Textdaten
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Autor: Johann Gottfried Herder
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Titel: Der Thron der Herrlichkeit
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aus: Zerstreute Blätter (Dritte Sammlung) S. 294-296
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Erscheinungsdatum: 1787
Verlag: Carl Wilhelm Ettinger
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Erscheinungsort: Gotha
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Quelle: ULB Düsseldorf und Commons
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[294]
Der Thron der Herrlichkeit.


Zu sehr vertiefte sich ein frommer Betrachter in die Anschauungen des Unerschaffnen; und vergaß darüber die Geschäfte seines Berufs, die nothwendige Bürde eines Sterblichen der Erde.

Einst als er in tiefem Nachsinnen vor seiner mitternächtlichen Lampe saß, entschlief er und es eröfneten sich ihm im Traum die Pforten des Himmels: er sah, was er so lange zu sehen gewünscht hatte, den ewigen Thron. Um und um mit Feuer umgeben, schwebte derselbe auf siebenfach-dunkeln Wolken, aus denen Blitze fuhren, in denen Donner krachten; und vor und hinter ihm war Nacht.

Erschrocken wachte er auf; aber noch nicht belehret. Er sehnte sich die Gestalten des Throns zu sehn und sank abermals in seinen anschauenden Schlummer. Die vier Lebendigen trugen den [295] Thron: mit ihren Angesichtern blickten sie und mit ihren Flügeln schwebten sie nach allen vier Seiten der Schöpfung, vollbringend die Befehle Jehovahs. Feuriger Schweiß rann in Strömen von ihnen herunter und von der rastlosen Bewegung waren sie so betäubt, daß sie nicht wußten, wie nahe sie dem Thron ständen und welche die Herrlichkeit sei, die sie trugen. Eben wollte die menschliche Gestalt des heiligen Wagens zu ihm treten, als plötzlich sein Traumgesicht verschwand, so daß er noch unruhiger war, als er vorher gewesen.

Er wünschte die anschauenden Engel zu sehen und der prophetische Schlaf umfing ihn zum drittenmale. Die Seraphim standen da, zunächst dem flammenden Throne; aber ihre Angesichte waren verdeckt, verdeckt ihre Füsse und ihr Gesang war ihm unvernehmlich; bis Einer derselben zu ihm trat und ihn mitleidig anredete: „Und du Sterblicher wagest es, anschauen zu wollen, [296] was wir nicht anzuschauen vermögen? Genüge dich an dem Gesicht, das dir die Träger des Thrones gaben: denn auch du bist mitten unter ihnen.“ Er sprachs und der Träumende erwachte.

Eben flog eine Mücke vor seiner Lampe daher; sie wagte sich in die Flamme und sank mit versengeten Gliedern nieder. „War ich nicht thöricht, sprach er zu sich selbst, daß mich ein Engel belehren mußte, wovon mich diese verbrannte Mücke belehret?“ – Er entsagte fortan den Betrachtungen der Seraphim und ward das, wozu der Mensch hienieden erschaffen ist, ein arbeitendes Lebendiges unter dem Throne.