Der Proceß Windham in London

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Titel: Der Proceß Windham in London
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aus: Die Gartenlaube, Heft 42, S. 663–665
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1862
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Der Proceß Windham in London.

England ist stolz darauf, das Land der Widersprüche zu sein, und es läßt sich nicht leugnen, daß diese Phrase, womit man die unbequeme Kritik vorwitziger Ausländer zum Schweigen zu bringen pflegt, eine gewisse Berechtigung hat. Im Grunde genommen sind diese Widersprüche freilich allenthalben vorhanden; aber die größere Freiheit, in der sich das englische Leben seit Jahrhunderten bewegt, die Öffentlichkeit der Discussion in Presse, Versammlungen und Gerichtshöfen hat ihnen einen klareren Ausdruck gegeben als in den Ländern des Continents, wo sie sich hinter der polizeilichen Bevormundung, dem Unterthanenrespect vor hohen und höchsten Personnagen und der büreaukratischen Geheimnißkrämerei verstecken. Das reichste Land der Welt, das in seinem Kanzleistyle eine stehende Formel für die Jahr aus Jahr ein zu registrirenden Fälle des Hungertods besitzt, die meisten Kirchen und die meisten Gefängnisse, die größte Frömmigkeit und die größten Verbrecher, das großartigste Geschäft und der großartigste Schwindel, die aufopferndste Menschenfreundlichkeit und die raffinirteste Schurkerei, eine übermächtige Aristokratie und die ausgebreitetste demokratische Selbstregierung, die höchsten wissenschaftlichen Erfolge und die traurigste Verwahrlosung der Volkserziehung, die glänzendsten Paläste und die elendsten Hütten, politische Freiheit und gesellschaftliche Sklaverei, – diese Gegensätze sind schreiend genug; aber sie würden viel weniger augenfällig [664] sein, wenn ihnen nicht die Großartigkeit des englischen Lebens zum hohen Piedestale (Untergrunde) diente. Wenn ein untergeordneter Eisenbahnbeamter, wie der vor einigen Jahren verurtheilte Redpath, ein Commis in einem Bankgeschäft, wie der berüchtigte, auf seiner Ueberfahrt nach Australien verstorbene Pullinger, ein Secretair einer Actiengesellschaft, wie der zur Zeit wegen seiner Frömmigkeit gepriesene Robson, Hunderttausende von Pfunden und Millionen von Thalern durch die einfache Fabrication einiger Nullen unterschlagen können, so beweist dies nicht nur die Großartigkeit des englischen Geschäfts, welche so kolossale Diebstähle ermöglicht, sondern auch das unbedingte Vertrauen, welches in der englischen Geschäftswelt herrscht und den systematischen Betrieb solcher Betrügereien erleichtert. Im Ganzen und Großen betrachtet, ist der Geist, welcher die englische Geschäftswelt belebt, ein solider. Die Unsittlichkeit der neumodischen Börsenspeculation, die im kaiserlichen Frankreich ihr Hauptquartier aufgeschlagen hat, findet hier keinen Boden: ein Herr von Morny, der durch Börsenspeculationen der reichste Mann Frankreichs wird und an der Spitze der Staatsgeschäfte steht, ein Credit-Mobilier mit seinem zweifelhaften Betriebscapital und seiner unzweifelhaften Staatsprotection sind hier nicht möglich.

England besitzt die geschicktesten und verwegensten Diebe, die gewissenlosesten Fälscher, die erfolgreichsten Betrüger. Das Verbrechen ist hier großartig, wie das ganze englische Leben; aber man weiß immer ganz genau, wo die Ehrlichkeit aufhört und die Unehrlichkeit beginnt. Ein entdeckter Verbrecher ist Verbrecher ohne alle Präambeln und Vertuschungen. Unternehmungsgeist, Thatkraft und Consequenz, Kühnheit und Rohheit, – kurz, alle die Eigenschaften, durch welche die englische Nation groß geworden ist, drücken dem hiesigen Verbrecher den nationalen Stempel auf. Vielleicht gerade deshalb bilden die Polizei- und Criminalberichte der hiesigen Zeitungen die Lieblingslectüre der großen Masse der Bevölkerung. Der große Verbrecher wird gewissermaßen als ein Nationaleigenthum betrachtet und in allen seinen Lebensschicksalen, Handlungen, Bewegungen und Worten mit der zärtlichsten Aufmerksamkeit verfolgt. Der Held einer cause celèbre hat keineswegs seine Rolle mit seiner Verurtheilung ausgespielt. Das öffentliche Interesse folgt ihm auf den Galgen, in’s Gefängniß, nach Australien und registrirt gewissenhaft Alles, was er sagt und thut. Er ist ein berühmter Mann und lebt im Bewußtsein seiner Nation fort, wie die großen Dichter, Staatsmänner und Helden. Daher kommt es, daß dieselben berüchtigten Namen immer wieder und wieder in der englischen Presse auftauchen und der Held eines populären Processes, eines aufregenden Scandals unsterblich wird.

Der sogenannte Windham-Fall versetzte im vergangenen Jahre ganz Großbritannien in Aufregung und warf so grelle Streiflichter auf die gesellschaftlichen Zustände der oberen Classen, daß das Publicum wie geblendet vor der enthüllten Unsittlichkeit der privilegirten Gesellschaft stand. Auch den Lesern der „Gartenlaube“ werden wohl die Hauptzüge dieses scandalösen Processes noch erinnerlich sein. Der junge Windham war der Abkömmling und Erbe einer reichen Familie des englischen Landadels (Squire), aus der sich die wirkliche Aristokratie vielfach rekrutirt hatte und die mit dieser in mehreren lebendigen Exemplaren verschwägert war. Sein Vermögen würde sich im Laufe der Zeit auf etwa 15,000 Pfd. St. jährlicher Revenuen belaufen haben und war auch schon für den Augenblick bedeutend genug, um die mehr einflußreichen als wohlhabenden Verwandten zu einem energischen Versuch, sich desselben zu bemächtigen, anzuspornen. Dieser Versuch schien um so mehr gerechtfertigt, da Herr Windham auf dem besten Wege war, sein Vermögen durchzubringen, und zwar in einer Weise, die gewöhnlich genug unter den goldenen Jünglingen des heutigen Englands ist, gegen die sich jedoch im vorliegenden Falle das sittliche Gefühl zweier zärtlicher Oheime empörte. Sie steckten sich ein doppeltes Ziel vor, die irdischen Güter der Familie Windham für sich und die Seele mit obligater Anwartschaft auf die himmlischen Güter für ihren entarteten Neffen zu retten. Der nächste und natürlichste Weg zu diesem Ziele schien den beiden zärtlichen Oheimen, einem General der britischen Armee und einem Earl (Graf) der britischen Aristokratie, nach der Seite einer Irrenhaus-Commission hin zu liegen. Daher wurde eine Petition eingereicht und verlangt, daß William Windham wahnsinnig befunden, besitzunfähig erklärt und hinter Schloß und Riegel gesetzt werde. Dies ist gewöhnlich hier ein sehr kurzer und einfacher Proceß, und das Mittel schlägt fast nie fehl, wenn es von einflußreichen Personen in Anwendung gebracht und gegen einen armen Teufel gerichtet wird, der sich durch Enthüllungen unbequem machen, mißliebige Ansprüche erheben könnte, oder aus irgend einem anderen Grunde aus dem Wege geschafft werden muß.

Da der Spleen eine Nationaleigenschaft ist, von der jeder Engländer mehr oder weniger abbekommen hat, und überhaupt das ganze englische Leben von einer so überkünstelten Civilisation beherrscht und outrirt wird, daß es in der That schwer zu sagen ist, wo der Sinn aufhört und der Wahnsinn beginnt, – so gehört, wie gesagt, nicht viel dazu, die Jury einer Irrenhaus-Commission von dem Irrsinne eines beliebigen Individuums zu überzeugen, immer vorausgesetzt, daß die Petitionirenden „respectable“, d. h. reich und mächtig genug sind, um ihrer Petition Nachdruck zu geben. Sir Lytton Bulwer ließ seine Frau in eine Irrenanstalt einsperren, weil sie ihn mit geistreichen Romanen verfolgte, also mehr Geist und Verstand zeigte, als ihrem Herrn und Gemahl lieb war, und Lady Bulwer konnte nur durch die Intervention des entrüsteten Publicums aus ihrer Haft befreit werden und auch dann nur, nachdem sie ihrem Gatten, dem damaligen Minister der Colonien, gelobt hatte, auf Reisen zu gehen und sich in Zukunft des Romanschreibens zu enthalten. Dem armen Dr. Bernard wurde Verstand und Freiheit abgesprochen, weil man von gewissen Seiten her glaubte, daß diese sanitärische Maßregel den Kaiser der Franzosen bewegen könnte, zur Ausstellung herüber zu kommen und so dem verfehlten Unternehmen zur profitablen Reclame zu dienen. Solche Dinge kommen hier alle Tage vor; und wenn wir auch gerade nicht mit dem verstorbenen O’Connell behaupten wollen, daß in den englischen Irrenheilanstalten mehr Menschen ihren Verstand verlieren, als wiederfinden, so begreifen wir doch, daß eine Irrenhaus-Commission den beiden Oheimen als das einfachste und wirksamste Mittel erschien, um sich ihrer verwandtschaftlichen Pflichten gegen ihren Neffen und dessen verwahrloste und im höchsten Grade wünschenswerthe 15,000 Pfd. St. jährlicher Revenuen zu entledigen.

Auf alle Fälle war es der billigste Weg, denn das englische Gesetz hat zur Erleichterung solcher Proceduren vorsorglich verordnet, daß die unter Umständen zu einer enormen Höhe anwachsenden Kosten aus der Vermögensmasse des Angeklagten bestritten werden, gleichviel, ob die Untersuchungs-Commission ihm den Verstand abspricht oder nicht. So weit also war ihre Berechnung richtig; nur in einem Punkte täuschten sie sich. Im Uebermaß ihrer zärtlichen Besorgniß um den Geisteszustand ihres geliebten Neffen hatten sie nämlich übersehen, daß es für einen General und Grafen zwar ein Kinderspiel ist, einem armen Teufel seinen Verstand absprechen zu lassen, daß es jedoch sehr schwer ist, einen Menschen verrückt zu machen, wenn dieser 15,000 Pfd. Sterl. jährlicher Einkünfte und somit Widerstandskraft genug besitzt, um sich seiner Haut zu wehren und dem mächtigen Angriff eine mächtige Vertheidigung entgegen zu setzen. So kam es denn zu jenem Riesenkampfe um das bischen Verstand des jungen Windham, der selbst in der Geschichte der englischen Schwurgerichtspflege ohne Beispiel dasteht. Mehr als zweihundert Zeugen wurden von beiden Seiten unter der Leitung der berühmtesten Advocaten in’s Feuer geführt, nachdem sie aus allen Ständen, aus dem ganzen britischen Reiche, aus Amerika und Indien, aus Rußland und Italien zusammengetrommelt waren. Der Schmutz, in dem beide Parteien bis an die Kniee wateten, vermochte ihre Kampflust nicht abzukühlen; einunddreißig Sitzungen, die sich über sechs Wochen erstreckten, waren nöthig, ehe die Scandalsucht des heißhungrigen Publicums gesättigt werden konnte, der allgemeine Ekel über den aus den Tiefen der vornehmen Gesellschaft aufgewühlten Schmutz intervenirte und die öffentliche Meinung mit einstimmiger Entrüstung erklärte: So weit und nicht weiter!

Das Publicum war ernstlich alarmirt. Wenn der Umstand, daß der fünfjährige Windham seine ersten weißen Höschen beschmutzt, oder die Thatsache, daß der zwölfjährige Knabe einen ganzen Rosinenpudding aufgegessen hatte, als Beweise von Verrücktheit gelten konnten; wenn es hinreichend war, roh, lüderlich, schmutzig, unwissend, albern oder verschwenderisch zu sein, um für bürgerlich todt erklärt und in ein Irrenhaus gesperrt zu werden: so war Niemand mehr seines Eigenthums und seiner Freiheit sicher. Der erschrockene John Bull fühlte sich an den Kopf, um sich zu vergewissern, ob er ihn noch besitze, und zählte bis auf Tausend, um sich zu überzeugen, daß er mehr Ansprüche auf gesunde Vernunft machen könne, als W. Windham, der, nach Aussage eines Belastungszeugen, [665] nur bis Hundert fließend zu zählen vermochte. Die aristokratischen Wüstlinge des Westend, die wie ihr vor die Irrencommission gestellter Genosse die Atmosphäre des Haymarket zu athmen und sich im Schmutze jener ekelhaften Prostitution zu wälzen pflegten, fürchteten für die Sicherheit ihrer congenialen Passionen und schlugen Alarm. Kurz, die öffentliche Meinung verlangte so stürmisch und drohend die Freisprechung des jungen Mannes, daß Jury und Irrengericht sich diesem Verlangen nicht zu entziehen vermochten. Die Petition wurde zurückgewiesen, und W. Windham hatte für die Genugthuung, daß er sich als geistesgesund betrachten konnte, etwa 50,000 Pfd. Sterl. zu zahlen, die übrigen 20,000 Pfd. Sterl. der Gerichtskosten wurden seinen petitionirenden Oheimen auferlegt oder vielmehr von diesen, um der öffentlichen Entrüstung ein Sühnungsopfer zu bringen, freiwillig übernommen.

Somit war die Sache eigentlich abgemacht. Publicum und Jury waren darüber einverstanden, daß Mr. Windham nicht verrückter sei, als ein so reicher Mann das Recht dazu habe, und weder durch ein Nervenfieber, noch durch einen Fall vom Pferde seinen Verstand verloren haben konnte, schon aus dem einfachen Grunde, weil er keinen zu verlieren hatte. Wenn er nach Aussage der medicinischen Belastungszeugen mehr, als mit gesunder Vernunft verträglich, zum Maulaufsperren geneigt war, so konnte ihm John Bull kein Verbrechen daraus machen, denn er stand selbst mit weit aufgesperrtem Munde und starrte in den bodenlosen Abgrund der Entsittlichung, dessen Dasein er bisher wohl geahnt hatte, der aber noch nie mit so schamloser Rücksichtslosigkeit vor seinen erstaunten Augen enthüllt worden war. Die Vertheidigung hatte sich darauf beschränkt, den befriedigenden Beweis zu liefern, daß die Laster des angeschuldigten Mannes Gemeingut der vornehmen Jugend seien und nicht sowohl für eine Abirrung des Verstandes, als für standesgemäßes Betragen sprächen. Die verpesteten Kneipen des Haymarket, die Tempel einer Prostitution, von der keine Stadt der Welt auch nur ein annäherndes Beispiel auszuweisen hat, waren die fashionablen Aufenthaltsorte der fashionablen Jugend. Wenn Mr. Windham der Held des Gesindels von Dieben und Prostituirten war, das von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang jenes verpestete Stadtviertel bevölkert, so war er nur erfolgreicher in seinen Bemühungen gewesen, als seine rivalisirenden Alters- und Standesgenossen; wenn er eine der gemeinsten Straßennymphen geheirathet hatte, so wurde nachgewiesen, daß solche Heirathen mit all den schmutzigen Details, die diesen Fall bezeichneten, keineswegs ungewöhnlich, sondern vielmehr fashionable und comme il faut, seien.

Die sittliche Entrüstung hinderte das Publicum jedoch nicht, das zärtlichste Interesse an dem Thun und Lassen seines Helden zu nehmen. Anstatt den Vorhang über einen Scandal fallen zu lassen, der Alle beschmutzen mußte, die mit ihm in Berührung kamen, anstatt den Hauptdarstellern in diesem ekelhaften Drama zu gestatten, sich in das Dunkel schweigender Verachtung zurückzuziehen, folgten die Berichterstatter der englischen Presse ihrer populären Berühmtheit auf Schritt und Tritt. Das Publicum erfuhr, wie Mr. Windham am Tage seiner Freisprechung 300 Pfd. Sterl. verausgabt hatte, um das ganze Gesindel des Haymarket zu bewirthen, wie bei diesem mitternächtlichen Feste begeisterte Toaste auf den Helden der Prostitution ausgebracht wurden, mit welcher Liberalität Mr. Windham den Wirth und mit welcher Grazie Mistreß Windham die Wirthin gemacht hatte. So oft Letztere, einem neuen Abenteuer zu Liebe, wie dies schon wenige Tage nach der Hochzeit der Fall gewesen zu sein scheint, ihrem Gatten durchgegangen war, wurde das Publicum pflichtschuldigst davon benachrichtigt und die Erscheinung der jungen Frau, die Scene ihrer neuen Triumphe mit der graphischen Umständlichkeit geschildert, die dem englischen Penny-a-liner eigenthümlich ist.

Officiell vor die Oeffentlichkeit trat der unsterbliche Windham abermals in der jüngstvergangenen Zeit und diesmal in einem neuen Costüme, nicht als Held der Straße, als tragisches Opfer einer großen aristokratischen Familienconspiration, sondern als liebender Gatte im Vollgenusse des häuslichen Glückes, dem er bereits den größten Theil seines Vermögens geopfert zu haben scheint. Er ist nicht mehr der reiche Windham, obgleich er noch immer neben seinem prachtvollen Landsitz eine Stadtresidenz und so viel gepuderte Livreebediente, Pferde, Equipagen, Jagdhunde und „Freunde“ aufrecht erhält, als sein geschwächter Credit und die etwas erschütterten Reize seiner liebenden Gattin ihm zu halten gestatten. Aber er ist immer noch der berühmte Windham, und als solcher gab er vor einigen Wochen dem Publicum eine Scene seines glücklichen Familienlebens zum Besten. Mistreß Windham stand vor dem Polizeigerichtshofe von Hammersmith als Klägerin gegen ihren Gatten, „weil derselbe gedroht hatte, ihr den Hals abzuschneiden“. Das Gemälde seines häuslichen Glückes, das zur Begründung dieser Anklage vor dem ehrenwerthen Polizeirichter entrollt wurde, bietet mehrere sehr anziehende Punkte dar. Auf den Wunsch seiner Gattin hatte der verbindliche Gemahl zwei ihm fremde „Gentlemen“ eingeladen, ihn mit ihrem Besuche in seiner Stadtresidenz, Nr. 7, Westbourne Terrace, zu beehren. Die jungen Gentlemen, von denen der eine als ein Student der Rechtspflege und der andere als „ohne bestimmte Beschäftigung“ bezeichnet wird, rechnen es sich zur Ehre, dieser Einladung Folge zu leisten. Man scheint sich wenig genirt zu haben. Die Gäste mit Mistreß Windham gehen ihre eigenen Wege, und Mr. Windham verfolgt die seinigen. Jene kommen von einer ihrer Excursionen spät nach Mitternacht nach Hause und finden den Gemahl, der den Abend in verschiedenen Musikhallen zugebracht und die Scenen seiner früheren Triumphe wiedergesehen hatte, total betrunken und in tiefem Schlafe auf dem Sopha liegen. Um ihn zu erwecken, gießen sie ein Glas kaltes Wasser über sein Gesicht. Mr. Windham scheint diesen gefühlvollen Scherz anfangs mit dem besten Humor aufgenommen zu haben, und die zwei „Freunde“ sowohl, als Mrs. Windham, ziehen sich in ihre Schlafcabinete zurück. Plötzlich jedoch scheint ein gewisser unklarer Verdacht in dem unklaren Kopfe des Gatten aufgetaucht zu sein. Er umgürtet sich mit einem gewaltigen Tranchirmesser der Rache, erscheint vor dem Schlafzimmer seiner Ehehälfte, pocht als mahnendes Schicksal an die Thür und droht unter einem fürchterlichen Schwure, „allen Dreien die Hälse abzuschneiden“. Aufgelöstes Haar, flatterndes Nachtgewand, durchdringende Hülferufe der erschreckten Gattin, herbeieilende Retter in der Gestalt der beiden „Freunde“, rasche Worte, Geschrei, vorbereitende Puffe, allgemeine Prügelei, die mit dem Herbeieilen der Domestiken und möglichst gegenseitigem Zurtreppehinunterwerfen geendet zu haben scheint. Die verschiedenen Phasen dieses häuslichen Drama’s sind natürlich und logisch genug; auffallend dabei nur ist, daß der reiche Windham außer Stande war, die 500 Pfd. Sterl. Caution, die ihm der Polizeirichter als Bürgschaft des friedfertigen Betragens gegen die klagende Ehehälfte für den Zeitraum von sechs Monaten auferlegte, zu zahlen, und daher von dem Gefangenwärter in’s Districtsgefängniß abgeführt werden mußte. Mr. Windham ist also nicht mehr reich, und es darf uns daher nicht wundern, wenn die Einladungen interessanter „Freunde“ sich mehren sollten. Unter allen Umständen haben wir noch nicht die letzte Scene des „großen Windham-Falles“ hinter uns. Alle englischen Journalisten spitzen bereits ihre Federn für diesen „nicht uninteressanten Fall aus den höheren Schichten der Gesellschaft“.