Textdaten
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Autor: Widar Ziehnert
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Titel: Der Hofnarr zu Augustusburg
Untertitel:
aus: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. Band 2, S. 127–134
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1838
Verlag: Rudolph & Dieterici
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Erscheinungsort: Annaberg
Übersetzer:
Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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Indexseite
[127]
14.
Der Hofnarr

zu
Augustusburg.

[128] Das Schloß Augustusburg ließ Kurfürst August, der Bruder Moritzens, nach Beendigung der Grumbachischen Händel, in den Jahren 1568 bis 1572 an der Stelle des 1547 durch den Blitz zerstörten Raubschlosses Schellenberg erbauen. Die hier erzählte geschichtlich wahre Begebenheit fällt ins Jahr 1572.




[129]

     Der Kurfürst1) stand im hohen Saal,
     und schaute auf den Hof hinab.
     Sein Narr zwang heut zum ersten Mal
     ihm nicht das kleinste Lächeln ab.

5
Stets finster bleibt des Fürsten Auge,

wie auch der Narr den Witz gebrauche.

     „Schweig denn mit deinem faden Scherz!“
     zürnt ihm der Fürst mit düsterm Blick.
     „Dein Mund ist voll, doch leer dein Herz,

10
     und deine Thorheit war dein Glück.

Mich ärgert’s, daß mit meinem Golde
ich solchen Narrenwitz besolde!“

     „Dein träges Amt hört heut noch auf,
     arbeiten sollst du Narr fortan!

15
     Hol’ mir den Zimmermann herauf,

     und tritt du seine Stelle an!
Er soll nun deine Schelle2) tragen,
und du sollst mit der Axt dich plagen!“ –

[130]

     Im Hofe lag ein Zimmermann

20
     im Mittagsschlummer hingestreckt,

     vom Fuße bis zum Hals hinan
     mit seinem Lederschurz bedeckt.
Den wollte nun der Fürst erküren,
und mit des Narren Schelle zieren.

25
     Der Kurfürst spricht zum andern Mal:

     „Hol’ mir den Zimmermann herauf!
     Für dich ist weiter keine Wahl;
     dein lustig Amt hört ernsthaft auf.
Der Mann hat lang sich plagen müssen,

30
und wird sein Glück zu nützen wissen.“


     Der Narr vor Schreck steht starr und bleich,
     und sinnet lang, und spricht sodann:
     „Doch, Herr, wie nun, ihr irrtet euch?
     todt wäre jener Zimmermann?

35
Müßt’ ich dann auch an seine Stelle?

Herr, oder bliebe mir die Schelle?“

     Der Kurfürst spricht: „Er schlummert blos,
     doch wär’ er todt von ohngefähr,
     dann freilich wärst der Axt du los,

40
     und bliebst mein Narr, so wie bisher.

Jetzt rasch, und hol’ ihn her zur Stelle,
und gieb’ ihm Pritsche, Kapp’ und Schelle!“

[131]

     Der Narr rennt in den Hof hinab,
     und faßt ein Beil, und – großer Gott!

45
     er haut den Kopf dem Schläfer ab,

     und ruft hinauf: „Der Mann ist todt!
Muß ich nun auch an seine Stelle?
Herr, oder bleibt mir meine Schelle?“

     Er wähnt, belachen soll der Fürst

50
     mit ihm den freventlichen Scherz.

     Doch, ach, du armer Narr, du irrst!
     Ein Narren- ist kein Fürstenherz! –
Der Kurfürst, bleich und ohne Oden,
stürzt jach hinunter zu dem Todten,

55
     Und fasset wilden Ingrimms voll

     den blutbespritzten Narren an:
     „Verfluchter Mörder, bist du toll?
     Was hat dir dieser Mann gethan?
Das bringt dich, beim allmächt’gen Gotte!

60
das schleppt dich Teufel zum Schaffotte!“


     Der Kurfürst ruft’s: der Mörder wird
     flugs zum Gefängnißthurm gebracht.
     Dort sitzt, von Ketten nur umklirrt,
     er jammernd in der ew’gen Nacht,

65
und scheut und sehnt sich voller Bangen,

das Todesurtheil zu empfangen.

[132]

     Es ist gefällt. Da kommt ein Brief
     vom Kaiser Max.3) Er war nicht groß,
     jedoch in seinem Innern schlief

70
     gar Großes, eines Menschen Loos.

Max bat, des lust’gen Narren Leben
nicht dem Schaffotte Preis zu geben.

     Beim Kaiser stand des Narren Kunst
     in hoher Huld durch manchen Schwank.

75
     Vom Tode rettet Fürstengunst,

     jedoch der Narr nur weiß ihr’s Dank!
Der Kurfürst hielt auf Recht und Sitten,
nur drängten ihn des Kaisers Bitten.

     Zum Boten, der den Brief gebracht,

80
     spricht er voll Aerger und Verdruß:

     „Reit’ noch zurück in dieser Nacht,
     und meld’ dem Kaiser meinen Gruß.
Den Tod woll’ ich dem Narr ersparen,
doch Todesangst müss’ er erfahren.“

85
     Am andern Tage4) wird der Narr

     vom Kerker aufs Schaffott geführt.
     Der Henker, der ihn holte, war
     mit blutigrothem Kleid geziert,
und zog den Mantel um die Lende,

90
und barg darunter seine Hände.


[133]

     Zu sterben weiß ein wackrer Mann,
     jedoch ein Narr scheut sich vorm Tod!
     Wie wankt aufs Blutgerüst hinan,
     wie weint der Narr in seiner Noth!

95
Er bittet ängstlich, ihm von hinten

zuvor die Augen zu verbinden.

     Drauf betet er noch abermals,
     und kniet am Blocke starr und bleich.
     Der Henker haut ihn um den Hals

100
     mit einem schlanken Weidenzweig –

mit todeskrampfiger Geberde
stürzt alsobald der Narr zur Erde.

     Und ha, gebrochen ist sein Blick,
     vom Schreck verzerrt sein Angesicht.

105
     Der Tod giebt ihn nicht mehr zurück.

     Was Gott will, ändern Kaiser nicht!
Der fromme Kurfürst ruft vernichtet:
„Ja, Gott, du hast gerecht gerichtet!“






[134]
Anmerkungen:

1) Kurfürst August, der Erbauer von Augustusburg, seit 1553 Kurfürst, starb am 11. Febr. 1586, und ward seiner Güte wegen vom Volke nur Vater August, und seine treffliche Gattin nur Mutter Anna genannt.

2) Die Schellen waren ein bezeichnender Theil der Narrenkleidung, welche überhaupt drollig genug war. Denn ein Hofnarr damaliger Zeit trug eine runde, turbanförmige, oft mit drei Eselsohren und einem Hahnekamm und unzähligen Schellen besetzte Mütze (Narrenkappe), einen großen, gleichfalls mit Schellen besetzten Kragen (Narrenkrause), und eine Pritsche oder Kolben, der in einem Riemen am Arme getragen, und früher blos ein einfaches Holz war, später aber mit einem feingeschnitzten Kopfe, der die Narrenkappe aufhatte, am obern Ende verziert ward.

3) Maximilian II., seit 1564 Kaiser, vorzüglich durch den Einfluß des Kurfürsten August, war diesem befreundet, und beauftragte ihn, die Reichsacht an Herzog Joh. Friedrich dem Mittlern von Gotha, der den geächteten Ritter Wilhelm von Grumbach bei sich aufgenommen hatte, zu vollziehen. August that es, und als Kriegskostenersatz erhielt er die Aemter Sachsenburg, Arnshaug, Weida und Ziegenrück zum Unterpfand, bis sie 1660 für immer an die albertinische Linie abgetreten wurden. Außerdem verdankte August dem Kaiser Maximilian II. die Anwartschaft auf die Anhältischen Reichslehen, und war ihm so zu großem Dank verbunden.

4) Am 5. Oktbr.