Der Motor der natürlichen Flugmaschinen

Textdaten
Autor: Walther Kabel
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Titel: Der Motor der natürlichen Flugmaschinen
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aus: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1914, Dritter Band, Seite 238–239
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Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Union Deutsche Verlagsgesellschaft
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Erscheinungsort: Stuttgart, Berlin, Leipzig
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[238] Der Motor der natürlichen Flugmaschinen, so kann man wohl, um im Bilde zu bleiben, das Herz unsere Flieger in der Tierwelt bezeichnen, ist bei denjenigen ihrer Vertreter, die sich als besonders ausdauernd und schnell erwiesen haben, auffallend kräftig gebaut, wie Doktor Parrot nachgewiesen hat.

Es ist ja überhaupt ein nicht unwesentliches Verdienst der modernen Aviatik, die Aufmerksamkeit weiter Kreise auf all die vielen Momente, die den Tierflug in seiner ganzen Vollkommenheit erst zustande bringen, gelenkt zu haben. Unsere Flugmaschinenkonstrukteure sahen sich genötigt, den Flug der Tiere als das natürliche Vorbild bis ins einzelne zu studieren, wobei ihnen der Naturforscher notwendig helfend zur Seite stehen mußte. Auf diese Weise hat man so viel bisher Unbekanntes über die mechanische Einrichtung des Vogelkörpers und seiner Organe erfahren, daß man geradezu wie vor neuen Offenbarungen steht. Und zu diesen neuen Studienergebnissen gehören auch die Untersuchungen über den Motor im tierischen Flugkörper, das Herz.

Schon bei den nichtfliegenden Tieren zeigt sich das Herz sehr verschieden entwickelt, je nachdem es sich um langsame oder schnelle, um sogenannte Haustiere oder freilebende, handelt. Je mehr Arbeit von dem Herzmuskel verlangt wird, desto kräftiger ist er ausgebildet, und eine desto größere Ausdehnung nimmt er an. Unser Hausrind hat zum Beispiel ein um zwei Drittel kleineres Herz als sein naher Verwandter, der wilde Büffel, und das Herzgewicht eines ausgewachsenen Rehbocks ist doppelt so groß als das des Menschen. Rennpferde, die auf eine Reihe erfolgreicher Ahnen zurückblicken können, übertreffen hinsichtlich der Herzgröße das gewöhnliche [239] Zugpferd ganz bedeutend, ebenso wie das Herz eines Wolfes um ein Drittel schwerer ist als das eines gleich großen und gleich schweren Hundes.

Bei den fliegenden Tieren, die ihrem unermüdlichen Motor je nach ihrer Lebensweise verschiedene Arbeitsleistungen zumuten, tritt diese Erscheinung der geringeren oder stärkeren Ausbildung des Herzmuskels noch bedeutend auffälliger in die Erscheinung. Nach den Untersuchungen Doktor Parrots ergibt das Herzgewicht im Verhältnis zum Körpergewicht, das mit 1000 bezeichnet wird, bei den verschiedenen fliegenden Tieren folgende Zahlen: Der virginische Regenpfeifer, einer unserer schnellsten und ausdauerndsten Flieger, steht mit 21,05 obenan. Gleich dahinter rangiert der Pirol mit 21,03 und der Strandläufer mit 19,01. Auch die Schwalben (15,80) weisen sich schon durch diese Entwicklung ihres Herzens als schnelle Flieger aus. Dasselbe gilt bei den Tauben (13,50 im Mittel), bei denen der für den Flug besonders günstige Körperbau die Herztätigkeit wesentlich entlastet. Hinter den friedlichen Tauben kommen sofort ihre gefährlichsten Feinde, die geflügelten Räuber, Habicht 12,05, Falke 12,01 und Sperber 11,09.

Vergleichen wir nun mit diesen Zahlen die Ergebnisse über solche Vögel, die als weniger gute oder trägere Flieger bekannt sind. Da wird beispielsweise der Mäusebussard, ein recht bequemer Geselle, nur mit 7,02 bewertet. Unser Sperling steht mit 6,5 in dieser absteigenden Reihe so ziemlich untenan. Unser Haushuhn mit seinen verkümmerten, zum Fliegen ungeeigneten Schwingen rangiert noch tiefer, mit 4,09. Etwas höher (5,02) bringt es die Gans.

Besonders diese letzten Zahlen beweisen recht eindringlich die Richtigkeit des von Doktor Parrot aufgestellten Satzes: Je schneller und ausdauernder ein Vogel, desto größer sein Herz.

Um zum Schluß noch die fliegenden Säugetiere kurz zu streifen, so besitzt die Fledermaus in ihrem Herzmuskel ungewöhnlich kräftige Maschine, die an Größe die einer ebenso schweren Hausmaus fast um das Doppelte übertrifft.

W. K.