Der Klapperer auf dem Kirchhofe zu Thierbach

Textdaten
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Autor: Johann Georg Theodor Grässe
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Titel: Der Klapperer auf dem Kirchhofe zu Thierbach
Untertitel:
aus: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 2. S. 68–69
Herausgeber:
Auflage: Zweite verbesserte und vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Schönfeld
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Erscheinungsort: Dresden
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google-USA* und Commons
Kurzbeschreibung:
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Bearbeitungsstand
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674) Der Klapperer auf dem Kirchhofe zu Thierbach.
Bechstein a. a. O. S. 481 sq. Metr. bearb. v. Hager H. I. S. 15 sq.

Auf dem Kirchhofe zu Thierbach ohnweit Pausa war vor Zeiten ein Gerippe, dessen Knochen alle noch zusammenhingen. Es stand in einer Mauernische und diente der Dorfjugend theils zum Schreck, theils zum Frevel. Wenn der Wind stark wehete, schlugen die gebrechlichen Glieder klappernd zusammen, darum nannte man es den Klapperer. Das Gerippe hatte einst einem reichen Bauernsohn, man sagt dem Sohne des Schulzen angehört, der ein armes Mädchen aus dem Dorfe liebte und um ihre Unschuld betrog. Als dies geschah, hatte er ihr zugeschworen: „wenn ich Dir untreu werde und Dich nicht nehme, soll mein Leib niemals im Grabe ruhen!“ Aber er durfte das Mädchen doch nicht heirathen, und wollte hernach auch nicht, und freite sich eine reiche Frau. Die Arme aber fand doch auch einen Mann, der sie zu Ehren brachte, jener Treulose aber wurde nicht glücklich mit der reichen Frau, vielmehr höchst unglücklich, und da ergab er sich dem Trunke und starb an einem unglücklichen Sturz, den er in der Trunkenheit gethan. Er ward begraben, aber der Sarg mit seinem Leibe hatte keine Ruhe in der kühlen Erde, er hob sich empor und immer sah man ein klein wenig davon aus dem Grabe ragen. Man schüttete frische Erde darauf, es half aber nichts und der [69] Sarg rückte immer höher. Da hob man ihn endlich heraus und stellte ihn in ein offenes Gewölbe, wo man die Todtenbahre zu verwahren pflegte. Allmählig verfiel der Sarg und das Gerippe wurde frei und Allen sichtbar. Darüber gingen aber Jahre hin und Viele wußten schon nicht mehr, wie der geheißen, der einst in diesem Leibe gewandelt, aber die Sage ging, daß er immer noch wandere, rastlos und ruhelos. Da wurde zu Thierbach eine Hochzeit gehalten, auf der viele Junge und Alte waren, und das junge Volk spielte ein Pfänderspiel. Es war schon Mitternacht. „Was soll das Pfand thun, das ich in meiner Hand trage?“ fragte eine Stimme. „Es soll den Klapperer vom Kirchhofe hierher tragen!“ erscholl die Antwort. Alles lachte, aber fast unbemerkt war der, dem das Pfand gehörte und der die kecke Dirne liebte, die eine so frevelhaften Wunsch ausgesprochen, zum Kirchhof gegangen, hatte sich mit dem Klapperer beladen und kam bald darauf mit seiner Last angerasselt. Alles schrie auf vor Schreck und Entsetzen, der Bursche aber war stolz auf seine Courage. Mitten in den Lärm der jungen Leute trat aber ein alter Mann und sprach ernste Worte: „gebt dem Klapperer Alle die Hand, und bittet ihn um Verzeihung, daß Ihr ihn gestört, sonst wird Unglück über Euch kommen.“ Zagend thaten die Versammelten, was der Alte gebot, nur ein Mütterlein stand fern, und Thränen zitterten in ihren Augen. „Auch Du, auch Du mußt bitten!“ rief ihr der Alte zu. Und sie schritt zitternd heran, faßte die Knochenhand und flüsterte: „verzeihe, wie ich selber Dir verzeihe!“ Es war die Verlassene. Siehe da lösten sich gleich die Knochenbänder und das Gerippe sank aus einander. Man sammelte und begrub die Knochen und der Klapperer hatte nun Ruhe.