Der Stadt Hamburg Statuta und Gerichts Ordnung/Teil 4
Dieweil die Gotteslästerung eine schreckliche abscheuliche Sünde ist / die des Allmächtigen gerechten Zorn / auch zeitliche und ewige Straffe veruhrsachet / und gleichwol verwegene Ertzbuben und gottlose Leute werden gefunden / die aus teuflischer Boßheit / und vermessenem leichtfertigem Gemüthe / sich solcher gottslästerlichen Schmähungen fürsätzlich unterfangen / so werden dieselben [351] auch nach befindlicher Gelegenheit / wegen solcher Gotteslästerung / entweder am Leib / oder sonst mit Gefängnüß / oder Verweisung / gestrafft.
Die Zauberer und Zauberinnen / die mit verbotenen Mitteln / dem Menschen oder dem Viehe / an Leib und Leben Schaden zufügen / oder auch / die aus bösem Vorsatz von GOtt und seinem heiligen Wort vergessentlich abtreten / und mit dem bösen Feinde sonderbahre hochärgerliche Verbündtnüsse machen / werden / nach Gelegenheit ihrer beweißlichen Verwirckung / mit Feur / oder mit dem Schwerdt / am Leben gestrafft.
Ein Verrähter / der aus verrätherschem boßhafftigem Gemüthe / sein Vaterland / seinen [352] Herrn oder Obrigkeit / auch seinen Nechsten verrathet / und dadurch kundbahr Unglück / und hochschädlich Unheil wissendlich verhänget / und würcklich veruhrsachet / sol geviertheilt / oder so die Verbrechunge nicht gar groß / mit dem Schwerdt hingerichtet werden.
Ein falscher Müntzer / der falsche Müntz machet / oder aus eigenem Vorsatz / falsch Müntz-Werck anrichtet / wie auch / der Rath und That zu solchem falschen Müntzwerck gibt / oder auch sonst fürsätzlich und wissentlich / solche falsche Müntze zu verwechseln / und unter die Leute zu bringen / oder Fürschub darzu zu thun / sich kundtbahrlich anmasset / sol mit dem Feuer am Leben gestraffet werden. Die aber gute / und im heiligen Römischen Reiche gangbahre Gülden oder Silbern Müntze / aus vortheilhafftigem Gemüthe beschneiden / und dieselbe betrieglicher Weise an der Wicht dardurch zu verringern sich unterstehen würden / sollen nach Gelegenheit der Verwirckung / und auch auff vorhergehende Æstimirung[1] des geuhrsachten Schadens / der damit dem gemeinen Gute / und einem jeden / insonderheit aber den armen unvermügenen [353] und einfältigen Leuten ist angefüget / an ihren Ehren / oder auch an ihren Gütern / nach ermässigung unnachlässig gestraffet werden.
Der einen offenbahren Meineydt oder falschen Zeugen Eyd vor Gerichte schweret / und solches falschen[2] Meineyds ist mit Rechte überzeuget / derselbe / wo fern es zeitlich Gut belanget / ist solch fälschlich abgeschwornes Gut / da es in seinem vermügen / wiederümb zu erstatten schüldig / und wird daneben seines Standes und Ehren dadurch anrüchtig / er sol auch hernachmahls vor einen Zeugen nicht zugelassen / sondern verworffen werden. In peinlichen Sachen aber sol der Meineydiger Mensch mit ebenmässiger und gleicher Straffe / darinn er den andern mit seinem falschen Eyde hat geführet / wiederümb belegt werden.
[354] Wird jemand / seiner straffbahren Verwirckung halben / durch Urthel und Recht / ohne Specificirung oder Ernennung einer gewissen Zeit / aus dieser Stadt und Gebiete religirt und verwiesen / auff den Fall sol solche Relegatio oder Verweisung auff zehen Jahr verstanden werden / Da auch einer / wegen seiner Mißhandlung und Verwirckung auff zwey / drey / oder vier Jahr / und also auff gewisse Zeit / jedoch weniger dann auff zehen Jahr / aus dieser Stadt und Gebiete wird relegiret / und aber mit Hindansetzung seiner beschwornen Urphede / vor Außgange solcher specificirten Jahre wiederümb in dieser Stadt und Gebiete wird betreten und behardet: So sol derselbe / von der Zeit seiner Wiederkunfft anzurechnen / dadurch nochmahls die nechstfolgende zehen Jahr lang dieser Stadt und Gebiete sich verlustig machen. Wäre aber jemand auff zehen Jahr verwiesen / und derselbe in den noch wehrenden zehen Jahren in dieser Stadt und Gebiete wiederümb finden lassen würde: Sol er dieser Stadt und Gebiete zu ewigen Tagen verfestet / Auch darüber nach Befindung seines Frevels / und muthwillig gebrochene Urphede / am Pranger mit Ruthen gezüchtiget werden. So nun ferner derselbe / der aus dieser Stadt also ist mit angehaffter Bedrauung verfestet und verleutet / hernach vergessentlich wieder auff dem friedlosen Lande wird betreten / und in gefänckliche Hafft gebracht / sol derselbe an seinem frey höchsten gestraffet werden. [355]
Der einen Schmähe-Brieff ohne seinen Nahmen und Zunahmen außsprenget / und damit andere in ihrer Unschuld / an ihren Ehren und Nahmen bößlich verleumbdet / derselbe sol die Peen und Straffe / dero er den andern gefährlicher Weise schüldig zu machen vermeynet / an sich selbst haben zu gewarten. Gleicher gestalt sol auch derselbe / der falsche Instrument / oder falsche Brieffe aus bösem Vorsatz machet / und andere damit gefährlich zu betriegen / und zu benachtheilen Fürhabens / nach Gelegenheit der Verwirckung / mit Gefäncknüß / oder Verweisung / oder Verfestung belegt werden.
[356] Der sich unterstehen wird / falsche Masse / Ellen und Gewichte / vorsetztlicher Meynunge zu gebrauchen / und andere damit betrieglich zu benachtheiligen / der sol nicht allein dessen / was also gemessen oder gewogen / verlustig / sondern auch / nach Geschaffenheit der Verbrechung willkürlich gestraffet werden.
Ein Kirchenräuber oder Kirchenbrecher sol mit dem Rade / oder ein Mordtbrenner mit Feuer am Leben gestrafft werden.
Ein Seeräuber / der mit eigenthätlicher Zunöthigung / anderer Seefahrenden Schiffe / oder auch Kauff-Leute auff der freyen See / oder auf freyen Haven und Strömen / gewaltsamer Weise anfällt / dieselben oder ihre Güter beraubet / und entweder sonst an Leib oder an Gut beschädiget und beleidiget / und solches Angriffs [357] oder Beleidigung / wie recht wird überweiset / sol mit dem Schwerdt gerichtet werden.
Wie dann auch die Schiffs- und Boß-Knechte[5]/ die aus bösem muthwilligen Vorsatz / in den Haven an der Elbe / und an andern Oerten / den Leuten die daselbst gesessen / ihre Schaffe / Ochsen / Gense / und andere Victualien mit eigenthätlicher Gewalt wegnehmen / wann darüber wird geklaget / und sie solcher Verwirckung werden beweißlich überwunden / nach Ermässigung sollen gestraffet werden. Der sich auch unter Schiffern und Schiffsknechten unterstehen würde / einigen Ballast / es sey von Sand / Steinen oder anders / aus dem Schiffe heimlich oder offenbahr in die Elbe zu werffen / sol solches mit zwantzig Goldgülden zu büssen schüldig seyn. [358]
Es sol auch niemandt sich unterfangen / die jungen Hestern vor den Thoren / oder vor dem Eich-Holtz / oder die Wieden auff oder bey den Wällen / bey ernstlicher willkührlicher Straffe behauen / oder zu vernichtigen.
Da auch ein oder mehr der Schiffs- und Boß-Knechte / ihre Schiffere auff der See / oder in frembder Have / mit verbotener trotzigen Anmuthung nöthigen / daß sie ihnen mehr und grösser Lohn oder Häure / als im Anfange zwischen ihnen beliebet / müssen versprechen / oder auch wol dieselbe in andere Haven oder Plätze wider ihren Willen zu siegeln dringlich zwingen würden: Sol sollen dieselben muthwilligen Schiff-Knechte [359] / wann / sie dessen überzeuget / ernstlich gestraffet / und in dieser Stadt und Gebiete nicht geduldet werden.
Der sich verdriftet / Feide-Breiffe / mit feindlicher Bedrauung des Mordtbrennens / an eine Obrigkeit / oder Gemeine außzuschreiben / oder auch solche Feide-Brieffe oder Brandt-Zeichen an gemeine Plätze öffentlich oder heimlich selbst anzuschlagen / oder durch ander anschlagen zu lassen / derselbe sol wegen seines boßhafften gefährlichen Vorsatzes / am Leben gestraffet werden.
Da auch einer aus leichtfertiger Unachtsamkeit / da kein boßhafftiger Vorsatz bey zu finden / oder auch aus Verwarlosung / ein Feuer / und dadurch [360] durch Schade veruhrsachet wird / derselbe sol / neben billiger Erstattung des geuhrsachten Schadens / nach Ermässigung gestrafft werden / welches auch den jenigen / die sich unbedachtsamer Weise anmassen / Büchsenpulver in ihre Keller / Gewelbe / oder Packhäuser in der Stadt verwahrlich nieder zu legen / sol ebenmässig begegenen und wiederfahren.
Ein Mörder / Strassen-Räuber oder Landzwinger / der aus gefastem boßhafftigen Vorsatz / einen oder mehr / entweder hinterlistig ermordet / oder auff freyer Land-Strassen bößlich anfällt und erwürget / sol mit dem Rade getödtet / und dessen Gliedmassen mit dem Rade zerstossen / und der todte Körper darauff gelegt werden.
Der aber sonst / aus unbesonnem hitzigem Gemüthe / einen andern mit mördtlicher Wehre / [361] es sey mit Büchsen / Schwerdten / Dolchen / Messern / Steinen / oder wie solches / damit einer an Leib und Leben kan beschädiget werden / Nahmen haben mag / würde entleiben / derselbe sol das jenige / was er an einem andern begangen / mit seinem Leibe wieder büssen / und mit dem Schwerdte gerichtet werden.
Es wäre dann / daß einer bey beschehenem Niederschlage / eine rechte Nothwehre könte erweisen / als daß er aus augenscheinlicher und unumbgänglicher Noth / zu Rettung seines Leibes und Lebens / von dem Zunötigern sich nicht anders entfreyen oder loßwircken mögen / sondern daß er entweder selbst sein Leben lassen / oder sich des Zunötigers erwehren / und denselben niederlegen müssen / derselbe wird auff solchen Fall von der ordentlichen Straffe des Todtschlages entfreyet.
[362] Würde jemand nach gethanem fürsätzlichem Todtschlage / aus dieser Stadt und Gebiete flüchtig werden / der sol durch öffentlich Proclama, in benanter Zeit zuerscheinen / peremptoriè citieret werden / erscheinet derselbe alßdann nicht / so sol gegen denselben / nach angehörter Klage und geführtem Beweißthumb / mit der Verfestung verfahren werden.
Würde jemand / er wäre ein Bürger / oder eines Bürgers / zu Verrichtung seiner Sachen / bestelter Diener / in- oder ausserhalb dieser Stadt Gebiete / es sey an was Ort es wolle / von einem andern entleibet oder todt geschlagen / auff den Fall sol der Thäter / er sey Bürger oder frembder / in dieser Stadt sich keines Geleits oder Sicherheit zu erfreuen haben / sondern sol derselbe / wo fern er in dieser Stadt oder dero Gebiete wird betreten / des Rechts Außtrag erwarten.
[363]
Wie dann auch derselbe / der aus Irrung der Person einen andern / den er zu beschädigen nicht gemeinet / vom Leben zum Todt bringet / sich mit solchem vorgewandten Errore oder Unwissenheit / von der ordentlichen Straffe des Todtschlages nicht kan loß wircken / sondern wird / als ein ander Todtschläger / mit dem Schwerdt am Leben gestraffet.
Würde aber ein Unsinniger / oder auch ein Minderjähriger / der viertzehen Jahr seines Alters noch nicht erreichet / einen Niederschlag thun / und einen andern entleiben / derselbe wird mit der ordentlichen Straffe des Todtschlages / aus bewegenden Uhrsachen / verschonet.
[364]
Wofern die Kinder ihre Eltern / oder die Eltern ihre Kinder / aus bösem teuflischem Vorsatz mördtlich umbbringen / oder sonst durch Gifft / ihres Lebens berauben / so sol solcher Eltern- oder Kinder-Mörder / mit glüenden Zangen angegriffen / und darauff lebendig mit dem Rade getödtet werden. Da auch solcher schrecklicher Mordt an Schwester / oder Gebrüdern / oder andern nahe verwandten Bluts-Freunden würde begangen / auff den Fall sol solcher Mörder / mit dem Rade am Leben gestraffet werden. Imgleichen sollen auch die jenigen / die ihre eigene Kinder umbbringen / oder auch aus teuflischem Gemüthe / die lebendige Frucht ihres Leibes abtreiben / und also des Lebens berauben / an ihrem Leben wieder gestraffet / und mit dem Schwerdt hingerichtet / oder im Wasser ertrencket / oder lebendig begraben werden.
[365]
Würde einer von etlichen überfallen / oder sonst bey einem erregten Unwillen / einen gefährlichen Stich / Stoß / oder Schlag bekommen / und darüber todts verfahren / und man den Thäter könte unterscheiden / so ist derselbe auch dadurch der Straff des Todtschlages unterworffen / und müssen die so mit in flocken und führen / und bey der That an- und über gewesen / des begangenen Excesses halben / dem Rechte büssen.
Da man aber den Thäter / der den Niederschlag gethan / nicht eigentlich kan wissen und erfahren / so werden dieselbe mit der Leibes-Straffe verschonet / sondern mit Verweisunge / oder sonst / nach befindlicher Beschaffenheit der Sachen / gestraffet / es sey dann / daß außfündig könte gemacht werden / daß in wehrendem Unwillen und Schlägereyen / einer oder mehr / dem Entleibten sehr zugeeilet / und ihre Wehre geblösset / oder auch sonst andere erhebliche Anzeige und Vermuthung gegen dieselbe verhanden / so können dieselben dadurch zu der scharffen Frage und Erkündigung der Wahrheit / wol geführet und gebracht werden.
[366]
Der aus rachgirigem oder unruhigem boßhafftigem Gemüthe / einen Auffruhr des gemeinen Volcks gefährlich anstifftet / und dessen mit Grund der Wahrheit wird überzeuget / kan dadurch / nach Beschaffenheit seiner Verwirckung / seines Lebens / oder seiner Ehren und Leumuths / sich verlustig machen.
Der einem andern seine Ehe-Frau oder Tochter / freventlicher / fürsetzlicher / oder betrieglicher Weise / wider des Ehemanns oder der Eltern / Willen / heimlich oder öffentlich entführet / wie dann auch die jenigen / die einer Jungfrauen / Ehefrauen oder Wittwen / wider derselbigen Willen / mit Gewalt ihre Ehre nehmen / oder dieselbe Nothzüchtigen / haben damit ihr Leben verwirckt / und wird denselben das Haupt abgeschlagen.
[367]
Dieselbe / so eine Blutschande mit einander begehen / und in auff- oder absteigender Linien sich verwandt seyn / werden solcher Ubelthat halben mit dem Schwerdt am Leben gestraffet. Die aber mit den nahen Verwandten in linea collaterali, oder nahe beschwegerten Personen / unter welchen die Ehe zu Rechte verboten / solche Schande begehen / werden entweder mit Ruthen am Pranger / oder sonst mit Verbannung oder Verweisung / nach Befindung der nahen Sipschafft / gestraffet.
Wann aber ein Unverehelichter / einer Jungfrauen ihre Jungfräuliche Ehre nimpt / oder eine unberüchtigte Wittwe fleischlich erkent / so ist er dieselbe zu eheligen / oder ihr nach ihrem Stande den Brautschatz zu entrichten / auch da sie ein Kind von ihm gezeuget / demselben die Alimenta und Unterhalt zu [368] schaffen / und wegen der Verbrechung / dem Rechte nach Ermässigung zu wetten schüldig.
Gleicher gestalt / wann jemand eine unberüchtigte Magd / fleischlich erkandt / sol derselbe das Kind unterhalten / und ihr / wann sie sich ehelich befreyet / zur Außsteuer verhelffen / und dem Gerichte den Bruch erlegen.
Da auch zwischen Knechten und Mägden / oder andern geringes Standes ungeehlichten Personen / solch Beyschlaffen geschehen würde: So sol gleichfalls der Knecht oder Geselle / die Geschwängerte zur Ehe nehmen / oder derselbigen eine billige Außsteuer / wann dieselbe an einen andern vereheliget / zu geben / und sol wol die Geschwängerte in den sechs Wochen / als auch das Kind zu alimentiren, und demselbigen den nothdürfftigen Unterhalt zu schaffen schüldig seyn. Würde aber / die / so einmahl geschwängert / zum andern mahl sich versehen: So sol derselbe / der sie alsdann geschwängert / das Kind zu alimentiren, auch ihr in den Sechs-Wochen die Nothdurfft zu schaffen / aber sonst keinen andern Außgaben / dieser geschwängerten Person halben / weiter verbunden seyn. Da dann dieselbe Weibs-Person / sich zum dritten mahl in den Dreck legen / und geschwängert würde / so sol der Beyschläffer / der Geschwängerten nichts / sondern alleine dem Kinde die alimenta[10] zu reichen schüldig seyn / jedoch dem Rechten / in allen Fällen die Straffe vorbehalten / und sol auff den Fall die Geschwängerte in dieser Stadt / ferner nicht gelitten werden.
[369]
Wann einer Ehebrüchig wird an seiner ehelichen Haußfrauen / und sich mit eines andern Mannes ehelichen Haußfrauen unehrbahrlich vermischet: So sol der Ehebrecher zum ersten mahl / mit einer scharffen Geldbuß / zu ein hundert Reichsthalern / belegt; da er aber mit einer ledigen Personen zu schaffen hat / mit funfftzig Reichsthalern gestrafft werden / und so er dieselbe nicht hat zu bezahlen / sol er sich dieser Stadt und Gebiete so lange / biß er die Straffe erlegt hat / enthalten. Da er aber zum andern mahl / solches Ehebruchs / mit einer ehelichen Fraues-Personen / wird schüldig befunden / sol derselbe / mit solcher erwiederten Verwirckung / sich dieser Stadt Wohnung verlustig machen.
Wie dann auch ein Eheweib / daß an ihrem Ehemanne Ehr- und Treuloß wird / und der Ehemann sie wieder zu sich zu nehmen beharrlich verweigert / mit gefänglicher Hafft belegt / oder am Pranger mit Ruten gezüchtiget / und dieser Stadt und Gebiete sol verweiset werden.
[370]
Es mügen auch die Gerichts-Diener / auff vorgehenden Befehl des Gerichts-Verwalters / auff verdächtige und berüchtigte Personen fleissige Achtung geben / und zu Erkündigung der Wahrheit / an den verdächtigen Oertern / Thüre und Fenster öffnen / und die jenigen / so bey nächtlicher Weile ohne brennende Licht unbekleidet / an solchen verdächtigen Oertern werden befunden / gefänglich annehmen.
Der auff eine Zeit zwo Ehefrauen wissentlich zu gleich hat / und dessen mit Rechte wird überwunden / sol mit dem Schwerdt am Leben gestraffet werden. Wie es auch mit den Eheweibern / die wissentlich mit zween Ehemännern in den ehelichen Standt sich begeben / [371] ebenmässig sol gehalten / und solche Personen / wegen ihrer hochärgerlichen Mißhandlung / mit dem Schwerdt gerichtet werden.
Da es aber aus beweißlicher Irrung / sich zutragen möchte / als wann der Ehemann in abgelegenen Oerten sich über vier oder fünff Jahr auffgehalten / und seiner Haußfrauen in mitler Zeit von seinem Zustande nichts zu wissen gethan / viel weniger ihr und seinen Kindern die Nothdurfft und Unterhalt / die Zeit über verschaffet / daß darüber die Ehefrau / auff vorgehende vergebliche Außkündigung ihres abwesenden Ehemannes Gelegenheit / und auff angeruffene Hülff des Gerichts / in beständiger Meynung / daß derselbe todts verfahren / zur andern Ehe sich würde oder hätte begeben: So wäre auff den Fall / auff des ersten Ehemanns Wiederheimkunfft / kein Ehebruch begangen / Jedoch wird auff solchen Fall / der erste Ehemann wiederumb zu seiner Ehefrauen gestattet / und der ander Ehemann davon abgewiesen / und seyn gleichwol die Kinder / die in des ersten Ehemannes [372] Abwesen / von dem andern Ehemanne in wehrender Ehe gebohren / vor ehrlich zu achten.
Ein Dieb der auff frischer Handhaffter That wird ergriffen / daß er einen Diebstal mit Einsteigen oder Einbrechen begangen / der sich über fünff Ungarische Gülden oder mehr erstrecket / sol vor Gerichte gestellet / und auff vorgehende Rechtliche Erkäntnüsse mit dem Stricke am Leben gestraffet werden.
Da aber der Dieb zuvor niemahl gestohlen / und auch nirgends eingebrochen / oder Thür und Fenster bestiegen / der Diebstal auch nicht übermässig / und sich nicht zu vorgesetzter Geldsumm erstrecket / sondern der Dieb aus jugendtlicher Unwissenheit / und Verleitung böser Gesellschafft / oder auch aus Hungers-Noth etwas entwendet / derselbe sol zum ersten mahl mit Gefängnüß / zum andern mahl mit Ruten am Pranger gezüchtiget / und da er zum dritten mahl beweißlich in dem Diebstal / der sich zu vorangedeuteter Geldsumm / oder ein mehrers erstrecket / wird betreten und überweiset / mit dem Stricke am Leben gestraffet werden.
Der einen Dieb auff seinem Garten / oder in seinem Hause / auff handhaffter Unthat oder Diebstall begreifft / [373] hat frey Macht / denselben betretenen Dieb mit Schlägen wol abzuschmieren. Da aber der Dieb mit einem Eggewapen[12] sich erwehren / und den Haußwirth eigenthätliches Frevels zu beleidigen sich anmassen / und darüber entleibet würde / auff den Fall / ist der Haußwirth mit der Straffe des Todtschlages nicht zu belegen; wie dann auch in dem Fall / da der Haußwirth bey Abendzeit / oder bey nächtlicher Weile / einen bewehrten Dieb in seinem Hause oder Garten betreten / und auff des Diebes Gegenwehr / an demselben einen Niederschlag begehen würde / so ist er auch dadurch keiner Leibs-Straffe unterworffen.
Wann ein Diebstall mit Einbrechen oder Einsteigen wird begangen / oder sonst viel auff sich hat: So werden auch die jenigen / die zu solchem Diebstall mit Anweisung Fürschub gethan / und geholffen / und heimlichen Unterschleiff halten / oder das gestohlen Gut mit gepartet und gebeutet / auch so viel davon genossen / da sonst ein Dieb sein Leben mit verwircket / der ordentlichen Straffe des Diebstals unterworffen / oder nach Befindung [374] der Verwirckung am Pranger gestrichen / und dieser Stadt und Gebiete verweiset / wie dann auch die jenigen / die in Feuers oder Wassersnoth / unterm Schein Christlicher mitleidentlicher Hülffe und Rettung / aus bösem Vorsatz / solche Güter dieblich entwenden / nach Ermässigung des Diebstalls / mit dem Strange / oder Staubschlägen / oder Verweisung / sollen gestraffet werden.
Der gestohlen Gut / es sey lebendige Hafe / oder wie es Nahmen haben müge / mit gutem Titul an sich bringet / kan darumb keines Diebstalls beschüldiget werden / wann er gutes Nahmens / und solchen seinen Titul mit seinem Eyde kan bestrecken / wofern aber der rechte Eigenthums-Herr dasselbige Gut für das Seine anspricht / und solchen Anspruch / wie Recht / kan begründen / so wird ihm billig / solch gestohlen Gut ohne Entgeltnüß restituiret und wieder eingehändiget / und muß derselbe / der solch gestohlen Gut gekaufft / wann schon solcher Kauff auff dem offenem Marckte geschehen / sein Geld / das er dafür außgegeben / entrathen.
Der gestohlen Gut einem Diebe abnimpt / sol solches den Gerichten anzuzeigen gehalten seyn / und da derselbe [375] / dem es zugehörig / und den Eigenthum gnugsam kan beweisen / solch Gut wieder fordert: so sol es ihm ohne Entgeltnüß wieder geliefert werden / jedoch daß er die darauff gewandte Unkosten gutwillig wieder erstatte; Da aber niemand solch gestohlenes Gut anspricht / so sol dasselbe / wo fern es kein verderblich Gut ist / oder wo es verderblich Gut / das daraus gekaufftes und gelösetes Geld / Jahr und Tag in fleissiger Gewahrsam gehalten / und nach Außgang Jahrs und Tags der gestalt damit verfahren werden / daß dem Gerichte zwey Theil / und demselben / der dem Diebe solch Gut abgenommen / der übrige dritte Theil sol zugeeignet werden.
Der aus Unwissenheit / anderer Leute Gut oder Gerethe vor das Seine wegnimpt / und solches unverborgen in seine Gewahrsam bringet und behält / derselbe mag es / sonder Straffe und Brüche / dem jenigen / dem es zugehörig / restiturien und wieder zu Handen stellen.
[376]
Welcher Mann einen / der an Halß und Leib wird peinlich beklaget / aus dem Gerichte / oder aus der Gerichts-Diener Händen zu eximiren[13] und zu entwäldigen sich würde unterfangen / und also den Gefangenen oder Beklagten / mit Trotz eigenthätlich wegführen / derselbe sol gleicher Straffe unterworffen seyn / die der ander / den er hat weg gebracht / mit seiner Mißhandlung hat verwircket. Da aber der Eximent, der den Gefangenen oder Beschüldigten hat davon gebracht / nicht könte behardet oder ergriffen werden / so sol man denselben / auff vorhergehende gebührliche Ladung / und nicht Erscheinung / dieser Stadt und Gebiete zu ewigen Tagen verfesten / jedoch so verleuret er solcher Verfestung halben seyn Gut nicht / sondern bleibet ihm solches frey und vorbehalten.
[377]
Der einen verfesteten Mann wissentlich beherberget / und es dem Gerichts-Verwalter nicht anmeldet / sol dem Rechte zehen Reichsthaler wetten.
Wann die bestalte Diener oder Wechter des Raths / jemand / der solches veruhrsacht / würden angreiffen / und derselbe aus freventlichem Gemüthe sich den Dienern eigenthätlich wiedersetzen / und die Gegenwehr mit Eggewapen gegen des Raths und Stadt-Diener und Wechter gebrauchen / und darüber dermassen würde verletzt und beschädiget / daß er des Todes würde / auff den Fall werden die Wechter und Diener des Raths / mit der ordentlichen Straffe des Todtschlags verschonet.
[378] Da sich auch einer sonst vorsätzlicher Meynung / aus trotzigem Gemüthe / der ordentlichen Wacht / oder den Diener des Raths / freventlich widersetzen / und dieselbigen beleidigen würde / der sol keiner Bürgen geniessen.
Würde einer geschlagen oder verwundet / daß er darüber Bettlägerich wird / und darauff in wehrendem Läger todts verfahret / so kan der Thäter / als ein Todtschläger / peinlich angeklaget / und da er keine Nothwehr hat zu beweisen / am Leben mit dem Schwerdt gestraffet werden / und sol in diesem Fall keiner Bürgen geniessen.
[379] Da aber die geschlagene und verwundete Person / nach dem dieselbe Bettlägerich gewesen / wiederumg auff der Gassen / Marckte / in der Kirchen / Badtstuben / oder sonst in offenen Plätzen gesehen / und darnach gleichwol mit Todt abgehen würde / so ist auff den Fall / der Thäter / von der peinlichen Anklage des Todtschlages gefreyet / und auch / es sey die Verwundung so schwer und gefährlich gewesen / wie sie wolle / keinen Mordt zu bessern schüldig / sondern wird mit willkührlicher Straffe beleget.
Wo ferne aber die geschlagene oder verwundete Persone / nach beschehener Verwundung / niemahlen wäre Bettlägerich worden / sondern nach der Verwundung / auff der Gassen seine Handthierung und Gewerbe / hernach als vorhin verrichtet / und doch unlängst nach solcher Verwundung / durch den zeitlichen Todt abscheiden würde: so sollen in solchem Falle die gelehrte und erfahrne Medici und Chriurgi, nach fleissiger [380] Besichtigung / und befindlicher Gelegenheit der Wunden / bey ihren Eyden ihr rathsames Bedencken eröffnen / und ihre beständige Außsage thun / ob der Verwundete / von gefährlichen Zustandt der Wunden / oder durch andere accidentien und Zufälle / oder auch aus Versäumnüß der Balbierer / oder seine eigene Verwahrlosung / sey gestorben / und solches sol alles fleissig erwogen / und nach Befindung aller umbständlicher Beschaffenheit / mit gebührlicher Straffe gegen den Thäter verfahren werden.
Würde sonst einer den andern / mit Messern / oder andern Wehren / aus hitzigem Gemüthe verwunden / oder an seiner Gesundheit verletzen / dabey keine Gefahr des Lebens zu besorgen / welches wol in acht zu nehmen: so sol der Thäter solchen zugefügten Schaden / dem Beleidigten / neben dem Artzlohn zuforderst erstatten / und dann / nach billicher Ermässigung dem Gerichts-Verwalter wetten.
[381]
Der sonst auff handhafftiger That / in Verwirckung böser Mißhandlung / die Gefahr des Lebens auff sich trägt / wird begriffen / derselbe mag keiner Bürgen geniessen / und kan sich auch mit keiner Caution der Verhafftung entbrechen.
Es wird aber / für eine handhafftige That geachtet / wann einer bey einem Todt- oder Niederschlage / mit blosser Wehre oder Eggewapen wird behardet oder befunden / und also auff frischer That beschlagen / oder auch auff den flüchtigen Fuß betreten. Wie dann auch für eine handthafftige That wird gehalten / wann einer fürsetzlich und wissentlich gestohlen Gut an seine Wehre nimpt / oder auch / wann der Schlüssel / der zu solchem gestohlenen Gut gehörig / in der Nachfrage bey [382] einem / der doch bey der Befragung sich dessen beständig entlegt und geweigert / wird befunden.
Die jenigen / so die Todten-Gräber aus bößlichem Vorsatz eröffnen / und die begrabene Todten ihrer Bekleidung berauben / oder auch den hingerichteten Mißthätern die Kleider abnehmen / sollen mit Ruthen gezüchtiget / oder mit Verweisung gestraffet werden.
Würde ein Mann einen andern / wegen eines gethanen Mords oder Todsschlags beschüldigen / und der Beklagte wäre solches Niederschlags geständig / sondern alleine zu seiner Defension einwendete / daß der Entleibte sein öffentlicher abgesagter Feind gewesen: So kan er doch gleichwol mit solchem vorgewandtem [383] Schein / sich von der Straff des Todtsschlags nicht loß wircken / sondern sol darüber die gerichtliche Erkändtnüß gewertig seyn. Da er aber wie Recht / darthun und erweisen könte / daß solcher Niederschlag unter der fliegenden Fahnen / und besteltem Regiment wäre geschehen und verrichtet / so hätte er auch dessen zu geniessen.
Sonst wird mässige Züchtigung dem Ehemanne über seine Haußfraue / den Eltern über ihre Kinder / den Praeceptorn über ihre Discipulen, dem Haußwirth und der Haußmutter über Knechte und Gesinde / billich erlaubt und zugelassen; würde aber jemand bey dieser Züchtigung zu weit gehen / und einen der vorgedachten Personen der gestalt beschädigen / daß der Todt darauff erfolgte / auff den Fall müssen solche vorbenante Personen / andern gleich / die einen Todtschlag begangen / zu Rechte stehen / und gerichtlichen Außtrags wegen solcher Mißhandlung gewarten.
[384]
Würde ein Gast in der Herberge tödtlich verwundet / oder entleibet / und der Thäter davon lieffe / auff den Fall sol der Wirth / wann er an solcher Entleibung unschüldig / und er vermittelst Eydes / oder bey wahren Worten an Eydes statt / erhalten könte / daß er dem Thäter keinen Vorschub gethan / und auch demselben nicht hätte heimlich davon geholffen / ohne Schaden bleiben. Wann aber der Wirth ihn hätte beharden können / und dasselbe nicht gethan / sol er nach Ermässigung gestraffet werden.
Sonst sol ein jeder / wann ein Todtschlag geschicht / sich dessen / so viel müglich / im besten befleissigen / [385] daß in solchem Falle / wann die Stadt- oder Gerichts-Diener nicht verhanden / der Mörder / Todtschläger / Außtreter / Friedbrecher / oder sonst ein Mißthäter / nach begangener Ubelthat nicht so leichtlich davon streichen / sondern so lange behardet und auffgehalten / seiner Flucht auch so viel müglich gewehret werden müge / biß daß die Gerichts- oder Stadt-Diener darzu kommen / und des Ubelthäters mächtig werden / und denselben zu gefänglicher Hafft bringen mügen / welches den jenigen / die mit wircklicher Verhinderung der Mißthäter Flucht / einen löblichen und Christlichem Eyffer / zu Handhabung der Gerechtigkeit / und daß die Ubelthat gestraffet werden müge / hiebey gebrauchen / nicht allein an ihren Ehren unverweißlich / sondern auch zu sonderbahrer rühmlicher Nachrede / so ersprießlich gedeyen.
Der aus bösem Vorsatz und vorbedachtem Gemüthe / einen andern eigenthätlich in einem Gast-Hause / oder Kruge / überfällt und beleidiget / sol in zwey hundert Reichsthaler Straffe den Gerichts-Verwaltern verfallen seyn / und kan er die nicht bezahlen / so sol er dieser Stadt und Gebiete / so lange / biß er solchen Bruch erlegt / sich enthalten.
[386] Der aber einen andern / in seinem eigenen / oder in eines Bürgers oder Einwohners Hause / vorsetzlich überfällt / und demselben allda Frevel oder Gewalt thätlich anfüget / der sol / nach Befindung des geübten Frevels / oder Vergewaltung / an Leib und Leben / oder mit ewiger Verfestung gestraffet werden.
Würde sich einer zu dem andern / auff freyer Strassen / mit Wehren oder Eggewapen / fürsetzlich nöthigen / und der ander / zu Beschützung seines Lebens / und zu Verhütung sorglichs Unheils / ihm in ein Hauß entweichen / der Zunöthiger aber demselben in solch Hauß folgen / und ihn daselbst / mit Schlägerey oder Verwundung / eigenthätlich beleidigen: So sol derselbe / solche Vergewaltung / mit zwey hundert Reichsthaler Straffe büssen / wann er dessen / wie Recht / ist bezeuget.
Es sollen aber dieselben / die solchen Vorsatz / der bey Tage geschicht / und was ferner bey solcher Schlägerey sich habe zu getragen / bezeugen wollen / besessene Leute seyn / die Erb und eigen haben / welches aber bey den thätlichen [387] Zunöthigungen und Schlägereyen / die bey Abend oder Nächtlicher Weile / aus bösem Vorsatz geschehen / nicht so hoch von nöthen / sondern werden in solchen Fällen / auch andere unverdächtige Leute / ob schon dieselbe nicht erbgesessen seyn / zur Zeugnüß admittiret und zugelassen / und derselbigen Eydtlichen Außsage Glaube beygemessen.
Wann aber ihrer zwey ungefährlich / auff freyer Strassen in Hader und Zanck gerathen / und der eine allem Unglück vorzukommen / in ein Hauß entweichen / und der ander ihm in solch Hauß nachfolgen / und ihn daselbst mit Schlägen oder Verwundung beschädigen würde / der sol solches dem Rathe mit vier und zwantzig Reichsthalern wetten.
[388] Würde einer dem andern / aus boßhafftigem Fürsatz / hinderlistiger und gefährlicher Weise / ins Angesichte und über die Backen schneiden / und solches freventlichen muthwilligen Vorsatzes / wie Recht überzeuget: so sol der Freveler / nach Befindung der Verletzung und gewragten Schadens / entweder mit Staubschlagen / oder mit der Gefängnüß / oder mit der Verweisung belegt und gestrafft werden.
Wann einer auff den andern / aus hitzigem zornigem und rachgirigem Gemüthe / sein Schwerdt oder Messer blösset / in Willen und Meynung / demselben damit Schaden anzufügen / der sol / unangesehen / daß er dem andern damit nicht hat beschädiget / dem Rechten vier und zwantzig Reichsthaler wetten / und sich mit seinem Gegentheil / auff des Gerichts-Verwalters Befehl / Christlich zu versöhnen schüldig seyn.
[389]
Der einen andern braun und blau schlägt / sol dem Gerichte fünff Pfundt wetten / und der sonst einem andern / aus hitzigem Gemüthe eine Handschlag gibt / sol dem Gerichte ein Pfundt büssen / jedoch ist hiebey des Beleidigten Standt und Gelegenheit / auch der Ort und Stette / da solches geschehen / neben andern Umbständen zu respectiren / und darnach die verwirckte Straffe zu schärffen und zu miltern.
Da jemand einen andern / aus bedachtem Gemüthe bedrauet / und dessen wird überzeuget / sol er dafür Bürgen zu stellen schüldig seyn / daß er sich an Recht wolle genügen lassen / wofern er aber zu keinem Bürgen kommen kan / muß er selbst Bürge werden.
[390]
Wann einer den andern mit bösen Schmähe- und Schelt-worten / hinterrückens unbesonnen beschweret / und wann er darüber zu Rede gesetzt / oder von dem Gerichts-Befehlhaber wird besprochen / solcher gethanen Affterredung[15] keinen Standt thun wird / sondern derselben sich entlegt / und dabey sich freywillig erkläret / daß er von dem andern nichts anders / als was den Ehren gemäß / wisse zu achten und zu halten / auff den Fall stehet es in des Beleidigten Macht und freyen Willen / ob er aus friedliebendem Gemüthe die Injurien-Klage einstellen / oder ferner mit Rechte außführen wolle / worbey allewege / so wol des Injurianten, als des Beleidigten Standt und qualität ist zu respectiren. Es wird aber gleichwol der Injuriant wegens seines ungebührlichen Verhaltens / dem Gerichte Wandel und Abtrag zu thun / billig angehalten.
Da aber hochbeschwerliche Schmähunge / die Ehr und Glimpff concerniren, einem würden vorsetzlich angefügt / und der Beleidigte solches als eine atrocem Injuriam[16] sich zu Gemühte ziehen / und mit Rechte eyfern würde: So sol der Injuriante solche außgegossene Injurien und [391] Schmähunge / vor dem Rath offenes Hauses / oder im Niedern-Gerichte / zu revociren und zu wiederrufen / oder auch / da solche enormissimae injuriae[17] einer ansehnlichen Personen / oder ehrbahrn Bürgern / Bürgerinnen / in seiner oder ihrer Unschuldt / von einem Friedhässigen würden wiederfahren: So sol solcher Wiederruff / auff dem ehrlosen Blocke geschehen / und verrichtet werden.
Wann aber einer den andern vor Gerichte / in Gegenwart der Gerichts-Verwalter / oder Dingleute / Lügen straffet / oder aus hitzigem Gemüthe schmähet / derselbe sol solches mit zwölff Reichsthalern dem Gerichte büssen.
[392] Da aber solche Schmähung / aus hitzigem Zorn / auff dem Marckte / oder andern gemeinen Plätzen geschehen: So sol er dem Gerichte in fünff Pfundt Straffe verfallen seyn. Würde aber einer den andern vor Gerichte auff dem Rath-Hause / vor dem Rathe / mit ehrenrührigen Worten angreiffen / und vor einen Dieb / Schelm / Verräther / Huren Sohn schelten / oder mit dergleichen Schmähungen und Injurien verleumbden / derselbe sol umb vier und zwantzig Reichsthaler gestraffet werden.
Da zwischen guten Leuten in dieser Stadt Hader und Zanck / oder sonst Unwille / daraus thätliche Beleidung zu besorgen / entstehen würde / und ein oder zwey Raths-Verwandten / die ungefehr darzu kommen / beyden Theilen bey einer nahmhaften Peen Friede bieten / oder bey Leib oder bey Gute einzuhalten / und an gleich und Recht sich gnügen zu lassen / den streitigen Partheyen inhibiren und aufflegen würden: So sollen dieselbe / [393] denen der Friede geboten / mit gebührlicher Parition sich darnach zu richten schüldig seyn; wofern aber der eine oder der ander / dem der Friede geboten / dessen ungeachtet gegen den andern thätlich verfahren / und der eine den andern darüber verletzen und beschädigen würde: So sol derselbe / der solche wolgemeinte Anbietung des Friedens verächtlich außgeschlagen / die aufferlegte Straffe erlegen / oder wofern bey beyden Theilen die Schuld befunden / auch ein jeder die angekündigte Straffe zu entrichten verbunden seyn.
Da auch dieser angekündigten Friedshandlung ungeachtet / der eine zu dem andern nicht desto weniger sich nöthigen / daß derselbe entlauffen / oder dem andern in eines Bürgers Verhausung entweichen / und der Zunöthiger ihm in solche Behausung nacheilen würde / Auff den Fall / da schon der Vorgewichene nicht ist würcklich verwundet oder verletzet / sol nicht desto weniger der Zunöthiger / wann er dessen mit zween glaubwürdigen Männern ist überzeuget / wegen solcher beschehenen Vergewaltung dem Gerichte mit ein hundert Reichsthalern verfallen seyn / und hat er die nicht zubezahlen / sol er in dieser Stadt und dero Gebiete / biß er dieselbe hat entrichtet / nicht gelitten werden. Da er aber den vorgewichenen verletzt oder verwundet / sol er in die angekündigte Straffe verfallen seyn.
[394]
Wurde sich auch ausserhalb dieser Stadt / zwischen Bürgern Unwille zutragen / und einer oder mehr dieser Stadt Bürger / die darzu kommen möchten / denselben bey einer namhafften Peen / sich aller eigenthätlicher Handlung und Beleidung / biß sie allhie in diese Stadt wieder gelangten / alsdann ihre Irrung vor dem Rathe zu klagen / bequemlich erinnern würden / Auff den Fall sollen dieselbe solchen angekündigten Frieden / bey der dabey benandten Straffe / zu halten schüldig und verbunden seyn.
Der seiner beweißlichen Verbrechung haben in Bürgerliche Hafft / oder auch in die gemeine [395] Gefängnüß zu des Fronen Hause wird gebracht / derselbe sol seine Unkost selbst stehen und außrichten.
Der auch aus boßhafftigem Gemüthe / Vorsetzlich einen andern thätlich schlägt und beleidiget / und darüber in Gefängliche Verhafftung gerahtet / und aber wegen mangel des Geldes die Unkost / Atzunge und Busse nicht selbst kan abtragen / derselbe sol sechs oder vier Wochen / nach Gelegenheit seiner Verwirckung / in der Fronerey mit Wasser und Brodt / auff des Gerichts Unkost gespeiset und gehalten werden / Jedoch so sol derselbe sich dieser Stadt und Gebiete / so lange zu äussern und zu enthalten schüldig seyn / biß daß er seinen Bruch hat entrichtet und bezahlet.
Da auch einer den andern in Hader oder Zanck verwundet / oder sonst auff drey Pfundt Bruch fällig würde / und das Artzlohn und die Straffe zu erlegen nicht vermöcht / derselbe sol viertzehen Tage mit Wasser und Brodt auff des Gerichts Unkosten in der Fronerey gespeiset werden / und dann dieser Stadt und deroselbigen Gebiete sich so lange zu enthalten schüldig seyn / biß er seinen Bruch bezahlet hat.
[396]
Wie dann auch die jenigen / die bey Abend und Nachtzeiten / wegen geübten Muthwillens / nach der Glocken Zeit / nach neun Uhr auff der Gassen von der Wach werden betreten / und sich nicht verbürgen können / wann es Bürger Kinder seyn / auff den Winserbaum oder Brogkthurm in Verwahrungen genommen / oder das es andere / im mangel der Bürgschafft / nach befindung der Verbrechung / nach des Fronen Hauß sollen gebracht werden.
Würde jemand wegen eines niederfallenden Gebäudes / an seiner Gesundheit / oder Leib und Leben beschädiget: So sol der Eigenthumbs-Herr / [397] wo fern ihm zuvor / solchen sorglichen Schaden zu bessern / ist denunciirt, darzu zu antworten schüldig seyn.
Würde jemand durch einen Wagen oder Karren beschädiget: So muß derselbe / der den Wagen oder die Karre treibet / zu dem Schaden antworten / würde aber derselbe flüchtig und entweichen / so wird billig der Wagen / oder der Karren mit den Pferden dafür angehalten / und darauß der Schade erstattet.
Wird jemand von eines andern Pferdt / Ochsen / oder dergleichen Thiere / die ihrer Eigenschafft nach nicht Wild seyn / ohne Uhrsach getreten / gestossen / oder sonst beschädiget: So sol die billige Erstattung [398] und Unkost des erlittenen Schadens / dem Beschädigten von dem Besitzer des Ochsen oder Pferdts wiederfahren. Da aber der Besitzer lieber des Pferdts / Ochsen / oder des Thiers / des den Schaden gethan / wil entrathen / als die Erstattung dafür thun: So ist er auch der Anspüch damit gefreyet.
Da aber jemand von eines andern Bären / Hirschen / oder dergleichen wilden Thiere wird verwundet oder beschädiget: So sol derselbe / dem das Thier gehörig / seiner Verwahrlosung halben / nach Gelegenheit und Umbständen des Schadens / denselben zu bessern / und billige Erstattung zuthun schüldig seyn. Würde aber jemand durch solchen empfangenen Schaden Tods verfahren. So sol der Besitzer des Thiers / nach ermäßigung des Gerichts / den Erben Abtrag zu thun verpflichtet seyn / und darzu nach gestalt der Sachen gestraffet werden.
[399] Da auch künfftiger Zeit / in dieser guten Stadt sich Fälle zutragen würden / welche in diesem vorgesatztem Stadt Rechte nicht specificirt, oder davon disponirt und Verordnung gethan: So sollen dieselben / nach gemeinen beschriebenen Käyserlichen Rechten / und denen im Heiligen Römischen Reich publicirten Constitutionen erörtert werden / Jedoch da sich jemand auff eine redliche in dieser Stadt wol hergebrachte Gewohnheit (die durch dieses Stadt Recht und beliebte[18] Recesse[19] nicht auffgehaben / oder deroselben zu wieder Verordnung geschehen were) gründen würde / sol der Parthey solche angezogene Gewohnheit zu beweisen zugelassen seyn / Wie Wir dann Krafft dieses / solche alte redliche Gewohnheiten Confirmiren und bestätigen / und hiemit verordnen / das solche vorgedachte erwiesene Ehrbare Gewohnheiten / diesem Stadt Recht gleich gelten / und in erörterung der streitigen Sachen in acht genommen werden sollen.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Schätzung
- ↑ korrigiert, im Druck faschen
- ↑ von ital. Pasquillo, eine Beleidigung, welche schriftlich oder durch sonstige bleibende Zeichen, z. B. durch Bilder, öffentlich verbreitet wird
- ↑ Instrumentsbrief : Beweisurkunde (DRW)
- ↑ Bootsknecht (DW)
- ↑ Eichen, vll. auch allgemein Bäume, siehe Plattdeutsches Wörterbuch
- ↑ Weiden, hier ist der Baum gemeint. Dieser hält viel Nässe aus und wird vielfach zur Befestigung von Ufern eingesetzt.
- ↑ Urkunde, worin die Fehde angekündigt wird, siehe dazu das Deutsche Rechtswörterbuch
- ↑ Symbol der Branddrohung (DRW)
- ↑ Vorlage: aiimenta
- ↑ Vorlage: Artic. 22.
- ↑ scharfe Waffe
- ↑ lat. eximere: herausnehmen, wegnehmen, befreien
- ↑ von lat. recipere: zurückholen, aufnehmen
- ↑ Nachrede
- ↑ drohende, wütende Beleidigung
- ↑ ungeheuerliche Rechtsverletzung
- ↑ angenommen, beschlossen (DRW)
- ↑ Vereinbarungen zwischen Rat und Bürgerschaft
- ↑ Gott allein die Ehre