widerstand der Gouverneure im Innern verzögerte die Ausführung der Maßregel in verschiedenen Wilajets um einige Wochen. Als aber Wan in die Hände der Russen gefallen war, am 19. Mai, erging in alle Provinzen der kategorische Befehl, dafür zu sorgen, daß alle Städte und Dörfer des Reiches von Armeniern ausgeräumt werden sollten, bis nicht ein einziger Armenier mehr zurückbliebe, es sei denn, daß er zum Islam übertrete.

Der Polizeichef Bedri Bey sagte zu dieser Zeit zu dem Armenier Sakarian: „Wenn es ein Massaker gibt, so wird es nicht sein wie zur Zeit Abdul Hamids. Nicht ein einziger Armenier wird übrig bleiben.“ Der Scheich ül Islam soll auch zu dieser Zeit noch seinen Widerspruch gegen die Maßregel aufrecht erhalten und seine Demission eingereicht haben.


4. Nachträge.


1) Die letzte Phase der Verfolgungsgeschichte spielte sich im Kaukasus ab, als nach dem Frieden von Brest-Litowsk die russische Armee sich zurückzog und den Kaukasus der Invasion der türkischen Truppen preisgab. Über die Vorgänge im Kaukasus vgl. „Deutschland und Armenien 1914–1918“. Sammlung diplomatischer Aktenstücke, hersg. und eingel. von Dr. Johannes Lepsius. Der Tempelverlag in Potsdam 1919. Einl. S. XLV und die Aktenstücke d. Js. 1918, S. 365 ff.

2) Über Nazareth Tschauch und die Entstehung der Unruhen in Zeitun vgl. Lepsius, Dtschl. und Arm. S. IX ff. und die Berichte von Konsul Roeßler, Aleppo, Aktenstücke Nr. 11 und 25.

3) Die Gesamtzahl der Deserteure, die, aus Christen und Muhammedanern bestehend, schon vor dem Kriege seit 1913 sich in die Berge geflüchtet hatten, betrug zu der Zeit nach Mitteilung von Herrn Konsul Roeßler etwa 150. Der Verlust der Toten und Verwundeten bei dem Angriff auf das Kloster wird von ihm auf „eine Anzahl Toter und Verwundeter“ angegeben.

4) Die Zahl von 20 000 Seelen umfaßt auch die Dörfer in der Umgegend von Zeitun.

5) Über die Vorgänge in Dörtjol sind nähere Berichte in dem deutschen Konsularbericht aus Adana vom 13. März 1915 gegeben. Lepsius, Dtschl. und Arm. Nr. 19.

6) Über die Vorgänge in Urfa siehe die Berichte des deutschen Konsuls Herrn Roeßler von Aleppo, Lepsius, Dtschl. und. Arm. Nr. 193, 202 und 226 Anl. 1. Am 19. und 20. August fanden Massakers statt, bei denen etwa 200 Armenier getötet wurden. Am 29. September setzten sich die Armenier, um der drohenden Deportation zu entgehen, in Verteidigungszustand in ihrem Stadtviertel. Vom 4. bis zum 15. Oktober währte die Belagerung des Viertels durch türkische Truppen, wobei diese 50 Tote und 120 bis 130 Verwundete hatten. Die männliche armenische Bevölkerung der Stadt wurde, nachdem der Widerstand gebrochen war, zum größten Teil getötet, die Frauen und Kinder deportiert. Die Stadt zählte vor der Deportation etwa 20 000 Armenier.

7) Dazu schrieb Prediger J. Spörri, Leiter der Station Wan des deutschen Hilfsbundes für Christliches Liebeswerk im Orient, am 7. 10. 1916 aus Zürich an den Verfassen

„Als am 20. 4. 15 die Feindseligkeiten vor meinen Augen ausgebrochen waren und in schauerlicher Weise auf uns geschossen wurde, war ich gedrungen, an den Wali zu schreiben. Ich erzählte den Anfang der Feindseligkeiten, teilte mit, daß wir dem Kugelregen ausgesetzt seien, ersuchte, da ich annehmen mußte, daß solches unmöglich nach dem Wollen des Walis sein könne, um weitere Vermeidung solcher Handlungen und bat, die Streitigkeiten friedlich zu ordnen. Mit meinem Schreiben ging ich zu Dr. Usher (es war das ein gefährlicher Weg, da unaufhörlich geschossen wurde), las ihm den Inhalt vor und veranlaßte ihn, von seiner Seite ein Gleiches zu tun. Der Brief vom 23. 4. von Djevdet Bey war die Antwort auf unser Schreiben. Übrigens hatte ich die Verteidiger gebeten, sie möchten sich von der Front unserer Station zurückziehen, da sie das Feuer auf uns zögen. Ich hatte die Genugtuung, daß mein Wunsch erfüllt wurde. Freilich war auch so von einem Aufhören des Feuers gegen uns nicht die Rede.“

8) Auch der Wali Rachmi Bei wurde schließlich, wenn auch erst ein Jahr nach der allgemeinen Deportation, durch den Befehl der Regierung von Konstantinopel gezwungen, den Befehl zur Deportation zu geben. Lediglich dem Einschreiten des Oberbefehlshabers General Liman von Sanders, der mit militärischem Widerstand drohte, ist es zu danken, daß die Deportation der Armenier von Smyrna nicht zur Ausführung kam. Vgl. Lepsius, Dtschl. und Arm. S. LIX und die Aktenstücke Nr. 306, 307, 308.


9) Vgl. den fesselnden Bericht über die Flucht der Armenier von Suedije von Pastor Digran Andreasjan, der im Anhang von Lepsius, Dtschl. und Arm. abgedruckt, auch im Tempelverlag in Potsdam separat erschienen ist, „Suedije, eine Episode aus den Armenierverfolgungen des Jahres 1915.“ M. 0,50.

10) Durch Gesetz vom 1. August 1916 wurde ein Jahr darauf die alte Kirchenverfassung der gregorianischen Kirche zerstört und das Patriarchat von Konstantinopel in das Kloster Mar Jakub in Jerusalem verlegt. Erst nach dem Sturz der jungtürkischen Regierung und dem Zusammenbruch der Türkei wurde das Gesetz wieder aufgehoben.

11) Nach dem Zusammenbruch der Türkei ist das ursprüngliche Programm der Daschnagzagan natürlich gegenstandslos geworden. Auf den Glücksfall, daß die beiden Feinde der Armenier, die Türkei und Russland, gleichzeitig zusammenbrechen würden, so daß für ein völlig unabhängiges Groß-Armenien Raum wurde, konnte kein politisches Programm im voraus rechnen.

12) Wartkes wurde zusammen mit Sohrab auf dem Wege von Urfa nach Diarbekir durch die begleitenden Gendarmen auf Befehl der Regierung ermordet. Lepsius, Dtschl. und Arm. S. 109.

13) Die Polizei in Konstantinopel hat nachträglich zwei Bilderbücher mit Haufen von Gewehren, Bomben, Fahnen und dergl. veröffentlicht, die nur Unkundige über den Wert solcher Machwerke täuschen können. Eine Charakteristik dieser Publikation hat die Deutsch-Armenische Gesellschaft veröffentlicht.

14) Vgl. den Bericht des deutschen Botschafters Freiherrn von Wangenheim in Lepsius, Dtschl. und Arm. Nr. 38. „Die Behauptung, es lägen Beweise vor, daß für den Tag des Thronbesteigungsfestes ein Putsch beabsichtigt gewesen sei, erklärte Talaat Bey für unzutreffend.“ Die Pforte selbst erklärte offiziell die Verschickung der Konstantinopler Intellektuellen nur für eine Vorbeugungsmaßregel.

15) Die letzte türkische Lesung lautete, daß alle 180 000 Muselmanen von den Armeniern massakriert worden seien. Vgl. Lepsius, Dtschl. und Arm. S. LXXIII f.

16) Vgl. dazu die Berichte des deutschen Konsuls Herrn Anders in Lepsius, Dtschl. und Arm. Nr. 5, 6 und 10.

17) Das später erschienene Communiqué der türkischen Regierung über die Vorgänge in Urfa wird von dem deutschen Konsul Herrn Roeßler in Aleppo in seinem Bericht vom 16. November 1915 einer Kritik unterzogen. Lepsius, Dtschl. und Arm. Nr. 202.

18) Vgl. Lepsius, Dtschl. und Arm. Einl Kap. V, 5: Die offizielle Motivierung. S. LXVI ff.

19) Vgl. die Urteile der deutschen Botschafter und Konsuln ebenda S. LXXVI ff.

20) Vgl. das Urteil des deutschen Botschafters Graf Wolff-Metternich in Lepsius, Dtschl. und. Arm. Nr. 287.

21) Vgl. die Urteile deutscher Konsuln in Lepsius, Dtschl. und Arm. S. LXXVI ff.

22) Wäre die Türkei siegreich aus dem Krieg hervorgegangen, so wäre allerdings nicht daran zu denken gewesen, daß der Raub des gesamten Nationalgutes des armenischen Volkes wieder rückgängig gemacht worden wäre. Auch jetzt wird es schwer sein, auch nur einen beträchtlichen Teil der beweglichen Habe den Dieben und Räubern, die daß Gut schon längst verschleudert haben werden, zu entreißen.

23) Vgl. den Bericht über die Verhandlungen im türkischen Senat vom Oktober und November 1915 in Lepsius, Dtschl. und Arm. Nr. 223.

24) Vgl. zu diesem Kapitel den Abschnitt: Zwangsbekehrungen zum Islam, in der Einleitung von Lepsius, Dtschl. und Arm. und ebenda die Konsularberichte laut Sachregister unter Zwangsbekehrungen.

25) Vgl. den Bericht des deutschen Vizekonsuls Herrn Kuckhoff vom 4. Juli 1915 aus Samsun, Lepsius, Dtschl. und Arm. Nr. 116 Anlage.

26) Nur unter den syrischen Nestorianern gab es eine kleine hochkirchliche Mission, die am Sitz des nestorianischen Patriarchen in Kodschannes bei Djulamerg im oberen Zabtal und in Urmia auf persischem Gebiet eine Vertretung hatte und eine Art Nuntiatur des Erzbischofs von Canterbury bei dem nestorianischen Patriarchat bildete. Diese hochkirchlichen Herren haben niemals mit Armenien oder der armenischen Frage zu tun gehabt und sich ausschließlich auf die syrischen Nestorianer beschränkt.

27) Dies war Anfang 1916 geschrieben. Nach der Vernichtung ihres Volkstums in der Türkei würden es jetzt natürlich alle noch Überlebenden Armenier ablehnen, unter türkische Herrschaft zurückzukehren.

28) Vielleicht wird Herr Bratter nach der Veröffentlichung der diplomatischen Aktenstücke über den Vernichtungskampf der Türken gegen die christlichen Armenier durch die Urteile der deutschen Botschafter und Konsuln jetzt eines Besseren belehrt werden.

29) Den genannten Städten ist noch Aleppo hinzuzufügen, wo dank der rastlosen Bemühungen des deutschen Konsuls wenigstens die ortsansässige Bevölkerung von der Deportation verschont blieb. Die Armenier von Bagdad waren zunächst nach Mossul deportiert worden und sollten von dort weitergeschafft werden. Der Einspruch des Feldmarschalls Freiherrn von der Goltz, der den Weitertransport untersagte, wurde von der Regierung in Konstantinopel erst respektiert, als der Feldmarschall wegen dieser Sache telegraphisch um seine sofortige Abberufung bat. S. Lepsius, Dtschl. und Arm. Einl. S. LIX und Aktenstück Nr. 224.


30) Über den Gesamtverlust an Ermordeten und Verhungerten, der auf eine Million geschätzt wird, vgl. Lepsius Dtschl. und Arm. Einleitung V, 4, S. LXIII, das Kapitel: Opfer.