Der Knabenmord in Xanten vor dem Schwurgericht zu Cleve vom 4. bis 14. Juli 1892/Tag 1

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Der Knabenmord in Xanten
vor dem Schwurgericht.
Unberechtigter Nachdruck verboten
Erster Tag der Verhandlung.

Der Knabenmord in Xanten, der bereits ein volles Jahr in hohem Maße die Oeffentlichkeit beschäftigt, gelangt vor dem Schwurgericht des Königl. Landgerichts zu Cleve zur Verhandlung. Der objektive Thatbestand ist etwa folgender: Am 29.Juni 1891, Nachmittags gegen halb 7 Uhr, entdeckte die Dienstmagd Dora Moll in der sogenannten Fruchtscheune des Stadtverordneten und Kaufmanns Küppers in Xanten die Leiche eines kleinen Knaben. Die Leiche war zum Theil mit Spreu bedeckt, die kleinen Händchen waren fest zusammengeballt und preßten krampfhaft Spreu und Mohnköpfchen, Dinge, die in der Scheune[WS 1] in großen Mengen zerstreut umher lagen, zusammen. Die von der Moll eiligst herbeigeholten Leute stellten sofort fest, daß der Knabe ermordet worden sei, denn der Hals war dem Knaben bis fast zum Rückenwirbel durchschnitten, und der Leichnam schwamm förmlich im Blut. Es waren nur sehr wenig Spritzflecken in der Scheune vorhanden. Das ermordete Kind, in dem man sehr bald den 5 ½ jährigen Johann Hegmann, den Sohn des Schreinermeisters Hegmann in Xanten, erkannte, hatte außer noch einer großen Schnittwunde am Kinn keine weiteren Verletzungen. Die medizinischen Sachverständigen stellten fest, daß die Durchschneidung des Halses an dem Kinde in lebendem Zustande vorgenommen worden und diese auch die Todesursache gewesen ist. Auch sind die erwähnten Sachverständigen der Meinung, daß der Mord etwa sechs Stunden vor der Auffindung der Leiche, da zu jener Zeit die Leichenstarre bereits eingetreten war, stattgefunden haben muß. Noch am Vormittage soll das Kind, ein hübscher, munterer Knabe, in der Nähe der Scheune spielend gesehen worden sein. Ein Lust- oder Raubmord war nach Lage der Dinge ausgeschlossen. Der Befund der Leiche lässt darauf schließen, daß der Mord in der Scheune passirt sei; Niemand hat aber einen Hilferuf oder sonst ein Schreien wahrgenommen. Anfänglich stand man wie vor einem Räthsel. Sehr bald lenkte sich jedoch der Verdacht gegen den Schächter und Vorbeter der jüdischen Gemeinde, Schlächtermeister Buschhoff. Mehrere Kinder und auch Erwachsene wollten gesehen haben, daß das ermordete Kind am Vormittag des 29. Juni von der Frau und der Tochter des Buschhoff in das in unmittelbarer Nähe der Küppers’schen Scheune gelegene Schlachthaus gezogen worden sei. Andere Leute wollten wahrgenommen haben, daß der ermordete Knabe am Vormittage des 29. Juni in dessen Schlachthaus mißhandelt worden sei, weil er dem Buschhoff gehörige Grabsteine beschädigt habe. Noch eine Reihe anderer Verdachtsmomente wurde rege, und diese führten zunächst dazu, daß die Menge dem Buschhoff sein Besitzthum demolirte, an das Buschoff’sche Haus „Mörderhaus“ anschrieb und auch die Läden anderer Xantener Juden durch Einwerfen der Schaufenster u. s. w. beschädigte, zumal das Gerücht auftauchte: Der Mord könne nur mit einem Messer, mit dem jüdische Schächter zu hantiren pflegen, ausgeführt sein, denn der unglückliche Hegmann sei nach Art des „Koscherschächtens“ geschlachtet worden, und die That könne nur deshalb begangen worden sein, weil die Juden zu dem Passahfeste Christenblut nöthig haben. Die Erregung der Menge wuchs derartig, daß die Xantener jüdische Gemeinde sich veranlaßt sah, den Minister des Innern zu bitten, auf ihre Kosten einen tüchtigen Kriminalbeamten behufs Entdeckung des Thäters nach Xanten zu senden. Der Minister entsprach sogleich dieser Bitte und entsandte den Kriminal-Kommissar Wolff aus Berlin nach Xanten. Nachdem Letzterer einige Tage in Xanten geweilt, verhaftete er am 14. Oktober 1891 den Buschhoff, sowie dessen Frau und Tochter wegen Verdachts der Thäterschaft. Die nun gegen die drei Personen eröffnete Untersuchung führte jedoch dazu, daß am 24. Dezember alle drei Verhafteten aus der Haft wieder entlassen und das Verfahren gegen sie eingestellt wurde. Nachträglich scheinen jedoch neue Verdachtsmomente aufgetaucht zu sein, denn Anfang Februar d. J. erfolgte die Verhaftung der drei Personen von Neuem. Nach einiger Zeit wurden Frau und Tochter des Buschhoff wieder entlassen und das Verfahren abermals gegen diese eingestellt. Buschhoff selbst blieb jedoch in Haft, und es wurde gegen ihn die Anklage wegen Mordes erhoben. Da die Beschlußkammer dem erwähnten Antrage des Staatsanwalts beitrat, so erscheint Buschhoff nun unter der Anschuldigung: „am 29. Juni 1891 zu Xanten den Knaben Johann Hegmann vorsätzlich getödtet zu haben, und zwar indem er die Tödtung mit Ueberlegung ausführte,“ vor den Geschworenen. Buschhoff heißt mit Vornamen Adolf, er ist etwa 50 Jahre alt und war einmal im Jahre 1882 wegen Betrugs angeklagt. Von dieser Anklage wurde er damals freigesprochen. Im Uebrigen ist er unbestraft.

Der Schwur-Gerichtssaal ist räumlich so beschränkt, daß es den zahlreichen selbst aus dem Auslande erschienenen Zeitungsberichterstattern große Mühe kosten wird, hinreichenden Platz zu finden. Den Vorsitz des Schwur-Gerichtshofes führt Landgerichtsdirektor Kluth. Als Beisitzer fungiren die Landgerichts-Räthe Grütering und Stickers und Landgerichts-Rath König als Ersatzrichter. Die öffentliche Anklagebehörde vertreten: der Oberstaatsanwalt Hamm (Köln) und der erste Staatsanwalt am Landgericht Baumgard zu Cleve. Die Vertheidigung führen: die Rechtsanwälte Fleischhauer (Cleve), Gammersbach (Köln) und Stapper (Düsseldorf). Als Protokollführer fungirt der erste Sekretär am Clever Landgericht Küpper. Dem Vernehmen nach sind seitens der Staatsanwaltschaft 99, seitens der Vertheidigung 18 Zeugen geladen.

Eine starke Polizeimacht war schon in frühester Morgenstunde vor dem auf einem hohen Berge belegenen Gerichtsgebäude postirt. Der Andrang des Publikums ist ein ganz gewaltiger, so daß es den Berichterstattern nur mit vieler Mühe möglich ist, zu ihren Plätzen zu gelangen. Gegen halb 10 Uhr Vormittags wird der Angeklagte, ein kleiner Mann mit Vollbart, von zwei Gendarmen auf die Anklagebank geführt. Der Angeklagte macht den Eindruck eines gebrochenen Mannes. Sein Haar ist fast vollständig ergraut, seine Gesichtsfarbe dagegen eine sehr gesunde. – Zu bemerken ist noch, daß als Hilfsprotokollführer Referendar Jordans bestellt ist.

Der Präsident, Landgerichtsdirektor Kluth, eröffnet die Sitzung und richtet an die Geschworenen eine längere Ansprache, indem er dieselben auf ihre Pflichten: „nur nach bestem Wissen und Gewissen zu urtheilen“, aufmerksam macht. Es wird alsdann zur Ausloosung der Geschworenen geschritten. Es werden ausgeloost Goldarbeiter Wedershoven (Geldern), Graf v. Loë (Wissen), Ackerer v. d. Loo (Pfalzdorf), Kaufmann Kauwertz jr. (Kaldenkirchen), Oberförster Frommhold (Wemb), Kaufmann Belling (Goch), Kaufmann Ling (Süchteln), Kaufmann Spickschen (Bluhn), Kaufmann Gerlings (Dülken), Kaufmann Winters (Moers, Kreis Moers) und Ackerer Windbergs (Hinsbeck), Kaufmann ter Meer (Moers). Als Ersatz-Geschworene werden Mühlenbesitzer Holz (Süchteln) und Gutsbesitzer Commesmann (Bönninghardt) ausgeloost.

Bei der Vereidigung der Geschworenen erklärt ein Geschworener, daß er Mennonit sei. Derselbe wird vom Präsidenten von der Ableistung des vorgeschriebenen Eides entbunden und erklärt durch Handschlag, daß er nach bestem Wissen und Gewissen sein Urtheil abgeben werde.

Der Angeklagte, der etwas schwerhörig ist, wird auf Veranlassung des Präsidenten vor dem Richtertisch plazirt. Der Angeklagte giebt an, daß er im Jahre 1840 in Xanten geboren und israelitischer Konfession sei. Er sei Metzger und Viehhändler und war früher Schächter der Xantener jüdischen Gemeinde. Im Jahre 1871 habe er geheiratet und hatte 6 Kinder. Von diesen leben noch 3, 2 Mädchen und 1 Knabe. Das älteste Mädchen Hermine sei in seinem Haushalte beschäftigt, seine zweite Tochter Rosalie sei s. Z. in Wesel, jetzt in Stollberg, sein Sohn Siegmund befinde sich bei der Mutter in Cöln und besuche dort die Schule. Nach Verlesung des Anklagebeschlusses richtet der Präsident an den Angeklagten die Frage: Buschhoff, Sie sind angeklagt, den 5jährigen Johann Hegmann, der auch „Joanchen“ genannt wurde, vorsätzlich und mit Ueberlegung getödtet zu haben. Wenn Sie der Thäter gewesen sind, dann rathe ich Ihnen, es einzugestehen. Wenn ein Angeklagter ein Verbrechen, das er gethan, eingesteht, dann hat er am ehesten auf eine milde Beurtheilung der That und auf Verzeihung bei Gott zu rechnen. Ich fordere Sie deshalb in Ihrem eigenen Interesse auf, die Wahrheit zu sagen. Haben Sie den kleinen Hegmann getödtet? – Buschhoff: Nein, ich habe es nicht gethan, wenn ich es gethan hätte, dann würde ich es schon längst eingestanden haben. – Präs.: Sie stellen also die wider Sie erhobene Anklage, wie Sie es bisher gethan, in Abrede? – Angekl.: Jawohl. – Präs.: Es wird Ihnen bekannt sein, daß an dem katholischen Feiertage Peter und Paul, am 29. Juni v. Js. Abends, der kleine Johann Hegmann in der Küppers’schen Scheune ermordet aufgefunden wurde. Das Kind ist am 29. Juni gegen 10 Uhr Vormittags in der Nähe Ihres Hauses spielend gesehen worden, von dieser Zeit ab war es verschwunden. – Angekl.: Das ist mir bekannt. – Präs.: Wie lebten Sie mit Ihrer Nachbarschaft? – Angekl.: Ich lebte mit meiner Nachbarschaft vollständig in Frieden. – Präs.: Lebten Sie mit dem Schreinermeister Hegmann in Unfrieden? – Angekl.: Durchaus nicht. – Präs.: Sie handelten auch mit jüdischen Grabsteinen? – Angekl.: Jawohl. – Präs.: Es sollen Ihnen nun Grabsteine beschädigt worden sein? – Angekl.: Jawohl, der Schaden war aber ganz unbedeutend. – Präs.: Wie hoch mag sich der Schaden belaufen haben? – Angekl.: Der Schaden war noch nicht so viel wie eine Stecknadel werth. – Präs.: Sie sollen den kleinen Hegmann im Verdacht gehabt haben, die Grabdenkmäler beschädigt und ihm auch mit den Worten gedroht haben: „Na warte, Du kommst in den Thurm!“ – Angekl.: Das ist nicht wahr, im Uebrigen war nur ein Grabstein in ganz unscheinbarer Weise beschädigt worden. – Präs.: Die Beschädigung soll Ihr Sohn Siegmund gemacht haben? – Angekl.: Das ist mir nicht bekannt, ich hatte den bei mir beschäftigten Steinmetz Wesendrup im Verdacht. – Präs.: Wesendrup soll häufig betrunken gewesen sein? – Angekl.: Jawohl. Wesendrup hatte am Freitag vor dem Morde das letzte Mal bei mir gearbeitet. Er war an diesem Tage wieder total betrunken und sagte: „Morgen haben die Juden wieder Schabbes, ich werde aber dafür sorgen, daß die Juden keinen Schabbes haben.“ Da er mit derartigen Redensarten auch wiederholt meine Kinder belästigte, so verbot ich dem Wesendrup das fernere Betreten meines Hauses. – Präs.: Erzählen Sie einmal, was Sie am Tage des Mordes, am Montag, den 29. Juni gethan haben. – Der Angeklagte erzählt in etwas umständlicher Weise: Ich bin des Morgens gegen halb 6 Uhr aufgestanden, habe mich angekleidet und bin in die Synagoge gegangen. Gegen 7 Uhr bin ich aus der Synagoge nach Hause gekommen und gegen 9 Uhr in die Klug’sche Gastwirthschaft gegangen. Dort habe ich einen Mann, Namens Frank, getroffen und bin mit diesem in meine Wohnung gegangen, um eine geschäftliche Angelegenheit zu besprechen. Ich ging etwa gegen dreivirtel 11 Uhr mit Frank weg, begegnete alsdann meinem Nachbar, dem Klempner Ullenbom. Gegen halb 1 Uhr kam ich nach Hause und habe zunächst gebetet und eine Tasse Kaffee getrunken. Ich hatte an diesem Tage, dem Todestage meines Vaters, bis halb 1 Uhr gefastet. Gegen 1 ¼ Uhr habe ich mit meiner Familie zu Mittag gespeist und alsdann einen kleinen Mittagsschlaf gehalten. Gegen 3 Uhr Nachmittags hat mich meine Tochter mit den Worten geweckt: „Vater, steh’ auf, die Leute versammeln sich schon an der Pumpe“. Am Peter-Paulstage versammeln sich gewöhnlich die Bürger in Xanten, setzen sich um die Pumpen herum, trinken Bier und besprechen verschiedene Angelegenheiten. Man nennt das „Pumpen-Kirmes“. Ich stand auf, ging zur Pumpen-Kirmes und kehrte gegen 5 Uhr Nachmittags in meine Wohnung zurück. Mehrere Bekannte baten mich, zu Schaut mit Kegeln zu kommen. Nach einigem Widerstreben leistete ich dieser Aufforderung Folge. Etwa gegen halb 7 Uhr brachte ein Mann die Nachricht in die Schaut’sche Wirthschaft: in der Küppers’schen Scheune sei der kleine Johann Hegmann ermordet aufgefunden worden. Ich begab mich sofort nach Hause und ging mit meiner Frau und meinem Sohne Siegmund zu den Eltern des kleinen Hegmann. Diese wohnten in meiner nächsten Nachbarschaft, und wenn Jemand selbst Kinder verloren hat, dann kann der den Schmerz der Eltern ermessen, wenn ihnen ein Kind in dieser Weise ermordet wird. Wir trösteten die unglücklichen Eltern. Der Frau Hegmann, die sich in hochschwangerem Zustande befand und vor Schmerz förmlich ohnmächtig wurde, ließ ich schleunigst ein Brausepulver holen. Gegen halb 8 Uhr Abends begab ich mich in die Synagoge zum Abendgebet und kehrte aus derselben gegen halb 9 Abends in meine Wohnung zurück. – Nach einer kurzen Pause erklärt der Erste Staatsanwalt Baumgard: Er könne den Geschworenen schon jetzt bemerken, daß die in großen Zügen von Buschhoff gemachte Erzählung über seinen Aufenthalt am Tage des Mordes, von den Zeugen im Großen und Ganzen bestätigt worden ist.

Präs.: Ich will den Herren Geschworenen bemerken, daß die Anklage als muthmaßliches Motiv des Mordes nur den Umstand angiebt: der Angeklagte habe die That begangen, weil der kleine Hegmann ihm seine Grabsteine beschädigt habe. Im Uebrigen haben die medizinischen Sachverständigen festgestellt, daß der Mord, angesichts der Leichenstarre, mindestens 6 Stunden vor Auffindung der Leiche stattgefunden haben müßte.

Es werden alsdann den Geschworenen die Zeichnungen von dem Thatorte, von der Lage der Buschhoff’schen Wohnung u. s. w. vorgelegt und das Protokoll des Lokalbefundes verlesen. Auf Antrag des Vertheidigers Rechtsanwalt Fleischhauer werden den Geschworenen auch Photographien von dem Thatorte u. s. w. vorgelegt und von dem Vertheidiger erörtert. An dem Buschhoff’schen Hause, so bemerkt der Vertheidiger, seien die unteren Fenster nicht mehr vorhanden. Die Polizei zu Xanten habe es für nöthig gehalten, die Fenster mit Brettern zu versehen, da die Fenster dem Buschhoff eingeschlagen worden seien.

Es wird alsdann zur Zeugenvernehmung geschritten. Die erste Zeugin ist die Dienstmagd Dora Moll. Diese bekundet auf Befragen des Präsidenten, daß sie vergangenes Jahr bei Küppers in Xanten als Magd gedient und das Vieh zu besorgen hatte. Am Peter-Paulstage, Nachmittags gegen halb 7 Uhr, habe sie die Kühe füttern und melken wollen. Nach beendigtem Melken habe sie mit dem Füttern beginnen wollen; Sie habe nun einen Leichnam in der Scheune liegen sehen, in dem sie bei näherer Besichtigung den kleinen Johann Hegmann erkannte. Der Leichnam habe mit den Füßen nach der Scheunenthür, mit dem Köpfchen nach der Wannmühle zu gelegen. Sie habe zunächst den Sohn ihres Dienstherrn herbeigerufen. Sehr bald sei auch ihr Dienstherr hinzugekommen. – Präs.: Hat der Leichnam geblutet? – Zeugin: Das weiß ich nicht. – Präs.: Sie kannten den kleinen Hegmann? – Zeugin: Jawohl. – Präs.: Sie sind schon einmal an demselben Tage Vormittags in dieser Scheune gewesen, um die Kühe zu füttern und zu melken? – Zeugin: Jawohl. – Präs.: Wann war das? – Zeugin: Zwischen 11 und 12 Uhr. – Präs.: Sie sagten, als Sie fortgingen, habe es gerade geläutet? – Zeugin: Jawohl. – Präs.: Wann findet das Läuten statt? – Zeugin: Wenige Minuten vor 12 Uhr. – Präs.: Um diese Zeit haben Sie den Leichnam noch nicht gesehen? – Zeugin: Nein. – Präs.: Hätten Sie ihn sehen müssen, wenn er damals dort gelegen hätte? – Zeugin: Jawohl. – Erster Staatsanwalt Baumgard: Sie haben früher nicht mit der Bestimmtheit bekundet, daß sie den Leichnam hätten sehen müssen, wenn er schon am Vormittag dort gelegen hätte? – Zeugin: Ich hätte den Leichnam wohl schon am Vormittag gesehen, wenn er zu dieser Zeit schon dort gelegen hätte. – Vertheidiger Rechtsanwalt Fleischhauer: In der Scheune befindet sich eine Schaukel, auf der sich die Kinder aus der Nachbarschaft oftmals schaukelten. – Zeugin: Jawohl. – Verth.: Hat sich auch der kleine Hegmann bisweilen geschaukelt? – Zeugin: Jawohl, aber nicht oft. – Auf weiteres Befragen des Vertheidigers giebt die Zeugin zu, daß die Scheune von drei Seiten von Jedermann zu betreten war.

Es tritt alsdann bis 4 Uhr Nachmittags eine Pause ein.

Nach Wiederaufnahme der Verhandlung wird mit der Zeugenvernehmung fortgefahren. Es erscheint zunächst als Zeuge Wilhelm Küppers, Sohn des Mathias Küppers in Xanten. Dieser bekundet auf Befragen des Präsidenten:

Am 29. Juni, Nachmittags gegen halb 7 Uhr, wurde ich von unserer Dienstmagd Dora Moll in die Fruchtscheune gerufen. Er habe dort den kleinen Johann Hegmann liegen sehen. Zunächst sei er der Meinung gewesen, daß der Kleine schlafe. Bei näherem Zusehen merkte er aber, daß der Kleine todt war. Er habe den anscheinend Schlafenden berührt und bemerkt, daß er kalt war. – Präs.: War der Leichnam stark beblutet? – Zeuge: Nein. – Präs.: Haben Sie Verletzungen an dem Kinde bemerkt? – Zeuge: Nein. – Erster Staatsanwalt Baumgard: Haben Sie sich den Leichnam genau angesehen? – Zeuge: Nein. – Staatsanwalt: Haben Sie gar kein Blut bemerkt. – Zeuge: Jawohl, am Kopf und im Gesicht. – Staatsanwalt: In Ihrer Scheune befindet sich eine Schneidemaschine, die zum Zerkleinern von Früchten und Stroh dient. – Zeuge: Jawohl. – Präsident: Wieweit stand die Maschine von dem Leichnam entfernt? – Zeuge: Etwa 3-4 Schritte. – Staatsanwalt: War die Maschine scharf? – Zeuge: Nein, scharf war das Messer der Maschine nicht. – Staatsanwalt: Es war aber doch jedenfalls scharf genug, um Früchte und Stroh zu zerschneiden? – Zeuge: Jawohl. – Staatsanwalt: Es ist das nämlich ein Irrthum, und eigentümlicher Weise ist dieser Moment in das Untersuchungs-Protokoll nicht aufgenommen worden. – Vertheidiger, Rechtsanwalt Fleischhauer: War der Boden, auf dem der Leichnam lag, beblutet? – Zeuge: Das weiß ich nicht.

Der folgende Zeuge ist der Handelsmann Junkermann (Xanten): Ich muß vorausschicken, daß ich mit Buschhoff sehr befreundet war. Wir dutzten uns und nannten uns beim Vornamen. Am 29. Juni Abends gegen 7 Uhr hörte ich, daß in der Küppers’schen Scheune der kleine Johann Hegmann aufgefunden wurde. Ich ging sehr bald darauf bei Buschhoff vorüber. Buschhoff und Frau standen vor der Thür. Ich trat an die Leute heran und sagte: „Buschhoff, der Mord ist doch in Deiner nächsten Nähe passirt, Du mußt doch etwas davon wissen?“ Frau Buschhoff sagte: „Wie soll mein Mann etwas davon wissen“, Buschhoff selbst aber antwortete mir gar nicht, sondern drehte mir den Rücken und ging in’s Haus hinein. Von diesem Augenblick fiel mir etwas auf. Präs.: Was fiel Ihnen auf? – Zeuge: Daß Buschhoff der Mörder sei. Ich habe später den Thatort untersucht und dort weder Blut noch Spritzflecken gefunden. Ich hatte bis dahin an rituelle Morde nicht geglaubt, ich wurde aber anderer Meinung, als ich das Fehlen des Blutes und die Art der Ermordung des Knaben feststellte. – Präs.: Wann haben Sie den Thatort besichtigt? – Zeuge: Am Mittwoch nach dem Morde. – Präsident: Der Mord wurde am Montag begangen? – Zeuge: Jawohl. – Staatsanwalt: Haben Sie den Leichnam gesehen? – Zeuge: Nein, ich habe mir aber das Aussehen des Leichnams genau beschreiben lassen und habe als ehemaliger Metzgermeister meine Ansicht dahin geäußert. Ein Jude, Namens Benjamin Sander, sagte mir einige Tage darauf: Sie haben Angaben gegen Buschhoff über den Mord gemacht, Ihnen wird von Niemandem mehr etwas abgekauft werden. Als ich einige Zeit darauf nach Crefeld und Neuß kam, wurde mir gedroht, daß es mir ebenso ergehen werde wie dem kleinen Hegmann. – Präs.: Wer drohte Ihnen? – Zeuge: Es waren Juden, die ich nicht kannte.

Staatsanwalt: Wann kamen Sie zu der Ansicht, daß ein ritueller Mord vorliegt? – Zeuge: Nachdem ich am Mittwoch den Thatort besichtigt und mir die Art der Ermordung beschrieben wurde.

Vertheidiger Rechtsanwalt Fleischhauer: Ist nicht der Steinmetz Wesendrup Ihr Schwager? – Zeuge: Nein, Wesendrup hat nur eine Halbschwester von mir zur Frau. – Vertheidiger: Der Zeuge hat soeben gesagt, er sei am Mittwoch zum ersten Male zu der Ueberzeugung gelangt, daß ein ritueller Mord vorliegt. Ich stelle nun an den Zeugen die Frage: Ob er nicht schon am Tage nach dem Morde zu dem Herrn Bürgermeister gegangen sei und diesem gesagt habe, den Mord kann nur ein Jude ausgeführt haben, er wisse von seinem Sohne, der Arzt sei, daß die Juden Christenblut zu rituellen Zwecken nöthig haben. – Zeuge: Davon weiß ich nichts. – Verth.: Ist es wahr, daß Sie am 29. Juni, Abends zwischen 10 und halb 11 Uhr bei Buschhoff vorübergegangen sind und gerufen haben: Schöne Polizei in Xanten; wenn ich Polizei hier wäre, dann würdest Du schon längst festsitzen. Buschhoff hat Ihnen geantwortet: Wenn Sie etwas wissen, dann ist es Ihre Pflicht, der Behörde Anzeige zu machen. Sie haben hierauf den Buschhoff gefragt: Ist vielleicht ein Meschuggener (Verrückter) in Ihrer Familie? – Zeuge: Das ist nicht wahr. – Vertheidiger: Sie stellen also all’ dies in Abrede? – Zeuge: Es ist ja möglich, daß ich etwas Aehnliches gesagt habe. – Verth.: Am 3. März d. Js. enthielt der „Xantener Bote“ ein Gutachten, unterschrieben von dem Handelsmann und Metzgermeister Heinrich Junkermann, wonach der Leichnam einen koscheren Schächtschnitt aufweist, der nur von einem Juden ausgeführt sein kann. Haben Sie dieses Gutachten geschrieben und unterschrieben? – Zeuge: Nein. – Vertheidiger: Haben Sie das Gutachten im „Xantener Boten“ zur Zeit gelesen, und haben Sie Schritte nach dem Manne gethan, der Ihren Namen in dieser Weise gemißbraucht hat? – Zeuge: Nein. – Vertheidiger: Haben Sie das Gutachten gelesen? – Zeuge: Jawohl. – Vertheidiger: Sie haben aber keine Schritte gegen den Mißbrauch Ihres Namens gethan? – Zeuge: Nein. – Vertheidiger: Dann beantrage ich, den Redakteur des „Xantener Boten“, Herrn Kaplan Bresser, als Zeuge zu laden.

Nach wiederholtem Befragen giebt der Zeuge Junkermann schließlich zu, daß er das Schriftstück unterschrieben, aber nicht selbst geschrieben habe.

Vertheidiger Rechtsanwalt Fleischhauer: Wissen Sie, wer das Schriftstück verfasst hat? – Zeuge: Nein, das weiß ich nicht. – Verth.: Ich halte meinen Antrag auf Ladung des Kaplan Bresser aufrecht.

Präs.: Nach der jetzigen Erklärung des Zeugen dürfte sich die Vernehmung des Kaplan Bresser erübrigen.

Vertheidiger Rechtsanwalt Gammersbach: Wir bestehen auf der Vernehmung des Kaplan Bresser, da wir einmal wissen wollen, ob der Zeuge das Schriftstück nicht doch selbst geschrieben hat und wie dasselbe zu Stande gekommen ist.

Nach kurzer Berathung beschließt der Gerichtshof, dem Antrage der Vertheidigung stattzugeben.

Es wird alsdann ein an die Staatsanwaltschaft gesandtes anonymes Schreiben verlesen, in dem in eingehendster Weise darzuthun gesucht wird, daß ein Jude, Namens B., der Mörder sein müsse und daß ein ritueller Mord vorliege. Hierauf wird ein zweites, von H. Junkermann unterschriebenes, an die Staatsanwaltschaft gelangtes und von derselben Hand, wie das erste geschriebene Schriftstück, ähnlichen Inhalts verlesen. Der Zeuge bekundet, daß er das Schriftstück nicht geschrieben, er auch den Schreiber nicht kenne.

Der Präsident läßt diese Bekundung des Zeugen protokolliren, alsdann giebt auf weiteres Befragen des Präsidenten der Zeuge zu, daß er einem seiner Kinder die Schriftstücke diktirt habe.

Buschhoff bemerkt: Der Zeuge habe am Abende des Mordes in mauschelndem Tone ihm gesagt: Wenn ich Polizei wäre, dann hätte ich den Mörder schon längst. Wie so, kennen Sie denn den Mörder? fragte ich. Das bist Du, sagte Junkermann, Du wirst wohl den Jungen gemißbraucht haben. Ich antwortete: Wenn es noch ein Mädchen wäre, dann hätte das noch einen kleinen Schein von Berechtigung, es war doch aber ein Knabe. Du scheinst niemals in Berlin gewesen zu sein, versetzte Junkermann, gerade mit Knaben werden solche Sachen gemacht. – Präs.: Junkermann, ist das wahr? – Junkermann: Jawohl, ich glaubte auf diesem Umwege von Buschhoff etwas herauszubekommen.

Präs.: Buschhoff, Sie sollen dem Junkermann, als er Sie gefragt, wer wohl den Mord begangen haben könne, nicht geantwortet, sondern ihm den Rücken gekehrt haben und in Ihr Haus gegangen sein? – Buschhoff: Das ist nicht wahr, ich schlage meine Frau und Tochter als Zeugen darüber vor.

Es wird alsdann zur Vernehmung des Dr. med. Steiner geschritten. Dieser bekundet, daß er am 29. Juni gegen 9 Uhr Abends die Leiche untersucht habe. Die Leichenstarre sei vollständig eingetreten gewesen, so daß er annehme, der Mord müsse sechs Stunden vorher, also etwa gegen drei Uhr Nachmittags begangen worden sein. Auf der Leiche habe ein Mehlsack gelegen. Der Hals war dem Knaben bis auf den Rückenwirbel vollständig glatt durchgeschnitten. Die Leiche lag auf dem Rücken. Auf dem Boden war eine kleine Blutlache; seiner Meinung nach sei nicht so viel Blut vorhanden gewesen, als man nach Art des Schnittes hätte finden müssen. Er sei der Meinung, daß in der Scheune nur eine Nachblutung stattgefunden habe und der Mord nicht in der Scheune geschehen sei. – Staatsanw.: Ist es wahr, daß Sie gesagt haben, die Durchschneidung des Halses des ermordeten Knaben glich einem koscheren Schächtschnitt? – Zeuge: Das kann ich nicht gesagt haben, da ich gar nicht weiß, wie ein Schächtschnitt aussieht.

Der Vertheidiger, Rechtsanwalt Gammersbach hält dem Zeugen vor, daß er anfänglich zu Protokoll erklärt habe, eine größere Menge Blutes als er heute angegeben, gefunden zu haben. Der Zeuge giebt dies schließlich zu.

Der folgende Zeuge ist der Gerichts-Assessor Buchwald: Er habe am Tage nach dem Morde, Vormittags, den 30. Juni den Thatort besichtigt und eine größere Blutlache, wo die Leiche gelegen, vorgefunden. Auch das Schürzchen, das Gesicht und der Kopf des ermordeten Kindes sei vollständig beblutet gewesen. Ebenso fanden sich unterhalb des Strohes, auf dem der Leichnam lag, große Blutspuren vor. Der Sohn des Angeklagten Buschhoff, der kleine Siegmund, habe, als er die Scheune mit ihm (dem Zeugen) gemeinsam betreten, sofort seinen Blick nach der Leiche gerichtet. – Präs.: Das war Ihnen aufgefallen? – Zeuge: Jawohl. – Präs.: Wie benahm sich sonst der Knabe, bemerkten Sie außerdem etwas Auffallendes an demselben? – Zeuge: Nein, es fiel mir nur auf, daß der Junge sofort beim Betreten der Scheune nach der Stelle sah, wo die Leiche lag. – Präs.: Benahm sich der Junge frech? – Zeuge: Das kann ich nicht sagen, er benahm sich aber auch nicht schüchtern. Der Zeuge bemerkt im Weiteren, daß er auf dem Wege von der Wallstraße aus Fußspuren gefunden habe.

Amtsrichter Dr. Christburg: Als ich von der Staatsanwaltschaft den Auftrag erhielt, Recherchen anzustellen, da wurde mir zunächst mitgetheilt, daß ein junger, siebzehnjähriger Mensch, Namens Körner, der That verdächtig sei. Ich begab mich sofort zu Körner und war, nachdem ich denselben kurze Zeit vernommen, der Ueberzeugung, daß dieser junge Mann nicht der Mörder sei. Alsdann wurde der Verdacht rege, daß ein Mann, Namens Knippenberg, ein Onkel des kleinen Hegmann, ein schwachsinniger Mensch, den Mord begangen habe. Ich nahm bei Knippenberg sofort die erforderlichen Recherchen vor, fand aber nicht das Geringste, was diesen verdächtigen konnte. Ein weiterer Verdacht fiel auf den kleinen Siegmund Buschhoff. Ich nahm diesen in die Scheune mit, zeigte ihm die Leiche und fragte ihn: Kennst Du den? Der kleine Buschhoff murmelte einige unverständliche Worte und begann zu weinen. Auch bei Frau Buschhoff fiel mir auf, daß diese außerordentlich freundlich mir entgegenkam. – Präsident: Kannten Sie denn das Wesen der Frau Buschhoff von früher? – Zeuge: Nein, es ist allerdings möglich, daß die Frau ein so freundliches Wesen hat, mir fiel aber ihr Wesen auf. Sehr bald fiel auch der Verdacht auf den Angeklagten Buschhoff. Einige Tage später kam der Vorsteher der jüdischen Gemeinde und der Oberrabbiner aus Crefeld zu mir in’s Hotel und fragten mich, wie es mit der Sache stehe. Alsdann kam Schreinermeister Hegmann, der Vater des ermordeten Johann, zu mir und sagte mir: ein Mann, Namens Mölders, will gesehen haben, wie Frau und Tochter des Buschhoff am Vormittage des 29. Juni den kleinen Hegmann in die Buschhoff’sche Wohnung gezogen haben. Ich lud sofort den Mölders vor, und dieser, der keineswegs betrunken war, zeigte mir in drastischer Weise, wie Frau Buschhoff und Tochter den Knaben in das Buschhoff’sche Haus gezogen haben. Der Polizei-Sekretär, den ich nah dem Leumund des Mölders fragte, sagte mir: der Mann sei etwas zweifelhaft, aber wenn er als Zeuge vereidigt werde, sei er wohl glaubhaft. – Auf weiteres Befragen bemerkt der Zeuge, daß er nur einige Tropfen Blut am Thatorte gefunden, so daß er die Ueberzeugung erlangt habe: der Mord sei nicht am Fundorte ausgeführt worden.

Es meldete sich alsdann nochmals der Zeuge Junkermann und bemerkt: Er erinnere sich nun, daß, als er sein Gutachten im „Xantener Boten“ gelesen, er in die Redaktion gegangen sei und dem Redakteur gesagt habe, das Gutachten sei nicht ganz richtig. Herr Kaplan Bresser habe ihn in Folge dessen aufgefordert, das Gutachten zu ändern.

Es wird alsdann Kreisphysikus Dr. Bauer (Mörs) als Sachverständiger und Zeuge vernommen.

Vertheidiger Rechtsanwalt Fleischhauer: Ich stelle zunächst an den Herrn Kreisphysikus die Frage: Ob er nach seinem letzten Gutachten mit dem Herrn Kriminal-Kommissar Wolff aus Berlin in Verbindung getreten ist? – Kreisphysikus Doktor Bauer: Herr Kriminal-Kommissar Wolff aus Berlin kam zu mir nach Mörs und theilte mir mit, daß er mir einige Mittheilungen über den Xantener Knabenmord machen wolle. Ich lehnte zunächst eine Unterredung mit dem Kriminalkommissar ab. Schließlich ließ ich aber den Kriminalkommissar vor. Dieser erzählte mir nun: Er habe die Ueberzeugung, daß Buschhoff den kleinen Hegmann aus Rache ermordet, weil der ermordete Knabe ihm seine Grabsteine beschädigt habe. Auch sei er der Ueberzeugung, daß der Mord in der Wohnung des Buschhoff ausgeführt und der Leichnam alsdann in die Scheune geschafft worden sei. Ich machte sofort ein großes Fragezeichen und muß bemerken, daß ich zunächst der Meinung war, daß ein Lustmord geschehen sei. Ich nahm eine dahingehende Untersuchung vor, fand diese Vermuthung aber in keiner Weise bestätigt. Im Weiteren bemerkt Kreisphysikus Dr. Bauer: Er habe eine beträchtliche Masse Blut am Thatorte gefunden und zwar soviel, als der Ermordete nach Lage der Verwundung nur verlieren konnte. Die Sachen des Ermordeten waren über und über beblutet. Er habe die Ueberzeugung, daß die That am Fundort ausgeführt worden sei. Es müssen zwei tiefe Flachschnitte mit großer Gewalt gemacht worden sein, so daß der Hals sofort vollständig bis an den Rückenwirbel abgeschnitten wurde. Der Tod, der in Folge Verblutung erfolgt sei, müsse etwa zwei Minuten nach geschehener That eingetreten sein.

Die Verhandlung wird hier gegen halb 9 Uhr Abends auf Dienstag, Vormittags 9 Uhr, vertagt.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: in der Scheune in der Scheune