Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Der Thomanerchor zu Leipzig
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 39, S. 665
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1894
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[665]
Der Thomanerchor zu Leipzig.

In den Hallen der vor mehreren Jahren neu hergerichteten Thomaskirche in Leipzig sehen wir den Thomanerchor versammelt zu löblichem Thun unter der kunstverständigen Leitung seines Kantors vor einem großen Publikum aus allen Ständen; denn dieser Chor erfreut sich allgemein einer ausnehmenden Beliebtheit. Es sind die Schüler, die im Alumneum der Thomasschule Kost und Wohnung erhalten gegen die Verpflichtung, sich gesanglich auszubilden und sowohl beim Gottesdienste als auch bei anderen Feierlichkeiten als Gesangchor mitzuwirken. Milde Stiftungen haben es möglich gemacht, daß auch arme Schüler sich in solcher Weise eine wissenschaftliche Vorbildung aneignen, welche durch die Pflege des Gesangs mehr gefördert als beeinträchtigt wird.

Der Thomanerchor hat eine sehr lange Geschichte, die bis auf das dreizehnte Jahrhundert zurückgeht; denn schon die Klosterschüler des Thomasklosters haben den Chorgesang gepflegt. Doch erst als mit der Reformation das Kirchenlied zur Blüte kam, gewann der Thomanerchor eine durch Jahrhunderte hindurch behauptete Bedeutung für die Stadt Leipzig. Er war ein volkstümlicher Gesangverein; in seiner Chortracht, deren wesentliche Merkmale in einem hohen Hute und schwarzen Mantel bestanden, war er bei Kindtaufen und besonders bei Begräbnissen, sowie bei jeder Kirchenfeier anwesend; man hätte ihn vermißt, wenn er nicht zugegen gewesen wäre. Seit der Vergrößerung der Stadt Leipzig mußte natürlich die Wirksamkeit des Chors immer beschränkter werden; so wurde vor allem das Begräbnissingen, obgleich es für die jungen Leute eine Einnahmequelle bildete, abgeschafft, ebenso die Chortracht. Hin und wieder wirken dafür die Thomaner in Konzerten mit, besonders bei denen des Gewandhauses, hier gewöhnlich im Neujahrskonzert, sowie bei Festen mit idealen Zwecken wie bei dem Leipziger Schillerfest. Früher befand sich das Alumneum in den oberen Stockwerken der alten von der Zeit geschwärzten Thomasschule in der Nähe der ehrwürdigen Pfarrkirche; seitdem 1877 die Thomasschule in ein neues Gebäude in dem sogenannten musikalischen Stadtviertel übergesiedelt ist, hat auch das Alumneum in einem stattlichen Bau ein neues Unterkommen gefunden.

An den Thomanerchor knüpfen sich große Erinnerungen der Musikgeschichte; von Johann Sebastian Bach bis in die neueste Zeit befanden sich anerkannte musikalische Meister unter seinen Kantoren, die sich nicht bloß um die Kirchenmusik, sondern auch um die Musikwissenschaft unvergängliche Verdienste erworben haben; wir nennen noch Moritz Hauptmann, E. F. Richter und Wilh. Rust, dem 1892 Gustav Schreck gefolgt ist. Der Thomanerchor, der außer durch seine sonntägliche Kirchenmusik auch durch die Sonnabendmotetten erfreut, hat natürlich nicht die Tonfülle der Männerchöre oder der gemischten Chöre, die ja einem aus Knaben und Jünglingen bestehenden Chor versagt sein muß; aber er wirkt desto mehr durch sein piano und pianissimo, welches der andächtigen Stimmung der Kirchengänger sich anschmiegt. Noch heute gilt von ihm, was die „Gartenlaube“ vor Jahren einmal ausgesprochen hat, damals, als das Alumneum in sein neues Heim übersiedelte: der Thomanerchor ist „ein Hort des evangelischen Kirchengesangs“. †