Der Maler der „Wild-, Wald- und Waidmannsbilder“

Textdaten
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Autor: Guido Hammer
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Titel: Der Maler der „Wild-, Wald- und Waidmannsbilder“
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 48, S. 770–772
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Ein Stück Selbstbiographie
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Der Maler der „Wild-, Wald- und Waidmannsbilder“.
Ein Stück Selbstbiographie.


Von den Meinigen jederzeit auf’s Herzlichste geliebt, wie ebenfalls von Spiel- und Schulgenossen wohlgelitten, wurde ich in meiner Jugend nur von meinem grämlichen Rector als eine unverbesserlich nichtsnutzige Range verschrieen. Freilich war ich kein Stubenhocker und stillsitzender, fleißiger Schüler, ließ vielmehr oft genug Aufgaben Aufgaben sein, und eilte dafür hinaus in die bis unmittelbar an meine Vaterstadt heranreichende, von mir schon damals so heiß geliebte Dresdener Haide, dort in stiller Waldeinsamkeit das rege Thierleben, von der Ameise und der gaukelnden, tiefblauschillernden Libelle an bis zu der rastlos muntern Vogelwelt und dem scheuen Wilde aller Art, mit innigster Herzenswonne zu belauschen. Dabei regte sich aber doch bereits

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Guido Hammer.
Nach einer Photographie von Christ. Hahn in Dresden.

auch in mir der dem Menschen so tief innewohnende begehrliche Drang: die harmlosen Geschöpfe des Waldes nicht nur betrachten, sondern auch – lebendig oder todt – besitzen zu wollen. Und dieses selbstsüchtige Trachten lehrte mich denn schon als Knaben, mit Geschick Fische, junge Vögel und Eichhörnchen, Igel und dergleichen mehr mit den Händen zu fangen, wie ich durch Vogelsteller von Profession, Feld- und Waldhüter und sonstige oft recht problematische Naturen, mit denen ich draußen in freundlichem Verkehr trat, Sprenkel und Dohnen und Fallen stellen, beziehentlich mit ihren verrosteten Dienstgewehren allerhand Gethier, worunter auch schon Lampe eine Rolle spielte, erlegen lernte.

So ward denn frühzeitig der Grund zu meiner späteren Jagdleidenschaft gelegt, und der von Kindheit an instinctiv gehegte Wunsch: einst Jäger von Beruf werden zu wollen, zum ernstlichen Plane befestigt. Doch der Mensch denkt – Gott aber lenkt! Als ich nach meinem vierzehnten Jahre dem mir verhaßten Schulzwange entronnen war und nun freudig der zuversichtlichen [772] Hoffnung lebte, endlich bei einem Förster als Lehrling eintreten zu dürfen, um dabei vollberechtigt Tag und Nacht im stillen Walde hausen zu können – da trat als hinderndes Schicksal mein guter Vater, der ernste, stramme Ministerialbeamte, auf Grund seiner unüberwindlichen Abneigung gegen die lustige, freie Jägerei, mit einem gebieterischen Nein! dazwischen. Hingegen versagte der mir ja sonst so sorglich Wohlwollende unter Beistimmung meiner für alles Poetische und Künstlerische leicht empfänglichen lieben Mutter seine Genehmigung nicht einen Augenblick dazu, meines ältesten Bruders Julius, des Dichters von „Schau um Dich und schau in Dich“, Rath befolgen zu dürfen, die Akademie zu besuchen, um mich darin zum Maler auszubilden. Hiermit begann denn eine neue Aera für mich.

In dieser unterbrach ich aber keineswegs meine geliebten Waldgänge, sondern gab mich dem mir ganz unentbehrlich gewordenen Genusse nur um so schrankenloser hin, als ich mir die Grenzen dazu bedeutend erweiterte. Infolge dessen galten jetzt meine Ausflüge zumeist der poesiereichen Umgebung des bekannten königlichen Jagdschlosses Moritzburg mit seinem umfänglichen Thiergarten. Hier weilte ich nun an waldumschlossenen verschilften Teichen und weiten Brüchen unter dem dort immerhin leicht zugänglichen Wilde aller Art tagelang, ja oft die mondhellen Nächte hindurch, um dessen selbst geheimstes Gebahren nach und nach zu erlauschen. Auch versäumte ich niemals, den königlichen Jagden, welche draußen abgehalten wurden, beizuwohnen, natürlich nur als geduldeter Zuschauer oder höchstens freiwilliger Treiber. Hierbei fand ich aber doch durch angeknüpfte Bekanntschaften mit der dortigen Jägerei endlich auch die längst und heiß ersehnte Gelegenheit, selber mit der Büchse in der Hand auf „Nachsuchen“ oder bei befohlenem Abschusse von Wild unter der Hand thätig mit eintreten zu dürfen. Und da ich hierbei eine nicht gewöhnliche Geschicklichkeit, namentlich Raschheit, entwickelte, außerdem aber auch noch ein allezeit williger, anstelliger, unermüdlicher und dadurch nützlicher Gehülfe beim Transporte und „Aufbrechen“ des erlegten Wildes war, und dieses in der Regel auch noch zur Freude aller Grünröcke „so hübsch abmalte“, so ward ich von diesen nach und nach – als in ihre „Farbe“ passend – wie ein ihnen ebenbürtiger Standesgenosse betrachtet.

Es ist mir ja aber auch später das edle Waidwerk in der That, schon um meines erwählten Faches in der Kunst willen, zum wirklichen Berufe geworden, so daß ich nach dem Verlassen des Ateliers meines vortrefflichen Lehrers und Meisters meine Existenz lediglich darauf stützen konnte und mußte; habe ich doch bis heute nur in der Jägerwelt Mäcene gefunden. Aber die Höchstgestellten davon haben mich nicht nur mit ihren Aufträgen beehrt und an ihren Jagden teilnehmen lassen, wie der so kernfeste, ritterliche Jägersmann, der regierende Herzog von Coburg, und der Altmeister im Waidwerk, der hochherzige Reichsgraf zu Solms – nein, Beide erstreckten in wahrer Liebe zu Jägerei und Kunst ihre Huld für mich, der ich ihnen als Vertreter einer wie der andern Richtung gleichviel gelte, auch noch so weit, daß sie mich bei vielen Gelegenheiten auszeichneten und wahrhaft beglückten. Zumal das gesammte edle Haus zu Solms hat mir in nie erloschener freundlicher Zuneigung so unendlich viel Liebes erzeigt, daß es sogar vor Kurzem meine heißeste Sehnsucht nach einem eigenen Heim gestillt. Hier im föhrenumrauschten, hirschgeweihgeschmückten, trauten Häuschen, wo ich nun frohgemuth und sorglos an der Seite meiner Lieben schaffen und wirken kann, fühle ich mich jeden Tag von Neuem so überglücklich, daß mich mein Herz mit unwiderstehlicher Gewalt dazu drängt, gerade an dieser Stelle, vor aller Welt, meine unauslöschliche Dankbarkeit dafür zu bekunden.

So hat sich meine warme Liebe und getreue Anhänglichkeit für die Jägerei reich belohnt, wie ich mich denn überhaupt rühmen darf, so glücklich gewesen zu sein, daß wo ich mit deutschen Jägern, hoch oder niedrig, zusammengetroffen, ich überall im raschen Fluge deren Freundschaft gewann. War es in Sachsens holzreichen Gebirgen oder Gauen, war es in Böhmens herrlichen Forsten, war es in Schlesiens weitgestreckten, bis hinein nach Polen und Galizien reichenden kiefernbestandenen, wundersam anziehenden Wälderstrichen, war es im bairischen, tiroler oder steirischen Hochlande mit seinen urwäldlichen Beständen, Almen, Schroffen und schneegegipfelten Firsten, oder war es selbst am fernen Meeresstrande des Bosporus – überall fand ich Freunde unter den Jägern. Bedarf’s doch aber auch bei Waidleuten nur, sich Aug’ in Aug’ zu blicken, einen biedern Händedruck, dazu ein frisches, echtes Jägerwort – und Herz zu Herz hat sich gefunden.

Doch auch einigen wenigen Nichtjägern bin ich, namentlich in Bezug auf meine Künstlerlaufbahn, in meinem Leben zu innigem Danke verpflichtet worden. So werde ich in treuer Erkenntlichkeit es niemals vergessen, daß Professor Hübner, der vielbegehrte Meister, es war, der mich nach meinem akademischen Cursus aus eigenem Antriebe seiner auserwählten Schülerzahl einreihte und mich dadurch zu Dem gebildet hat, was ich als Künstler geworden. Neben diesem aber hat mein Freund Professor Bürkner durch anregende Aufträge für den Holzschnitt, wie allererste Verwendung meiner schriftstellerischen Arbeiten mir den Weg gebahnt, nun schon seit zwei Jahrzehnten in diesen Spalten durch Bild und Wort vor meine Leser treten zu dürfen. Und wenn ich ihm, dem freundlichen Vermittler hierzu, noch heutigen Tages auf’s Wärmste dafür danke, um wie viel mehr noch dem Begründer und Leiter der „Gartenlaube“, meinem lieben, hochverehrten Freunde Keil, der mir in jeder Beziehung und allezeit mit seiner Uneigennützigkeit die Hand geboten und herzlichste Zuneigung bewiesen![1]

So schließe ich denn dankbaren Herzens gegen Alle, auch nicht Genannte, welche mir im Leben Gutes gethan, meine vom freundlichen Gönner mir abgeforderte Lebensskizze, doch nicht, ohne auch noch meinen lieben Lesern als begleitenden Gruß zu nebenstehendem Conterfei ein recht herzliches „Waidmanns Heil!“ zuzurufen.

Guido Hammer.


  1. Die bestimmte Ordre des seit zwanzig Jahren getreuen Mitarbeiters meiner Gartenlaube, vorstehenden Artikel Wort für Wort und unverändert abzudrucken, zwingt mich, auch diesen letzten Passus in seiner ursprünglichen Fassung aufzunehmen. Von einer „Uneigennützigkeit“ kann aber bei Hammer’s vortrefflichen künstlerischen Leistungen, die jedem Blatte eine stets willkommene Zierde sein würden, nicht die Rede sein.
    E. K.