Textdaten
<<< >>>
Autor: L.
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Der Stolz der Familie
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 7, S. 124
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1879
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[124] Der Stolz der Familie. (Zu dem Bilde S. 113.) Es ist eine noch wenig bemerkte culturgeschichtliche Beobachtung, daß sich das jeweilige Verhältniß der Völker zu den Fürsten immer auch in dem Verhältniß der Kinder zu ihren Eltern wiederspiegelt. Die letzte Hälfte des vorigen Jahrhunderts, in welcher der patriarchalisch-absolutistische Geist auf den Thronen den Höhepunkt seines Selbstbewußtseins erreichte, in welcher die Anrede „Er“ für den Niedrigerstehenden die größtmögliche Erweiterung der Kluft zwischen ihm und dem Höherstehenden bezeichnete, – diese letzte Hälfte des vorigen Jahrhunderts ist zugleich durch die tiefste Unterordnung der Kinder unter die Autorität der Eltern und das höchste Autoritätsbewußtsein der letztern bezeichnet. Das war die Zeit, da die Kinder den Eltern die Hand küßten und dieselben mit „Sie“ anredeten selbst bis in die untersten Stände hinab, die Zeit, in welcher es für ein strafwürdiges Vergehen galt, wenn die Kinder etwas besser wissen zu wollen, klüger zu sein sich erdreisteten als ihre Eltern. Aus jener Zeit ist die bekannte Formel für eine strafende Abweisung solcher Ueberhebung auf uns gekommen. „Das Ei will klüger sein als die Henne.“

Die demokratische Umwandlung des folgenden halben Jahrhunderts hat auch die Eltern den Kindern wieder genähert, die äußeren Zeichen unterwürfiger Devotion sind geschwunden, und wenn bei uns auch nicht, wie in dem eingefleischt republikanischen Amerika, die Jugend sich des Besitzes ihrer Freiheit bis zu dem Grade erfreut, daß sie zur Verteidigung ihres Willens über Revolver verfügt, so ist ihr doch nicht nur nicht verwehrt, klüger zu werden als die Eltern – im Gegenteil, der Wettkampf der entfesselten Kräfte hat es zum Ziel elterlicher Sehnsucht gemacht, von seiten der Kinder ein Maß an Kenntnissen und Bildung errungen zu sehen, welches jenen zu erreichen verwehrt war. Zu keiner Zeit hat die Schule eine solche Bedeutung gehabt, eine solche Förderung erfahren, und zu keiner Zeit haben die Eltern mit der nämlichen Aengstlichkeit die Leistungen ihrer Kinder verfolgt, wie jetzt. Welch ein Kummer, wenn der Sohn zu den unfähigen, welcher Stolz, wenn er zu den besten gehört!

Unser Künstler hat dieser letzteren Empfindung den sprechendsten Ausdruck gegeben. Wohlgefälliger, breiter, behäbiger kann dieser Stolz auf das jugendlich aufgehende Familienlicht, welches da voll feiner Lesefertigkeit vor dem großelterlichen Besuch Zeugniß ablegt, sich nicht geben, als in Haltung und Miene des glücklichen Vaters, verklärter seine Bewunderung des kleinen Hausgötzen nicht ausdrücken als im Antlitz der Großmutter, und wenn man das, was dem würdigen Alten auf den Lippen schwebt, mit zwei Worten sagen wollte, die wir ebenso gut zur Unterschrift unseres Bildes hätten wählen können, so würden diese zwei Worte lauten: „Ein Teufelsjunge!“

[113]

Der Stolz der Familie.
Nach seinem Gemälde auf Holz gezeichnet von E. Zimmermann in München.