Der Stadt Hamburg Statuta und Gerichts Ordnung/Teil 3 Kapitel 1
Demnach von vielen undencklichen Jahren / durch unsere Vorfahren / zu Vermeydung / allerhand Nachtheil / und weitläufigen Disputierens / so aus dem mannichfältigen Solennitäten und Zierlichkeiten / welche die gemeine beschriebene Rechte / in Verordnung der Testamenten / [284] unterschiedlich erforderen / zu viel mahlen entstehen / eine einfältige / richtige Maß und Ordnung gesetzt / die bißhero zu jeder Zeit in Auffrichtung der Testamenten / von Bürgern und Einwohnern dieser Stadt / steiff und unverendert observiret und gehalten worden: So ordnen und wollen Wir / daß es bey solcher uhralten üblichen Form und heilsahmer Verordnung hinfüro gelassen werde / also und dergestalt / daß / wann jemand in dieser Stadt sein Testament oder letzten Willen aufzurichten und zu verordnen begehret / derselbe für zwo Raths-Personen / welche neben einem des Raths Secretarien / auff sein Ersuchen und Begehren / der worthaltender Bürgermeister zu ihm schicken wird / denselben seinen letzten Willen / entweder in Schriften verfasset / oder aber mündlich / bey gesundem Verstande anzeigen und vermelden müge / welches dann / da es mündlich beschicht / von dem beywesenden Secretario fleissig aufgezeichnet / oder da es in Schrifften verfasset / für dem Testatore und beyden Raths-Personen alsbald öffentlich verlesen / und darauff er der Testator befragt werden sol / ob solches / wie verlesen / sein eigentlicher Will und Meynung sey / sagt er dann darauff bey guter Vernunft (dessen dann die Raths-Personen insonderheit fleissig Acht haben soll) verständlich Ja / so sol sein Testament fürderlichst vor Rath gebracht / und wann es daselbst durch die gewesene beyde Raths-Personen bezeuget / alsdann / vorbehältlich der Erben Interesse, confirmiret und bestättiget werden. Stürbe auch inmittelst / ehe [285] dasselbe Testament zu Rath confirmiret / einer aus den beyden Raths-Personen / so bey Auffrichtung solches Testaments gewesen / so sol der überlebende Rathmann / bey seinem geleisteten Raths-Eyde schweren / daß er mit demselben an und über solchem Testament gewesen. Und also sol es auch in allen andern Fällen und Sachen / darzu zwo Raths-Personen / von des Raths wegen geschickt / gehalten werden.
Wofern aber man der Rathsherrn / zu Auffrichtung eines Testaments / nicht mächtig werden könte / als nemlichen in gefährlichen Sterbensläufften / oder anderer Uhrsach und Verhinderung wegen / so mag dasselbig in Gegenwertigkeit zweyer Erbgesessener Bürger / und des Secretarii, oder an statt desselben / wo man den auch nicht haben möchte / eines beglaubten offenbahren Notarij, an Erlaubnüß des worthaltenden Bürgermeisters beschehen / auff Maß und Form / wie nechst zuvor von Raths-Personen geordnet.
Wolte auch jemand aus sonderbahren bewegenden Uhrsachen / lieber nach Ordnung und Zierlichkeit der gemeinen beschriebenen Käyserlichen Rechten / sein Testament aufrichten / dann obgesetzter heilsahmer [286] Form sich gebrauchen / so sol ihm solches auff seine Gefahr hinfüro zugelassen / jedoch die Notarien dabey gewarnet seyn / allen müglichen Fleiß anzuwenden / daß sie in Ansehung des Nachtheils / welcher vielen Personen daraus entstehet / die Testamenta und letzten Willen ordentlich / getreulich / und ohne Gefährde begreiffen / und insonderheit sich der heilsamen Reichs-Constitution, von Notarien auffgerichtet / gemäß verhalten / dann wo in solchen einiger Mangel / Gefährde oder Unfleiß ihrenthalben befunden werden solte / würden sie sich der Peen des Rechtens / so dißfalls verordnet / nicht entbrechen können.
Ferner mag ein jglicher / er sey gesundt oder kranck / doch bey guter ungeschwächter Vernunfft / in seinem Testament / welches er obgesetzter massen verordnet / seine wolgewonnene Güter / nach Abziehung der Schulden / hingeben oder wenden / wie und welchem er wil / ohne einige Einspruch oder Hinderung / aber von Erbgut ist niemand / vermüge dieser Stadt Recht / ohne seiner nechsten Erben Erlaubnüß oder Bewilligung / zu testiren bemächtigt / sondern dasselbe seinen rechten Erben ungeschmälert zu lassen schüldig.
Hätte auch jemand Erbgut empfangen / [287] und darzu Gut gewonnen / so sol und mag er seinen rechten Erben zukehren / so viel er zu Erb empfangen / oder mehr / ob er wil / und das übrige hinwenden und geben / wohin es ihm beliebet und gefällig ist.
Und damit das Erbgut bey den rechten Erben bleibe / so sol ein jeglicher auff seine letzte Stunde des Tods nehmen / was und wie viel er von Erbgut empfangen hat / es wäre dann / daß man anders könte beweisen mit Gerichte und Rath der Stadt / dar solch Erbgut mit Rechte wäre gefordert / und erworben.
Und wird dißfalls für Erbgut gehalten und genennet / nicht allein was jemand von seinen Eltern oder nechsten Freunden durch tödtliche Fälle angeerbet / sondern auch / mit was Gute die Eltern ihre Kinder / oder die Freunde ihre nechste Erben / bey deroselben Vollmacht berathen und außgesteuret haben. Aber was sonsten aus sonderlicher Gunst und Zuneigung gegeben wird / oder durch Vernunft und sorgfältige Arbeit von jemand erworben / das darff man für kein Erbgut rechnen oder halten.
[288]Imgleichen was von dem jenigen / so einem Manne von wegen der Frauen / und der Frauen wegen des Mannes / von Erbgut mit gegeben / oder bey ihrer beyder Leben mit angeerbet wird / nach Absterben des einen Ehegatten / bey dem Uberlebenden verbleibet / wird billich für Erbgut gerechnet und gehalten.
Würde aber jemand bey seinem Leben / von Abnützung solcher Erbgüter / durch fleissiges sparsames Haußhalten / etwas eröbern / ist solches billig für kein Erbgut / sondern wol gewonnen Gut / zu achten und zu halten.
Wo fern nun jemand von Erbgut restiren, oder dasselb auff seinen Todsfalls vergeben wolte / und der nechste Erbe / darauff solch Gut von Rechts wegen fallen möchte / dasselb vor dem Rath / oder zwo Personen / so von des Raths wegen darzu gesandt / bewilligen und vollbordten würde / sol solche Testamentalische Verordnunge oder Gabe stett bleiben / so aber der jenige / der das bevollbordet / vor dem Testatore verstürbe / ist [289] alsdann dieselbe Gabe von keinen Würden. Jedoch mag solch eine Gabe kein unmündig Mensch geben / oder bevolbordten / ohne Vormundt.
Wann auch ein Mann / er sey gesundt oder kranck / bey seinem Leben eine Theilung seines Guts unter seine nechste Erben anstellen würde / und dieselbe nechste Erben / darauff solch Gut von Rechts wegen fallen möchte / und zu ihren Jahren kommen und mündig seyn / darzu fordern liesse / und in Gegenwart befragte / ob ihrer jemand solche Theilung widersprechen wolte / daß sie solches da zur Hand thun solten / schwiegen dieselben Erben alsdann / mit nicht widersprechen stille darzu / und solches mit Raths-Personen zu bezeugen / so bleibet solche Theilung stett und kräftig / jedoch mag solch eine Theilung keine Frau ohne Vormundt / noch Kinder unter ihren achtzehen Jahren / widersprechen oder vollbordten.
Da auch ein Mann unrecht gewonnen Gut hätte / und dasselbe bey seinem Leben widerkehren wolte / solches mag er wolthun von seinen Erbgütern / ohne Widerspruch der Erben / wofern er sonsten keine Güter hat.
[290]Ferner mügen auch von wolgewonnenem Gut / kein Knabe unter achtzehen Jahren / noch eine Frauns-Persone / sie sey ledig / oder verheyrahtet / ohne Vormundt / in ihrem Testament oder letzten Willen etwas vergeben.
Was dann eine Frau gibt von ihrem gewonnenem Gut / durch ihren Mann / als ihren rechten Vormundt / ohne Erlaubnüß der Erben / daß sol man entrichten aus dem sammenden Gut vor allem Theile. Beschehe es auch mit der Erben Erlaubnüß / so mag man solche Gabe außrichten von Antheile der Erben / die ihr auch nicht mügen weigern / zimliche Gaben / doch nicht über den dritten Theil / ihrem Manne zu thun / von solchen / wolgewonnenen Gütern; wolte sie aber ihr gantze Antheil der erworbnen Güter / ihrem Manne die Zeit seines Lebens zugebrauchen geben / sol es gnugsane Versicherung thun / solche Güter nach seinem Todt den rechten Erben unverringert wieder zu stellen zu lassen.
Imgleichen können auch die / so an ihrer Vernunfft gebrechlich und sinnloß seyn / so lang [291] solche Gebrechligkeit wäret / item / die Verschwender / denen die Verwaltung ihrer Güter von Uns / Obrigkeit wegen / genommen / Item / die von Natur stumm und taub seyn / auch mit Erlaubnüß ihres Vormünden oder Curatorn, so wenig von gewonnenen / als Erbgütern / einiger massen nicht testiren.
Und wiewol die gemeine Rechte in eines blinden Testament eine sondere Zierlichkeit erfordern; so sol doch desselben Ordnung und Geschäft nicht weniger vor kräfftig / als anderer Personen / gehalten werden / wann das Testament und letzter Wille für zweyen Raths-Personen / wie obstehet / auffgerichtet und erzeugt wird.
Da auch eine Frau / mit sampt ihrem Manne / ein Testament machet / das sol sie thun / nach dieser Stadt-Recht / durch ihren gebührlichen Vormundt / und würde ihrer jemands letzter Wille mit Recht geschwächet / geendert / oder wiederruffen / durch Uhrsachen / so dem andern Theil nicht belangen / das mag des andern letzten Willen nicht hindern / es wäre dann unmüglich / daß das eine oder das ander könte außgerichtet und vollen zogen werden.
[292]Item / wo eine Frau und Mann seyn / die ihr Gut zusammen geben / und keine Kinder haben / widerspricht dieselbe Gabe niemand binnen Jahr und Tag; so sol dieselbe stätt und kräfftig seyn: wer aber dieselbe Gabe beyspricht / der sol innerhalb Jahres unstete machen / mit vollkommener angestelter Klage / darauff der Rath hernacher zu gelegener Zeit mag erkennen / und Recht sprechen.
Es sol auch auff obgesetzten Fall / wann zwey Ehe-Leute zusammen ein Testament machen / und hernacher deroselben einer verstirbet / alsdann dem überlebenden Ehegatten vergönnet und zugelassen seyn / von seinem Antheil Güter / ein ander Testament auffzurichten / und das vorige so weit zu endern.
Wann aber Eheleute gesampt / oder ein jeder absonderlich / ein Testament gemacht / und darinn dem gemeinen Gut / den Kirchen / oder andern Gottes-Häusern / Hospitalen und Wäysen-Hause allhie / von ihren wolgewonnenen Gütern etwas / titulo institutionis, vel Legati, vermacht / und solches sich nicht über den [293] dritten Theil ihrer nachgelassenen Gütern erstrecken würde / haben sie zwar wol Macht / ihren verordenten letzten Willen zu revociren, oder denselben durch ein ander Testament zu endern / jedoch sollen sie schüldig seyn / woferne das erste Testament durch ein anders geendert wird / demselben berührte Institutionem, oder die pia legata, so weit sich dieselb über den dritten Theil der wolgewonnenen Güter nicht erstreckt / anderweit zu inseriren: in Verbleibung dessen / sol solcher geenderter Wille vor unkräfftig geachtet / und der erste bey Würden erhalten werden. Würde aber von ihnen keine andere Verordnung gemachet / sondern schlechts das erste Testament gebührlich cassiret und auffgehoben; so sol das jenige / was in demselben / berührten Oertern verlassen / biß zum dritten Theil der wolgewonnenen Güter / als ein Legatum ab intestato relictum, gefordert / und von den Erben unweigerlich gereicht werden / jedoch / so nach auffgerichteten Testament / dem Testatori eins oder mehr Kinder gebohren würden / ist er wol befugt / solch Testament zu endern / und die Legata zu revociren.
Ferner sol von einem jeglichen Testament / zum wenigsten ein Marckstücke / zu Wegen und Stegen gegeben werden / und da Frau und Mann ein Testament zusammen machen / ein jeder so viel zu geben [294] schüldig seyn / und solches unverzüglich in die Khemerey gelieffert werden.
Ob wol auch in gemeinen Rechten die Erbsetzung in einem jeden Testament für das Hauptstück gehalten wird; so sollen doch nach diesem unserm Stadt-Recht / zu Handhabung des Testatoris Willens / auch die Geschäfft und Ordnungen / darinn kein Erbe benennet wird / für kräfftig gehalten und vollstrecket werden.
Wofern aber ein Vater oder Mutter / auch andere in auffsteigender Lini / von ihren wolgewonnenen Gütern ein Testament machen wolten / sollen und müssen dieselbe ihren Kindern (welche sie zu enterben keine Uhrsach haben) von solchen wolgewonnenen Gütern / zum wenigsten ihre legitimam oder Kindertheil / in Eigenthumb und Genieß / ohne alle Beschwerung lassen.
Und wird die legitima also gerechnet oder verstanden / daß / wann ein Vater oder Mutter / eins / zwey / drey / oder vier Kinder verläst / so ist die legitima [295] oder Noth Erbschafft / nach Bezahlung der Schuld / ein Drittheil des jenigen / so einem jeglichen Kind / auff den Fall kein Testament gemacht worden / aus den wolgewonnenen Gütern Rechtswegen gebühret hätte: so aber der Kinder fünff oder mehr seyn; so ist die legitima ein halb Theil des jenigen / so dem Kinde / wie obgemeldt / ab intestato gebühret hätte.
Wo dann eins oder mehr Kinder verstorben / und eheliche Kinder nach ihnen verlassen hätten; so sollen des verstorbenen Kinder / deren seyn viel oder wenig / nur für ein Person / und also an statt ihres Vaters und Mutter / gerechnet werden.
So aber ein Vater oder Mutter / auch andere in obsteigender Lini / in ihrem letzten Willen einem oder mehr Kindern die gebührende legitimam nicht verordneten / sondern die außdrücklich enterbten / und rechtmässige beweißliche Uhrsache der Enterbung nicht setzen / oder dieselben Kinder still schweigendt gar umbgingen; so mügen die enterbte und umbgangene Kinder dasselb Testament anfechten und umbstossen / doch sollen die im Testament verordnete Legata kräfftig seyn / und durch die Erben außgerichtet werden / es wäre dann Sache / [296] daß dieselbe legata der Kinder gebührende legitimam übertreffen / so mügen sie ihre legitimam zuvor herab ziehen / und von den übrigen Gütern / so weit sich dieselbe erstrecken / die legata nach Anzahl entrichten.
Wann aber die Kinder nicht gar umbgangen oder enterbet / sondern ihnen etwas verordnet worden / es wäre gleich wenig oder viel; so können sie das Testament nicht hindertreiben / sondern mögen allein umb Ergäntzung und vollkommene Erstattung / oder Erfüllung ihrer legitimae, klagen.
Imgleichen so die Eltern durch übermässige Schenckung / Ubergabe / oder in andere wege / ihr Gut dermassen geschmälert hätten / daß die Kinder / auff den tödlichen Abgang deroselben ihrer Eltern / sich vernachtheiliget befunden; so mügen sie / zu Erlangung ihrer vollkommenen legitimae, auch wol klagen.
Es mügen aber die Eltern / ihre Kinder und Encklin / in nachfolgenden Fällen / von ihren wolgewonnenen Gütern enterben / als nehmlich / da die [297] Kinder oder Encklin sich an ihren Eltern mit Schlägen / und sonsten ungebührlichen groben Schmähungen vergriffen. Item / so dieselbe ihre Eltern umb peinliche Sachen / so nicht entweder gegen die Röm. Käyserl. Mayest. und dieser Stadt Wollfahrt fürgenommen / deferirt oder angeklagt hätten. Item / so dieselbe ihren Eltern mit Gifft / oder in ander wege nach dem Leben gestellet. Item / so der Sohn mit der Stiefmutter / oder die Tochter mit dem Stief-Vater unehrliche Lieb und Werck getrieben. Item / so ein Sohn / Tochter / oder Encklin ihre Eltern / die Schulden / oder anderer Uhrsachen halben / in Gefängnüß kommen / auff deroselben Ansuchen / zu ihrer Erledigung nicht nach ihrem besten Vermügen helffen / noch für sie gut oder Bürgen werden wollen. Item / so die Kinder ihre Eltern / in Aufrichtung ihrer Testament / und letzten Willen / zu verhindern sich unterstanden hätten. Item / so dieselbe ein leichtfertig unehrlich Leben und Wesen führeten / als nemlich / da sie Nachrichter / Schinder / Spitzbuben / Gauckeler / oder derogleichen würden / es wären dann die Eltern in gleichem leichtfertigem Leben und Wandel auch herkommen und gewesen. Item / so ein Tochter oder Enckelin / über daß die Eltern nach ihrem Vermögen / sie mit ehrlichen Heyrathen versehen wollen / denselben nicht gefolget / und sich in ein unzüchtig sündlich Leben begeben hätten. Item / so die Kinder ihren Eltern / welche mit beschwerlicher Kranckheit des Leibes / oder mit Gebrechligkeit der Vernunft beladen / kein Handreichung thun / noch zu derselben [298] Unterhaltung nothdürftige Atzung / oder andere Pflegnüß / nach ihrem Vermögen mittheilen wollen / sollen die Eltern ihre Kinder nicht allein deßwegen zu enterben Fug und Macht haben / sondern auch / da andere Freunde und Verwandte / aus Christlicher Mitleidenheit die Kinder darzu / in Gegenwart zweyer ehrlicher Leute / mit denen solches zu beweisen / getreulich ermahnet hätten / sich ihrer Eltern dißfalls anzunehmen / und sie nicht desto weniger / solcher treuhertzigen Vermahnung ungeacht / dasselbig unterlassen / und darauff bemeldte Freund und Verwandten sich deroselben verlassenen Eltern Pfleg- und Wartung / mit Vorstreckung des ihrigen / biß zu deroselben Ende mitleidentlich angenommen; sollen alsdann solche unartige Kinder an ihrer Eltern verlassenen Gütern / ob sie gleich zu Erben eingesetzt / nichts zu geniessen / sondern dieselbe allein den jenigen / welche ihnen Handreichung gethan / anfallen und gehörig seyn / jedoch die Legata davon entrichtet und bezahlet werden.
Damit nun die Enterbung Krafft haben und bestehen müge / so müssen nicht allein oberzehlter Uhrsachen / eine oder mehr / in der Eltern letzten Willen / außdrücklich angezogen und vermeldet / sondern auch / da die enterbte Person derselben nicht geständig [299] seyn wolte / durch die eingesetzte Erben / oder andere / die solches belangen möchte / gebührlich und wie Recht erwiesen werden.
Imgleichen / wie die Eltern schüldig seyn / ihren Kindern obgesetzter massen ihre Legitimam zu verlassen: also erfordert auch die natürliche Billigkeit / daß die Kinder / und Encklin / so keine Leibes Erben haben / wann dieselbe in Fällen und Gütern / da ihnen solches nach diesem unserm Stadt-Recht gebühren mag / testiren wollen / die Eltern in auffsteigender Lini mit der legitima auch versehen / nemlich also / daß so Vater und Mutter sämptlich / oder deren eins allein im Leben wäre / sie denselben den dritten Theil ihrer Güter / davon sie testiren können / oder auch / da Vater und Mutter nicht mehr / sondern allein Groß-Vater und Groß-Mutter im Leben wären / denselben gleich so viel zuverlassen schüldig. Wann aber die Eltern in ungleichem Gradt verhanden wären / als Vater und Groß-Vater / Mutter und Groß-Mutter / oder etliche deroselben; Ist das testirende Kind allein den nähern im Grad zu bedencken schüldig / und hat der weiter im Grad / der Erb-Gerechtigkeit halben / wider des Testierenden Willen / kein Anspruch oder Fürderung.
[300]Es mügen aber die Kinder ihre Eltern / von den Gütern sie zu testiren bemächtiget / in nachfolgenden Fällen gäntzlich enterben / als erstlich / da die Eltern ihre Kinder / wegen Sachen / die Leib und Lebens Straff auff sich tragen / ausserhalb der Laster so Käyserl. Mayest. oder dieser guten Stadt Wolstandt betreffen / beschüldigen und anklagen würden. Item / so die Eltern ihre Kinder durch Zauberey / Gifft / oder in andere wege / vom Leben zu bringen sich unterstanden hätten. Item / so die Eltern mit ihres Sohns oder Tochter Ehegemahl verbotene Unzucht getrieben. Item / so die Eltern ihre Kinder / von den Gütern davon ihnen solches erlaubet / ein Testament zu machen und aufzurichten verhinderten. Item / so der Vater des Kindes leibliche Mutter / oder die Mutter des Kindes leiblichen Vater / mit Gift / oder in andere wege hinzurichten und zu entleiben sich unternommen hätten. Item / so die Eltern ihrer Kinder in Armuth / Kranckheit / oder Beraubung ihrer Vernunfft nicht gepfleget und gewartet / oder auch / da dieselbe in Gefängnüß enthalten / zu ihrer Erledigung nach Vermügen nicht geholffen / mügen sie nicht allein deßwegen enterbet werden / sondern auch / da die Freunde oder andere sich auff solchen Fall / der gebrechlichen Kinder / mit Wartung und Handreichung / angenommen / sol es damit / wie nechst zuvor / von Pflegung der Eltern gegen die Kinder / verordnet / gehalten werden.
[301]Und dieser Uhrsachen ein oder mehr sollen nicht allein im Testament außdrücklich gesetzt / sondern auch / auff Verneinung der Enterbten / dargethan und bewiesen werden.
Wann aber der Testator in auff- und absteigender Lini gar keine / sondern alleine in der zwerch Lini / und auff der Seiten verwandte Freunde / Brüder / Schwestern / Vettern und Oheime im Leben hat; ist er dieselben wider seinen guten Willen zu Erben einzusetzen / oder ihnen etwas in dem Testament von seinem wolgewonnenen Gute zuverlassen nicht schüldig / es wäre dann Sache / daß eine unehrliche Person zum Erben eingesetzt / auff welchen Fall die vorübergangene Brüder und Schwestern solch Testament zu impugniren befugt.
Nach dem sich auch offtmahln zuträgt / daß der eingesetzte Erb für dem Testatore verstirbet / oder die Erbschafft nicht annehmen wil oder kan; so ist einer jeglichen testirenden Person erlaubt und zugelassen / seinem eingesetzten Erben ein oder mehr Nach-erben [302] zusetzen und zu verordnen / doch auff gewisse Masse und Fälle / wie solches die allgemeine beschriebene Käyserliche Rechte ferner außweisen und verordnen.
Es mag auch ein jeglicher seinen letzten Willen / auff den Fall des Nicht-haltens / dergestalt verpeenen / daß wofern jemand der Eltern oder Kinder sich dem Testament / oder letzten Willen / ungehorsamlich widersetzen würden / über ihre gebührende Legitimam nichtes gefolget werden / sondern dasselbe dem gehorsamen Theil anerwachsen sol / oder so jemand anders / dem man die Legitimam zulassen nicht verbunden / mit dem so ihm verordnet / sich nicht begnügen ließ / daß demselben überall nichts gefolget werden sol.
Ferner mag ein jeglicher sein Testament und letzten Willen enderen / mindern / mehren / und gantz abthun / so offt er wil / ungeachtet ob er sich eines andern verpflichtet hätte / doch gehöret in solcher Verenderung eben die Zierlichkeit darzu / die in Auffrichtung desselben ist gebraucht worden / es wäre dann Sache / daß einer wissendlich sein Testament zerreissen oder zerschneiden würde / dann alsdann durch solche vorsetzliche Zerschneidung / ohn einige fernere Solennität oder Gezeugnüß / dasselbige [303] Testament gleichsfalls abgethan und getödtet wird.
Da auch jemand ein Testament / oder letzten Willen / auffgerichtet / zu der Zeit da er kein ehelich Kind gehabt / und ihm darnach Kinder gebohren werden / oder so er andere Kinder für seine eheliche Kinder annimpt / so ist das Testament mit allen Legaten / jedoch die geringen außbescheiden / so ad pios usus verordnet / gefallen.