Der Knabenmord in Xanten vor dem Schwurgericht zu Cleve vom 4. bis 14. Juli 1892/Tag 3
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Der Präsident, Landgerichtsdirektor Kluth eröffnet gegen 9¼ Uhr Vormittags die Sitzung. Der Staatsanwalt beantragt, den bisher nicht erschienenen Zeugen Knippenberg sistiren und vorführen zu lassen und denselben in eine entsprechende Strafe wegen seines Ausbleibens als Zeuge zu nehmen.
Der Präsident bemerkt, daß Knippenberg schwachsinnig sei, es sei daher fraglich: ob derselbe in Strafe genommen werden könne.
Der Gerichtshof beschließt: den Zeugen Drechsler Knippenberg sistiren und ihn zum Freitag vorführen zu lassen.
Es erscheint alsdann als Zeuge Anstreicher Köters: Am Vormittage des Peter-Paulstages sei er etwa 10 Minuten vor 10 Uhr aus der Messe gekommen. Er sei über den sogen. Porteweg gegangen und habe dort auf einem kleinen Häuschen, das an das Buschhoff’sche Hinterhaus grenzt, seinen Neffen, das kleine Joanchen sitzen sehen. Letzterer habe ihn noch mit den Worten begrüßt: „Guten Morgen, Onkel!“ Er habe von dieser Zeit ab das Kind nicht mehr gesehen. Er sei einer der Ersten gewesen, der auf der Mordstätte war. – Vertheidiger Rechts-Anwalt Fleischhauer: Sie haben dem Vater des ermordeten Kindes, Ihrem Schwager, zuerst die Nachricht von der Ermordung gebracht. Was haben Sie Ihrem Schwager als Todesursache angegeben? – Zeuge: Ich sagte meinem Schwager, daß der Joanchen in die Wannmühle gefallen sei.
Vertheidiger: Ich wollte damit blos beweisen, daß Buschhoff mit seiner Ansicht: Der Knabe sei in die Wannmühle gefallen, nicht alleine stehe.
Präsident: Glaubten Sie, daß der Knabe in die Wannmühle gefallen sei?
Zeuge: Jawohl, anfänglich glaubte ich es; ich habe allerdings dem Vater zunächst gesagt, daß sich der Kleine blos eine Beinverletzung zugezogen habe, ich wollte ihm nicht sofort sagen, daß das Kind todt sei.
Vertheidiger Rechtsanwalt Stapper: Ich muß hier bemerken, daß Buschhoff alle seine Messer selbst der Polizei ausgeliefert hat.
Präsident: Das werden wir nachher feststellen, im Uebrigen geht aus den Akten hervor, daß die Polizei die Messer bei ihm konfiszirt hat.
Vertheidiger Rechtsanwalt Fleischhauer: Die Messer wurden aber nicht sämmtlich beschlagnahmt, Buschhoff hat die fehlenden der Polizei aus eigenem Antriebe ausgeliefert.
Der folgende Zeuge ist der Lehrer der jüdischen Gemeinde Gottschalk: Er sei Lehrer und Schächter der jüdischen Gemeinde zu Xanten; Buschhoff habe während der Zeit, wo er (Zeuge) in Xanten sei, nur als Hilfsschächter fungirt. Siegmund Buschhoff sei ein sehr gutmütiger und aufgeweckter Knabe; er sei nicht schüchtern, aber auch nicht frech.
Es erscheint alsdann als Zeuge der Bürgermeister Schleß zu Xanten. Dieser bekundet auf Befragen des Präsidenten: Buschhoff erfreute sich eines sehr guten Leumundes, er sei weder jähzornig, noch rachsüchtig, sondern im Gegentheil ein gutmüthiger Mann.
Präsident: Gestern haben uns mehrere Zeugen gesagt, Buschhoff sei auch ein sehr reeller Mann, er habe sie beim Fleischhandel niemals übervortheilt, können sie das bestätigen?
Zeuge: Soweit mir bekannt, kann ich dieses Zeugniß durchaus bestätigen.
Präsident: Buschhoff hat sich einige Tage bei Ihnen mit dem Ersuchen gemeldet, daß Sie ihn verhaften sollen?
Zeuge: Jawohl. Buschhoff kam einige Tage nach dem Morde zu mir und sagte: Herr Bürgermeister, ich kann es nicht mehr aushalten, ich werde von allen Seiten des Mordes beschuldigt, bitte, verhaften Sie mich. Ich antwortete dem Buschhoff: Ich könnte das nicht thun, er müsse sich event. an die Staatsanwaltschaft wenden. – Präs.: Machte Buschhoff den Eindruck eines Schuldbewußten? – Zeuge: Das kann ich nicht sagen, er machte jedenfalls den Eindruck eines Verfolgten.
Vertheidiger Rechtsanwalt Fleischhauer: Ich richte an den Herrn Bürgermeister die Frage, ob Junkermann am Tage nach dem Morde zu ihm gekommen ist und ihm gesagt hat: Ich kenne den Mörder, das ist Niemand weiter als der Jude Buschhoff. Die Juden brauchten Christenblut, das weiß ich von meinem Sohne, dem Doktor.
Zeuge: Das ist richtig. Junkermann kam am Tage nach dem Morde zu mir und sagte: Ich kenne den Mörder, das ist der Jude Buschhoff, die Juden brauchen Christenblut, das weiß ich ganz genau von meinem Sohne, der Arzt ist. – Präs.: Junkermann, was sagen Sie dazu? Ist das richtig, was der Herr Bürgermeister sagt? – Junkermann: Der Herr Bürgermeister wird sich erinnern, daß ich am Tage des Mordes zu ihm gekommen bin und ihm gesagt habe: Ich habe auf zwei Leute Verdacht, zunächst auf Knippenberg. Da antwortete mir der Herr Bürgermeister: das glaube ich nicht, Knippenberg ist ein viel zu gutmüthiger Mensch. Darauf sagte ich: ich habe noch einen zweiten Verdacht, auf Buschhoff. Da versetzte der Herr Bürgermeister: Ja, daran haben wir auch schon gedacht. Etwas Anderes habe ich dem Herrn Bürgermeister nicht gesagt, von einem Ritualmorde habe ich nicht gesprochen. – Präs: Herr Bürgermeister ich bitte, sich hierüber zu äußern. – Bürgermeister Schleß: Ich halte meine Aussage auf Grund meines Eides vollständig aufrecht.
Auf Antrag des Rechtsanwalts Fleischhauer wird der Zeuge Junkermann noch einmal vorgerufen. – Verth. R.-A. Fleischhauer: Unterhalten Sie mit Wesendrup keinen Verkehr? – Zeuge Junkermann: Nein, den habe ich aus bestimmten Gründen abgebrochen. – Vertheidiger Rechtsanwalt Fleischhauer: Waren Sie nicht am 4. Juli mit Wesendrup zusammen verreist? – Zeuge Junkermann: Nein. – Vertheidiger R.-A. Fleischhauer: Haben Sie den Wesendrup am 4. Juli nicht in der Stadt Goch getroffen? – Zeuge Junkermann: Das weiß ich nicht. – Vertheidiger R.-A. Fleischhauer: Wir werden die Richtigkeit beweisen.
Präs.: Herr Bürgermeister, halten Sie den Mölders für einen glaubwürdigen Mann?
Zeuge: Mölders ist Gärtnereiarbeiter und trinkt wohl bisweilen etwas über den Durst, namentlich an den Sonn- und Feiertagen, ich glaube aber, daß er wissentlich keinen Meineid leisten wird.
Präs.: Können Sie uns etwas über die Familie Ullenboom sagen?
Zeuge: Die Ullenbooms sind anständige Leute und meiner Meinung nach vollständig glaubwürdig.
Präs.: Herr Bürgermeister, Können Sie uns über Wesendrup etwas sagen? – Zeuge: Wesendrup ist ein sehr geschickter Steinmetz, aber ein dem Trunk ergebener, ganz verbummelter Mensch, der in Folge seines lüderlichen Lebenswandels wirthschaftlich sehr heruntergekommen ist. Wesendrup ist auch ein sehr jähzorniger, roher Mann, der seine Frau stets arg mißhandelt hat. Es ging sogar in Xanten das Gerücht, daß seine Frau in Folge der Mißhandlung ihres Mannes im Wochenbett gestorben sei. Ich halte den Wesendrup für sehr wenig glaubwürdig. Wesendrup unterhält mit seiner Haushälterin ein intimes Liebesverhältniß. Er arbeitet vielfach auswärts, schickt aber nichts für seine Kinder, die in Folge dessen der Armenverwaltung zur Last liegen.
Staatsanwalt: Verkehrte Wesendrup mit Mölders?
Zeuge: Jawohl.
Präs: War Wesendrup im Stande, auf Mölders Einfluß auszuüben?
Zeuge: Jawohl, Wesendrup ist dem Mölders geistig überlegen und ist wohl im Stande, denselben zu beeinflussen. – Vertheidiger Rechtsanwalt Fleischhauer: Können Sie uns etwas über das Verhältnis zwischen Wesendrup und Junkermann sagen? – Zeuge: Wesendrup und Junkermann sind Halbschwäger; dieselben waren lange verfeindet; es ist mir aber aufgefallen, daß nach dem Morde die beiden Leute sich wieder befreundeten. – Verth.: Hat Junkermann nicht vielfach öffentlich behauptet, daß Buschhoff der Mörder sei? – Zeuge: Jawohl, Junkermann hat in den Wirthschaften das große Wort geführt, Junkermann ist, wie man so zu sagen pflegt, ein richtiger Schwadroneur und hat stets behauptet, daß Buschhoff der Mörder sei. –
Verth.: Hat Junkermann in Xanten antisemitische Flugschriften vertheilt?
Zeuge: Es sind wohl in Xanten viele antisemitische Schriften, wie die „Dortmunder Reform“ u. s. w. vertheilt worden, ob sich aber auch Junkermann an dieser Vertheilung betheiligt hat, kann ich nicht sagen. Die antisemitischen Schriften wurden zumeist im Hotel Wilkens in Xanten vertheilt, in diesem Hotel hat auch Junkermann vielfach verkehrt.
Präsident: Was können Sie uns über den hier auch als Zeugen geladenen Mallmann sagen?
Zeuge: Mallmann hat sich an den Unruhen, die nach dem Morde in Xanten gegen die Israeliten stattfanden, in hervorragender Weise betheiligt. Wenn ich des Abends mit meinen Beamten die Straßen inspizirte, dann befand sich Mallmann gewöhnlich in den ersten Reihen der Skandalmacher und leistete meinen Aufforderungen, sich zu entfernen oder wenigstens nicht stehen zu bleiben, keine Folge. – Präs.: Mallmann war also gewissermaßen Agitator bei den Kravallen gegen die Juden? – Zeuge: Jawohl. – Präs.: Halten Sie den Mallmann für glaubwürdig? – Zeuge: Nein, keineswegs.
Verth. Rechtsanwalt Fleischhhauer: Ist es dem Herrn Bürgermeister bekannt, daß Buschhoff sich am 9. Juli bei ihm beschwerte, daß Mallmann ihn förmlich auf der Straße verfolge und ihm Mörder nachrufe? – Zeuge: Jawohl. – Vertheidiger: Buschhoff hat in Folge dessen Sie um Schutz gebeten? – Zeuge: Jawohl. – Vertheidiger: Hat nicht einmal der Zeuge Mallmann das Gerücht verbreitet, er habe gesehen, wie die Tochter des Angeklagten, die Hermine Buschhoff, die Leiche in einem Sack in die Küppers’sche Scheune getragen habe? – Zeuge: Jawohl. – Der Zeuge bemerkt im Weiteren, daß, als er die Leiche zum ersten Male gesehen, der sehr geschickte Halsschnitt den Verdacht in ihm rege machte, einer der in der Nähe wohnenden jüdischen Schlächter habe den Mord begangen.
Präs.: Machte lediglich der geschickte Schnitt diesen Verdacht in Ihnen rege? – Zeuge: Lediglich der geschickte Schnitt.
Der folgende Zeuge ist der Polizei-Sergeant Schlöhr. Dieser bekundet, daß er sofort nach Auffindung der Leiche nach menschlichen Spuren gesucht, er habe aber nur auf dem Gartenweg Fußspuren entdeckt. Das Thor fand er verschlossen, doch konnte eine starke Person die Flügel soweit auseinander drücken, daß ein Mensch durchkriechen konnte. Frau Hegmann habe ihm erzählt, als Buschhoff am Abend des Mordes zu ihr kam, habe Sie förmlich geahnt, daß Buschhoff der Mörder sei. – Präs.: Wann erzählte Ihnen das die Frau Hegmann? – Zeuge: Einige Wochen nach dem Morde.
Es erscheint alsdann als Zeuge der Gärtnereibesitzer Mölders. Dieser bekundet auf Befragen des Präsidenten: Er sei am Peter-Paulstage des Morgens gegen 9 Uhr in seinen Garten gegangen, er sei dort etwa eine Viertelstunde geblieben, sei alsdann nach dem Clever Thore gegangen und habe dort in der Gastwirthschaft von Kluge einen Korn getrunken. Gegen 10 Uhr sei er nach der Cleverstraße gegangen und habe dort gesehen, wie aus dem Hause von Buschhoff aus dem Hausflur ein Arm herauslangte und einen kleinen Knaben in das Haus zog. – Präsident: Kannten Sie den Knaben? – Zeuge: Nein. – Präsident: Wie war der Knabe gekleidet? – Zeuge: Er hatte ein blaues Schürzchen vor.
Präs.: Wie sah der Arm aus, der das Kind in das Haus hineinzog? – Zeuge: Der Arm sah weiß aus. – Präs.: Haben Sie nur einen Arm gesehen? – Zeuge: Jawohl. – Präs.: Haben Sie noch andere Kinder in der Nähe gesehen? – Zeuge: Ich glaube, es waren zwei. – Präs.: Sahen Sie denn noch gut? – Zeuge: Jawohl. – Präs.: Sie sind bereits 68 Jahre? – Zeuge: Jawohl. – Präs.: Sie hatten an dem Tage schon eins getrunken? – Zeuge: Jawohl. – Präs.: War das ein großes Glas Schnaps? – Zeuge: Jawohl – Präs.: So ein Glas thut Ihnen nichts? – Zeuge: Nein. – Präsident: Sie trinken oftmals einen Schnaps? – Zeuge: Ja, bei der Arbeit. – Präs.: Des Sonn- und Feiertags trinken Sie auch eins? – Zeuge: Jawohl. – Präs.: Haben Sie auch heute schon etwas getrunken? – Zeuge: Jawohl. – Präs.: Wie viel Glas haben Sie heute getrunken? – Zeuge: Zwei. – Präs.: Haben Sie das Kind, das in das Haus gezogen wurde, schreien gehört? – Zeuge: Nein. – Präs.: Haben Sie auf einem Prellstein an der Kirch- und Cleverstraßen-Ecke einen Knaben sitzen sehen? – Zeuge: Nein. – Präs.: Wissen Sie, wann Sie zu dem Herrn Amtsrichter gegangen sind? – Zeuge: Fünf Tage nach Peter und Paul. – Präs.: Weshalb haben Sie nicht früher Anzeige gemacht? – Zeuge: Ich wollte nicht soviel Laufereien haben. – Präs.: Wem haben Sie zuerst etwas von Ihrer Wahrnehmung erzählt? – Zeuge: Das weiß ich nicht.
Präs.: Warum haben Sie aber so spät von Ihrer Wahrnehmung der Behörde Mittheilung gemacht, Sie mußten sich doch sagen, daß eine solche Wahrnehmung höchst wichtig ist, und mußten sich doch durch Ihr Schweigen in Ihrem Gewissen gedrückt fühlen? – Zeuge: Ich wollte nicht Laufereien haben. – Präs.: Waren Sie nicht am 5. Juli bei Hegmann? – Zeuge: Nein. – Präs.: Hegmann hat Sie doch aber zum Amtsrichter geschickt? – Zeuge: Das ist möglich. – Präs.: Was thaten Sie bei dem Herrn Amtsrichter? – Zeuge: Ich habe einen Eid geleistet und dasselbe gesagt wie heute.
Es erscheint alsdann als Zeuge der zehnjährige Knabe Gerhard Heister, ein sehr aufgeweckter Knabe. Dieser erzählt auf Befragen des Präsidenten: Er sei am Peter-Paulstage gegen halb neun Uhr in die Messe gegangen und gegen halb zehn Uhr aus der Messe gekommen. Gegen 10 Uhr Vormittags habe er sich an der Clever- und Kirchstraßen-Ecke auf einen Prellstein gesetzt und habe gesehen, wie ein Arm aus dem Buschhoff’schen Hause herauslangte und das kleine Joanchen in das Haus hineinzog.
Präsident: Wie sah die Hand aus? – Zeuge: Ganz nackt. – Präs.: War das der Arm eines Mannes oder einer Frau? – Zeuge: Das weiß ich nicht. – Präs.: War das kleine Joanchen allein vor dem Buschhoff’schen Hause, oder waren noch andere Kinder dort? – Zeuge: Ja, noch zwei andere Kinder. – Präs.: Was thaten diese Kinder? – Zeuge: Die gingen nach Hause. – Präs.: Kennst Du Mölders? – Zeuge: Sehr gut. – Präsident: Hast Du den Mölders gesehen, als das kleine Joanchen in das Buschhoff’sche Haus gezogen wurde?
Zeuge: Ja, Mölders ging von der Cleverstraße in die Kirchstraße bis zum Knippenberg’schen Hause.
Präs.: Hat Möldern auch sehen können, wie das kleine Joanchen in das Buschhoff’sche Haus gezogen wurde?
Zeuge: Ja.
Präs.: Du hast drei Wochen nach Peter-Paul zum ersten Male Deinen Eltern erzählt, daß das kleine Joanchen in das Buschhoff’sche Haus gezogen wurde?
Zeuge: Ich hatte Furcht, ich komme in den Thurm.
Kriminal-Kommissar Verhülsdonk (Crefeld) bekundet: Er habe bezüglich der Aussagen des Mölders und des Knaben Heister festgestellt, daß Mölders in Gegenwart des Knaben über seine Wahrnehmungen gesprochen. Mölders habe sich wohl mehrfach in Widersprüche verwickelt, im Allgemeinen aber einen glaubwürdigen Eindruck gemacht. Auch der kleine Heister und seine Eltern, die er (Kommissar) vernommen, haben im Allgemeinen einen glaubwürdigen Eindruck gemacht.
Vertheidiger Rechtsanwalt Fleischhauer: Herr Kommissar! Wann hat Ihnen Mallmann mitgetheilt, er habe gesehen, daß die Hermine Buschhoff den Leichnam in einem Sack in die Scheune getragen hat?
Zeuge: Am 21. Juli.
Vertheidiger: Haben Sie den Mallmann gefragt, weshalb er nicht früher schon von seinen Wahrnehmungen Anzeige gemacht hat?
Zeuge: Jawohl, ich sagte, warum er nicht schon längst dem Herrn Bürgermeister von seiner Wahrnehmung Anzeige gemacht hat. Mallmann antwortete mir: Er habe anfänglich keine Anzeige erstatten wollen, nun lasse ihm aber seit drei Tagen sein Gewissen keine Ruhe mehr.
Der Kriminal-Kommissar bekundet im Weiteren, daß der bereits gestern erwähnte Knabe Stephan Kernder, der ebenfalls den kleinen Hegmann in das Buschhoff’sche Haus habe ziehen sehen, bei seiner Vernehmung trotz aller Bemühungen nicht zum Sprechen zu bewegen war.
Danach tritt bis 4 Uhr Nachmittags eine Pause ein.
Nach Wiederaufnahme der Verhandlung wird nochmals der Arbeiter Mölders vernommen.
Auf Befragen des Staatsanwalts bekundet der Zeuge, daß er den Knaben Heister oder andere Knaben, die am Peter-Paulstage vor dem Buschhoff’schen Hause waren, nicht gesehen habe. Die Thür des Buschhoff’schen Hauses, an der er dicht vorübergegangen, sei zugemacht gewesen. Er habe weder Schreien noch Klagetöne gehört. – Präs.: Sehen Sie denn noch gut? – Zeuge: Ja. – Präs.: Können Sie noch lesen? – Zeuge: Nein, lesen kann ich gar nicht.
Vertheidiger Rechtsanwalt Fleischhauer: Sie können auch nicht schreiben? – Zeuge: Nein. – Präs.: Wenn hier im Zuschauerraum ein Nachbar von Ihnen wäre, würden Sie diesen erkennen können? – Zeuge: Nein. – Präs.: Dann sie Sie also sehr kurzsichtig? – Zeuge: Ja. – Der Knabe Heister bekundet auf Befragen des Staatsanwalts wiederholt, daß er den Mölders zu der angegebenen Zeit habe vorübergehen sehen. – Es werden alsdann einige Befunds-Protokolle verlesen.
Danach erscheint als Zeuge der Stadtverordnete und Kaufmann Küppers: Er sei am Peter-Paulstage, Vormittags gegen 10 Uhr, in’s Hochamt gegangen. Zu dieser Zeit habe die Thür der Fruchtscheune offen gestanden. Er sei an dem Buschhoff’schen Schlachthause vorübergegangen und habe gehört, daß in demselben laut gesprochen wurde. Es sei ihm aufgefallen, daß der obere Thorflügel der Buschhoff’schen Scheune drei Finger weit offen gestanden habe. Aus dem hinteren Zimmer des Buschhoff’schen Hauses, das auf den Porteweg hinaus ein Fenster hat, habe er ebenfalls mehrere männliche Stimmen gehört.
Der Zeuge bekundet im Weiteren: Buschhoff sei „mehr gutmüthig als jähzornig“, er sei nicht rachsüchtig und auch reell.
Präs.: Sie sollen dem Herrn Amtsrichter gegenüber über Buschhoff einmal eine Aeußerung gethan haben, als der Verdacht der Thäterschaft sich auf Buschhoff lenkte; wie hat diese Aeußerung wohl gelautet?
Zeuge: Ich erinnere mich nicht mehr.
Präs.: Herr Amtsrichter Riesbroek (nicht Christburg, wie anfänglich geschrieben) erzählen Sie uns einmal, wie die Aeußerung gelautet hat.
Amtsrichter Dr. Riesbroeck: Der alte Hegmann, der Vater des Ermordeten, und Küppers sagten: Knippenberg oder Siegmund Buschhoff können den Mord begangen haben. Als ich den Küppers nun fragte: Haben Sie auf den alten Buschhoff nicht Verdacht? antwortete Küppers: dem alten Buschhoff traue ich eine solche That nicht zu. Ich habe schon einmal zu Buschhoff gesagt: „Du bist zu brav und zu ehrlich, deshalb kommst Du nicht weiter“.
Präsident: Küppers, haben Sie das gesagt? – Zeuge: Jawohl. – Präs.: Das war damals Ihre Ueberzeugung? – Zeuge: Jawohl.
Amtsrichter Dr. Riesbroeck theilt ferner mit, daß am Tage nach dem Morde Küppers gesagt hat: wenn der Staub auf der Leiche Schlagstaub, d. h. Staub von Grabsteinen ist, dann ist Buschhoff der Mörder.
Präs.: Haben Sie das gesagt? – Zeuge: Jawohl. – Präs.: Wie kamen Sie darauf? – Zeuge: Weil Buschhoff mit Grabsteinen handelte.
Präs.: Küppers, Sie sollen auch mit Mölders gesprochen haben? – Zeuge: Jawohl. – Präs.: Was sagte Ihnen Mölders? – Zeuge: Er sagte, der Mord ist immer noch nicht entdeckt, das hat Niemand weiter als der Jude Buschhoff gethan, ich habe gesehen, wie das kleine Joanchen in die Buschhoff’sche Wohnung gezogen worden ist.
Präs.: War Mölders damals betrunken?
Zeuge: Nein, ich habe wenigstens nichts gemerkt.
Präs.: In der Anklage steht, daß Mölders an diesem Tage etwas angetrunken war.
Zeuge: Mir kam Mölders wie immer vor.
Oberstaatsanwalt Hamm: Wie kamen Sie dazu, den Siegmund Buschhoff und nicht den alten Buschhoff zu verdächtigen? – Zeuge: Weil ich den Siegmund Buschhoff für raffinirter hielt. – Oberstaatsanwalt: Hielten Sie denn den kleinen Siegmund für fähig dazu? – Zeuge: Jawohl. – Präs: Worauf begründeten Sie das? – Zeuge: Der kleine Siegmund Buschhoff schlachtete schon Ziegen und Kälber. – Oberstaatsanwalt: Hatten Sie noch andere Verdachtsmomente gegen Siegmund Buschhoff? – Zeuge: Nein. – Der Zeuge bekundet im Weiteren, daß wohl etwa 1000 Leute zu ihm gekommen seien und sich den Thatort angesehen haben, unter diesen seien auch verschiedene Aerzte gewesen. Diese haben Alle erklärt, daß der Junge nicht in der Scheune ermordet worden sei, da wenig Blut und auch keine Spritzflecken vorgefunden wurden.
Verth. Rechtsanwalt Fleischhauer: Ich will hier konstatiren, daß Herr Dr. Steiner in der hiesigen Restauration „Zur Lampe“ dem Mühlenbesitzer Steuvelen aus Straelen gegenüber erklärt hat, daß er nach Anhörung der medizinischen Sachverständigen vollständig seine früheren Ansichten fallen lasse und sich den medizinischen Sachverständigen anschließe.
Verth. Rechts-Anwalt Fleischhauer: Hat der Zeuge dem Gericht oder der Staatsanwaltschaft einmal eine schriftliche Nachricht gemacht?
Zeuge: Nein.
Verth. Rechtsanwalt Fleischhauer: Dann bemerke ich, daß der Zeuge noch gestern in der Restauration von Stiepels hierselbst geäußert hat. Er habe ein Schreiben an die Staatsanwaltschaft gesandt, das ihm Kaplan Bresser diktirt hat.
Zeuge: Das ist das Gutachten, das ich eingereicht habe, und welches im „Xantener Boten“ für Stadt und Land veröffentlicht worden ist.
Frau Buckstege, welche hiernach als Zeugin erscheint, bekundet: Am Tage nach dem Morde sei Buschhoff zu ihr, die sie eine halbe Stunde von Xanten entfernt wohne, gekommen, um ihr ein Kalb abzukaufen. Es sei ihr aufgefallen, daß Buschhoff so roth im Gesicht war. – Präs.: War es an diesem Tage sei heiß? – Zeugin: Jawohl. – Präs.: Dann ist es doch erklärlich, daß Buschhoff roth im Gesicht war, zumal er doch weit gegangen war. – Zeugin: Das mag sein. – Präs.: Sie waren aber der Meinung, der Buschhoff sehe roth im Gesicht aus, weil er womöglich den Mord ausgeführt habe? – Zeugin: Jawohl. – Präs.: Haben Sie denn mit Buschhoff über den Mord gesprochen? – Zeugin: Jawohl. – Die Zeugin bemerkt, als ihr der Präsident erklärt hatte, daß sie entlassen sei: Sie habe an Buschhoff eigentlich nichts Auffälliges bemerkt.
Es wird hierauf nochmal Amtsrichter Dr. Riesbroeck vernommen.
Vertheidiger Rechtsanwalt Gammersbach: Ist es richtig daß Mölders erklärt hat: er habe am Peter-Paulstage gesehen, wie ein männlicher Arm, der aus dem Buschhoff’schen Hause hinausgestreckt wurde, den ermordeten Knaben in das Haus hineingezogen habe. Der Knabe habe 3 bis 4 Fuß von der Mauer gestanden?
Zeuge: Jawohl.
Auf weiteres Befragen des Vertheidigers bestätigt der Zeuge, daß aus dem Knaben Stephan Kernder bei dessen zweiter Vernehmung trotz aller Mühen kein Wort herauszubringen gewesen sei. Mallmann habe ihm zumeist Mittheilungen gemacht, die er nicht selbst wahrgenommen, sondern nur vom Hörensagen gewußt habe.
Fräulein Elise Kluge, Tochter eines Xantener Gastwirths, bekundet: Mölders habe am 5. Juli, an dem Tage, an dem er den Amtsrichter aufsuchte, 3 Schnäpse getrunken. Mölders sei am Vormittag bei ihnen gewesen.
Fräulein Küppers: Siegmund Buschhoff habe sie am Peter-Paulstage, Nachmittags zwischen halb 3 und 3 Uhr, sehr lange im Laden aufgehalten. – Präs.: Fiel Ihnen das auf? – Zeugin: An demselben Tage nicht, aber am folgenden Tage dachte ich: Siegmund Buschhoff müsse mit seinem langen Verweilen etwas bezweckt haben.
Es erscheint hierauf als Zeuge Kriminalkommissar Wolff (Berlin): Im Juli 1891 hatte ich im Berliner Polizeipräsidium Nachtdienst. Zu dieser Zeit kam ein kleiner jüdischer Herr zu mir und fragte, ob ich bereit wäre, nach[WS 1] Xanten zur Feststellung eines Verbrechens zu fahren. In Xanten sei ein Knabe ermordet worden, das Verbrechen werde den Juden in die Schuhe geschoben, und es werden in Folge dessen gegen die Xantener Juden Exzesse verübt. Ich sagte dem Herrn: er müsse sich an den Minister des Innern oder der Justiz wenden, diese allein seien im Stande, einen Polizeibeamten aus Berlin nach auswärts zu schicken. Im Monat September erhielt auch ich vom Minister den Auftrag, nach Xanten zu fahren. Ich fuhr am 25. September zunächst nach Cleve und begab mich alsdann nach Xanten. In Goch stiegen mehrere Xantener Bürger ein. Unter diesen fiel mir ganz besonders Junkermann auf, den ich als einen sehr häßlichen Schwätzer kennen lernte.
Junkermann erzählte: Sein Sohn sei Arzt, und dieser habe ihm geschrieben, daß die Juden Christenblut brauchen, und er, der früher Metzgermeister gewesen, wisse auch genau, daß der Knabe nach ritueller Art geschächtet worden sei. Ich gab mich unterwegs nicht zu erkennen, um etwas zu hören. Als wir in Xanten ausstiegen, winkte ich den Junkermann zu mir heran. Dieser wurde, als ich mich ihm vorstellte, etwas kleinlaut, hielt aber seine Behauptung aufrecht. Ich gewann jedenfalls im Großen und Ganzen sehr bald die Ueberzeugung, daß die Leute in Xanten alle unter einem gewissen Druckgefühl stehen, so daß es geboten sei, sehr vorsichtig zu sein. Der Zeuge berichtet nun, in welcher Weise er den Thatort gefunden u. s. w. Er habe alsdann mehrere Leute, Mann und Frau Hegmann, Steinmetz Wesendrup u. s. w. vernommen. Letzterer habe ganz besonders einen sehr schlechten Eindruck auf ihn gemacht. Er habe immer nur antisemitisches Geschimpfe, aber keine Thatsachen gehört. Er sei alsdann zur Staatsanwaltschaft nach Cleve gefahren, um dieser Bericht zu erstatten.
Auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft sei er nach Xanten wieder zurückgefahren und habe bei Buschhoff am 14. Oktober 1891 Haussuchung vorgenommen. Als er zu Buschhoff kam, war dieser gerade in der Synagoge. Er habe gewartet, bis Buschhoff aus der Synagoge zurückkam. Er habe eine Reihe Messer bei Buschhoff beschlagnahmt. Er habe sonst in der Buschhoff’schen Wohnung nichts Auffälliges gefunden.
Präs.: Welchen Eindruck machten Buschhoff, Frau und Tochter und welchen Eindruck haben die Hauptzeugen auf Sie gemacht?
Zeuge: Ich kann das schlecht sagen, da ich die Leute einfach vernehme.
Präs.: Sie sehen sich doch die Leute mit dem geübten Auge eines Polizeibeamten an.
Zeuge: Allerdings.[WS 2]
Präs.: Wie benahm sich Buschhoff, als Sie ihn vernahmen, war er befangen?
Zeuge: Durchaus nicht.
Präs.: Welchen Eindruck machte Mölders auf Sie?
Zeuge: Mölders machte einen guten Eindruck auf mich.
Präs.: Welchen Eindruck macht Ullenboom auf Sie?
Zeuge: Dieser machte auf mich einen sehr unsicheren Eindruck.
Staatsanwalt: Die Messer bei Buschhoff sollen vielfach auf, hinter und unter einem Schrank versteckt gelegen haben? – Zeuge: Allerdings, aber ich hatte nicht den Eindruck, daß die Messer absichtlich versteckt waren. – Polizei-Sergeant Schlöer, der dem Kriminal-Kommissar Wolff bei der Haussuchung assistirt hat, bestätigt die letzte Bekundung des Kriminal-Kommissars.
Der folgende Zeuge ist der Schreinermeister Brandts. Er sei am Vormittage des Peter-Paulstages, zwischen halb und dreiviertel 11 Uhr, dem Buschhoff auf der Kirchstraße begegnet. Buschhoff sei von der Kirchstraße in die Cleverstraße gegangen. Es sei ihm vorgekommen, als sei Buschhoff verrückt. Er habe ganz verstört ausgesehen und sei so schnell nach seinem Hause zu gelaufen, als wenn er von Jemandem verfolgt werde. Dieses Vorkommniß sei ihm so sehr aufgefallen, daß er noch den ganzen Nachhauseweg darüber nachgedacht und als er nach Hause gekommen seiner Frau sofort das Erlebte erzählt habe. – Präs.: Buschhoff, was sagen Sie dazu? – Buschhoff: Ich erinnere mich nicht, dem Mann an diesem Tage begegnet zu sein, es ist aber möglich. Daß ich verstört ausgesehen, bestreite ich. Ich bin vielleicht etwas in Gedanken gewesen. – Präs.: Weshalb liefen Sie aber so furchtbar schnell? – Buschhoff: Es ist möglich, daß die Kirche sehr bald aus war und ich meinen Laden öffnen wollte.
Oberstaatsanwalt Hamm: Sie haben heute zum ersten Male gesagt, daß Sie auf dem ganzen Nachhausewege über das auffallende Wesen des Buschhoff nachgedacht haben. Wie kommt es, daß Sie bisher darüber nichts gesagt haben? – Zeuge: Ich hatte das vergessen.
Es erscheint alsdann als Zeuge der Fuhrherr Mallmann. Dieser bekundet auf Befragen des Präsidenten, daß er am Peter-Paulstage Nachmittags gesehen habe, wie die Hermine Buschhoff etwas, was wie ein Sack ausgesehen, in die Küppers’sche Scheune getragen habe. – Präs.: Wann war das? – Zeuge: Es war entweder viertel vor oder viertel nach drei.
Präs.: Was mag in dem Sack wohl gewesen sein?
Zeuge: Das weiß ich nicht.
Präs.: Wann haben Sie diese Ihre Wahrnehmung angezeigt?
Zeuge: Ich habe diese meine Wahrnehmung dem Polizei-Kommissar Verhülsdonk am 21. Juli angezeigt. – Präs.: Weshalb haben Sie so lange damit gezögert? – Zeuge: Ich hatte das in der Aufregung vergessen. – Präs.: Weshalb waren Sie so sehr aufgeregt? – Zeuge: Ich habe von dem Tage des Mordes kaum noch geschlafen, so sehr hatte mich der Mord aufgeregt. – Präs.: Um so eher hätten Sie doch eine solch’ wichtige Wahrnehmung anzeigen müssen. – Zeuge: Ich hatte in der Aufregung das vergessen. – Oberstaatsanwalt Hamm: Der Zeuge scheint an einer merkwürdigen Gedächtnisschwäche zu leiden. Er ist am 1. Juli von dem Herrn Amtsrichter Riesbroeck und am 12. Juli von dem Herrn Stadtsekretär vernommen worden. Bei beiden Vernehmungen hat der Zeuge von seiner Wahrnehmung nichts bekundet. Von dem Herrn Bürgermeister wurde der Zeuge auf die Anzeige Buschhoff’s, daß er ihn fortwährend verfolge und ihm auf der Straße „Mörder“ nachrufe, verantwortlich vernommen. Aber auch bei dieser Vernehmung hat der Zeuge von seiner heutigen Bekundung nichts gesagt, sondern zu Protokoll erklärt: „Ich weiß aus eigener Wissenschaft nichts über den Mord. Ich habe Verschiedenes von dem Kutscher Stallmann erfahren, dieser hat es von der Schneiderin Mölders gehört, und dieser ist es von einer Frau erzählt worden“. Wenn der Widerspruch des Zeugen sich nicht aufklärt, dann ist er meineidig. – Präs.: Nun, Mallmann, wie kommt es, daß Sie sowohl bei dem Herrn Amtsrichter, als auch bei dem Herrn Stadtsekretär zu Protokoll erklärt haben: Sie wissen aus eigener Wissenschaft nichts von dem Morde, während Sie jetzt mit einer solch’ schwerwiegenden Behauptung hervortreten? – Zeuge: Ich habe heute die Wahrheit gesagt, bei meinen ersten Vernehmungen war mir nicht Alles erinnerlich.
Präsident: Sonst pflegt man bei den ersten Vernehmungen sich bedeutend besser auf geschehene Vorkommnisse zu erinnern, als bei späteren Vernehmungen, bei Ihnen scheint das umgekehrt zu sein?
Zeuge: Herr Präsident, ich habe schon gesagt, ich war so sehr aufgeregt die ganze Zeit über, daß ich nicht schlafen konnte. Ich habe am allermeisten in der Sache gethan und da ist mir nicht gleich Alles im Gedächtniß gewesen. Wenn ich das erzählen wollte, was Frau Buschhoff vor 2 Jahren einmal zu mir gesagt hat, das wäre noch viel schwerwiegender.
Präsident: Erzählen Sie einmal das.
Zeuge: Vor 2 Jahren traf ich die Frau Buschhoff in der Kirchstraße. Da sagte mir Frau Buschhoff: Unsere Verwandten reden uns zu, wir sollen nach Neuß ziehen, denn hier sei ja doch kein Geschäft zu machen. Aber wir wollen erst hier noch ein gutes Geschäft abwarten, dann verkaufen wir Alles und ziehen nach Neuß; das ist doch jedenfalls noch schwerwiegender. (Allgemeine Heiterkeit.)
Präs.: Welche Beziehung soll diese Erzählung zu dem Morde haben?
Zeuge (nach einigem Zögern): Gar keine Beziehung, ich wollte damit blos sagen, daß ich noch länger als drei Wochen zurückdenken kann.
Auf Befragen des Vertheidigers R.-A. Fleischhauer giebt der Zeuge zu, daß er vielfach sich der Mordangelegenheit wegen bei dem Amtsrichter habe melden und ihn sogar von der Table d’hôte habe herausrufen lassen, um ihm angeblich etwas Wichtiges zu sagen.
Frau Mallmann bestätigt, daß Siegmund Buschhoff sich am Peter-Paulstage Nachmittags sehr lange Zeit in dem Küppers’schen Laden aufgehalten habe.
Die 12jährige Elise Küppers bekundet, daß sie am Vormittage des Peter-Paulstages gegen halb 10 Uhr keine Kinder am Portewege gesehen habe.
Die Sitzung wird alsdann gegen halb 9 Uhr Abends auf Donnerstag Vormittag 9 Uhr vertagt.