Der Schäfer und die drei Jungfrauen

Textdaten
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Autor: Ernst Meier
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Titel: Der Schäfer und die drei Jungfrauen
Untertitel:
aus: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben, S. 96-98
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1852
Verlag: C. P. Scheitlin
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Erscheinungsort: Stuttgart
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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26. Der Schäfer und die drei Jungfrauen.

Ein junger Schäfer hütete oft seine Heerde in einem schönen, abgelegenen Thale. Wie er nun so da stand und sich auf seinen Stab lehnte und die Berge und Bäume und [97] Lüfte anguckte, da sah er eines Tags auf einem Hügel drei schneeweiße Jungfrauen; wagte aber nicht zu ihnen hinzugehen, so gern er sich auch mit ihnen unterhalten hätte. –

Am folgenden Tage, als er seine Schafe in dasselbe Thal trieb, waren auch die drei Jungfrauen wieder da, und erschienen seit der Zeit nun immer, so oft nur der Himmel schönes Wetter gab. Da konnte es der Schäfer endlich nicht mehr aushalten, nur aus der Ferne die weißen Frauen anzublicken, sondern nahm sich ein Herz und trieb seine Schafe ganz dicht an dem Garten hin, in welchem sie sich aufhielten. Da winkten sie ihm. Darauf trat er frisch zu ihnen in den Garten und fand so großes Wohlgefallen an ihren Gesprächen, daß er sie von da an jedesmal besuchte, wenn er mit seiner Heerde in das Thal kam und sie sich sehen ließen.

Da sagten ihm die Jungfrauen eines Tages, daß sie verbannte Geister seien und daß er sie erlösen könne. Das versprach ihnen der Schäfer denn auch herzlich gern, wenn sie ihm nur anzeigen wollten, wie er es zu machen habe. Da sagten sie: er müße von dem Holderbusche im Garten vor Sonnenaufgang drei Stöcklein schneiden und mit jedem derselben an drei Freitagen vor Sonnenaufgang einen bestimmten Platz im Garten, den sie ihm zeigten, schlagen. Das erste Mal werde dann eine Schlange auf ihn zufahren; das zweite Mal eine „Krott“ (Kröte), das dritte Mal ein Skorpion. Er dürfe sich aber vor diesen Thieren nicht fürchten; denn sie würden ihm nichts zu Leide thun, sondern sprängen vor lauter Freude an ihm hinauf. Dabei sei es aber nöthig, daß er während des Abschneidens der drei [98] Ruthen so wie während des Schlagens kein Wörtchen rede; sonst sei alles umsonst. – Darauf führten sie ihn in ein Schloß und durch viele Gänge hindurch vor eine eiserne Thür und sagten: „diese Thür mußt Du öffnen, wenn Du die drei Schläge gethan hast; dann wirst Du einen großen Schatz hier finden und den darfst Du mitnehmen und behalten; nur mußt Du ja nichts reden!“

Nein, das wollte er auch gewiß nicht thun, sagte der Schäfer, und versprach Alles genau auszuführen, um die drei Jungfrauen zu erlösen: schnitt vor Sonnenaufgang die drei Holderstecken und that an drei Freitagen vor Sonnenaufgang mit jedem Stecken einen Schlag auf den Boden an dem bezeichneten Platze; darauf sprangen die drei Thiere auf ihn zu: am ersten Freitag eine Schlange, am zweiten eine Krott, am dritten ein Skorpion. Dann gieng er vergnügt in’s Schloß, um den Schatz zu holen, und fand auch die eiserne Thür und machte sie auf. Da sah er aber an einem Zwirnsfaden einen gewaltigen Mühlstein über seinem Haupte hängen, daß ihm unversehens der Ausruf: „O Jes!“ entfuhr. Da war auf Einmal Alles verschwunden. –

Als der Schäfer am folgenden Tage ganz betrübt mit seiner Heerde wieder in das Thal zog, kamen auch die drei Jungfrauen weinend und wehklagend zu ihm her und sagten: „Nun müßen wir noch unerlöst umherschweben, bis eine Eichel von jenem Baume fällt und daraus eine Eiche und aus der Eiche eine Wiege wird; das erste Kind, welches man in diese Wiege legt, das kann uns dann erst erlösen.“

Anmerkung des Herausgebers

[305] 26. Der Schäfer und die drei Jungfrauen. Mündlich aus Derendingen. Die Erzählung gehört eher zu den Sagen, als zu den Märchen, in denen solche Erlösungen in der Regel glücklich ausgehen, was in den mehr geschichtlichen Sagen sehr selten der Fall ist. Weil sich aber die obige Erzählung an keine bestimmte Oertlichkeit knüpft, habe ich sie unter die Märchen gestellt.