Textdaten
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Autor: Ignaz Hub
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Titel: Der Retter von Rodeck
Untertitel:
aus: Badisches Sagen-Buch II, S. 63–66
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons und Google
Kurzbeschreibung:
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[63]
Der Retter von Rodeck.
(Metrische Version der vorstehenden Sage.)

Nun soll es erklingen das lustige Spiel
Vom Zwerg in dem Schlosse zu Rodeck!
Einst nahmens die Bauern im Kriege zum Ziel,
Da faßte den Grafen ein Todschreck.

5
Die Freunde, die Besten, sie waren entflohn;

Die Knechte, verschmähn’d den verheißenen Lohn,
Gehn über zum Bund der Verschwornen.
Schon zählt er sich zu den Verlornen.

Der Treuste von Allen, ein drolliger Wicht,

10
– Kaum maß er drei Fuß bis zum Schopfe –

Mit röthlichem Barte, mit Runzelgesicht,
Und mächtigem Höcker und Kopfe:
Der trat nun in rasselndem Harnisch und Helm,
Mit sporenumklirrten Kanonen, der Schelm,

15
Gar fein salutirend zum Ritter:

„Was grämt Ihr und härmt Euch so bitter?

Vertraut mir, Gebieter! Ich hab’ es Euch Dank,
Daß einst Ihr mich wiegtet im Holzschuh,
Wo, gütlich bewirthet mit Speise und Trank,

20
Ich pflegte vergnüglich und stolz Ruh.

Längst bin entwachsen der Schaukel, ein Held!
Ja, glaubt nur, ich tummle mich tapfer im Feld:
Ameis’ im Galoppe zu reiten,
Menestratus lehrt’ michs vor Zeiten.

[64]
25
Wie Demas auf Spinnengeweben, fürwahr,

So künstlich zu tanzen auch wag’ ich;
Wie Marculus, traun, mit dem Kopfe sogar
Sonnstäubchen zu spießen vermag ich.[1]
Kurz: gebt mir, ich bitte, die Burg da in Hut!

30
Brav wird sie vertheidigt, da steh’ ich Euch gut;

O säumt nicht, schon wälzt sich im Trotte
Thaleinwerts die feindliche Rotte!“

„Was fabelst du, närrischer knirpsiger Daus?“
Kopfschüttelt der Ritter von Rodeck.

35
„Du wolltest bestehn mit dem Feinde den Strauß,

Auffordern zur Rache den Tod keck?“ –
„Das will ich, drum bin ich in Eisen und Stahl!
Jetzt macht aus dem Staub Euch mit Kind’ und Gemahl!
Dies Zweiglein … an felsiger Stelle

40
Erschließt’s Euch die wohnlichste Zelle.“


Der Graf mit den Seinen ergreifet die Flucht,
– Dumpf wirbeln die Trommeln von ferne –
Durch heimliche Gänge zur felsigen Schlucht
Gelangt er im Schimmer der Sterne.

45
Kaum hat er berührt mit dem Zweig das Gestein,

So ladet ein Zaubergewölbe sie ein
Zu lecker bereitetem Mahle,
Da funkelt der Wein im Pokale.

Wie schmauset und zechet das Gräflein mit Lust!

50
Er fragt nicht, bei wem er zu Gaste;

Ihm schmiegt sich fein jugendlich Weib an die Brust
Im strahlenden Gnomenpalaste.
Die Kinder, sie jubeln, – o selige Nacht!
So sind sie entschlafen, so sind sie erwacht,

55
Derweil vor dem stürmenden Trosse

Sich rüstet der Zwerg auf dem Schlosse.

Rings füllt er mit Wasser die Gräben sofort,
Aufzieht er die wuchtige Brücke;

[65]

Den Breschbatterieen der Bauern zum Tort,

60
Hoch pflanzt auf den Wall er die Stücke.

Der Ruf: „es ergebe die Burg sich!“ ertönt.
Drauf schallend Gelächter. – Man glaubt sich verhöhnt,
Argwöhnet verderbliche Kriegslist
Im Trotz, der so sicher des Siegs ist.

65
Zur That doch befeuert der Führer die Schaar;

Es schmettern die Hörner zum Sturme.
Nun krachen die Böller, es wächst die Gefahr –
Da sieh! auf der Warte vom Thurme
Stolzieret in rasselndem Harnisch und Helm

70
Mit sporenumklirrten Kanonen der Schelm,

Aufschlagend entsetzliche Lache!
Dem Feind ist unheimlich die Sache.

Und schwellender gellt sein Gelächter zu Thal,
Und gellender schwillts in die Runde,

75
Da hallts wie Drommeten und Trommeln zumal

Als Echo vom waldigen Grunde.
Wie macht so ein Thürmer die Bauern verdutzt!
Flugs haben die Stürmer die Platte geputzt
Bergunter die Kreuz und die Quere

80
Aus Angst vor dem schwäbischen Heere. –


So blieb nun verschont vor gefürchtetem Troß
Die Burg in dem Kriegesgewitter.
Gekehrt aus dem Berge der Graf in sein Schloß,
Schlug dankbar das Zwerglein zum Ritter.

85
Das hat mit dem Rath ihn, dem klugen, bedacht:

„Zwar hab’ ich die Bauern von hinnen gelacht,
Nun aber ists Euere Sache,
Daß dauernder Frieden Euch lache!

Drum stillet die Klagen der Armen im Land,

90
Befreit sie vom Joch dem verhaßten;

Regiert nicht, wie Andre, mit eiserner Hand;
Vermindert die Frohnden und Lasten!“

[66]

So that er, und Segen erfüllte sein Haus.
Oft kam das Gezwerge vom Berge zum Schmauß

95
Bei Meth und gewürzigem Brodweck. –

Hei, ging es da hoch her auf Rodeck!

Ignaz Hub.     
(Originalmittheilung.)

*) Hirngespinnste der Dichter des Alterthums; Pygmäen der winzigsten Classe, so zu sagen: Infusionmenschlein. Menestratus ritt eine Ameise, die ihn abwarf und mit ihren Füßen zertrat; Demas war so leicht, daß er auf einem Spinngewebe tanzen konnte, und Marculus hat mit seinem Kopfe ein Loch in ein Sonnenstäubchen gebohrt. Ungeheure Riesen dagegen waren, deren Homer im dritten Gesang der Iliade erwähnt, wo er die Schlachten der Trojaner und Griechen mit dem Streite der Pygmäen und Kraniche vergleicht. Sie wohnten, nach Plinius, an den äußersten Gränzen Indiens, wo der Ganges entspringt, hatten eine Höhe von drei Spannen, und wurden beständig von den Kranichen bekriegt. Zur Zeit des Frühlings zogen sie, auf Widdern und Ziegen reitend, mit Pfeilen bewaffnet, schaarenweise an’s Meer, um die Eier und Jungen ihrer Feinde aufzureiben. Mit diesem Feldzuge brachten sie gewöhnlich drei Monate zu, weil sie sonst den Heeren der Kraniche nicht hätten Widerstand leisten können. Ihre Häuser bestanden aus Lehm, Federn und Eierschalen.

Anm. des Verf.     

  1. Siehe die Anmerkung am Schluß!