Der Säulensturz im Ammontempel zu Karnak
[896] Der Säulensturz im Ammontempel zu Karnak. (Zu dem Bilde S. 885.) Aus Oberägypten kam vor kurzem eine bedauerliche Nachricht. In dem Säulensaale des berühmten Ammontempels zu Karnak stürzte eine 27 m hohe Säule ein und riß zehn andere mit sich um. Jahrhundertelang bauten einst an diesem Tempel die ägyptischen Könige. Wo jetzt Karnak und andere Dörfer liegen, breitete sich früher die Hauptstadt Theben aus. Deren Lokalgott Ammon wurde mit der Zeit für Aegypten zum „König der Götter“. Um ihn zu verherrlichen, baute schon um 2100 v. Chr. König Usertesen I an der Stelle eines alten Heiligtums einen Tempel. Die Nachfolger Usertesens erweiterten die Anlage, um welche Höfe, Kapellen und Pylonen entstanden. Unter Ramses I, Seti I und Ramses III entstand ein großartiger Säulensaal. Spätere Geschlechter bauten weiter an dem Tempel, bis das ägyptische Reich zusammenbrach. Bald wurde die verlassene heilige Stätte der Verwüstung preisgegeben. Die Araber zerstörten die heidnischen Tempel. Unablässig nagten auch an den Steinbauten die Naturgewalten. Wiederholt hat der Ammontempel unter Erdbeben gelitten; die Nilüberschwemmungen unterwuschen seine Grundpfeiler. Unsere Zeit bemühte sich, die Ruinen vor weiterem Verfall zu schützen und, soweit möglich, die Bauwerke wiederherzustellen. 1895 begann der Franzose Legrain im Auftrage der ägyptischen Regierung mit Arbeiten zur Erhaltung des Tempels von Karnak. Schwankende Säulen stützte man und richtete die gestürzten Statuen auf. Im Anfang dieses Jahres schritt Legrain an die Restaurierung des Säulensaales. Gefahr drohte dem Saal von einer Säule, deren Einsturz man befürchtete. Stück für Stück wurden ihre Hunderte von Centnern schweren Kapitäle, Architraven und Trommeln abgetragen. Da ereignete sich das Unglück: in dem herrlichen Bauwerk gähnt eine Lücke, an deren Stelle der Boden mit den Trümmern der elf gestürzten Säulen bedeckt ist. Eine Kommission, die von der ägyptischen Regierung zur Untersuchung des Unfalls an Ort und Stelle entsendet wurde, meint, daß der Einsturz die Folge eines Erdbebens gewesen sein könne. Doch wird die Schuld auch auf den Nil geschoben.
Trotz vorhandener Dämme sickern seine Wasser zur Zeit der Ueberschwemmung durch den Erdboden und auch in diesem Jahre stand das Wasser in dem Säulensaal 21/2 m hoch.