Textdaten
<<< >>>
Autor: Conrad Ferdinand Meyer
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Der Hengert
Untertitel:
aus: Gedichte, Seite 89-93
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von H. Haessel
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
Originaltitel: {{{ORIGINALTITEL}}}
Originalsubtitel: {{{ORIGINALSUBTITEL}}}
Originalherkunft: {{{ORIGINALHERKUNFT}}}
Quelle: Google-USA* und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]


[89]

Der Hengert.

Vater Lucas sprach beim Frühstück:
„Heute, Herr, ist hier ein Hengert!“
Und ich fragte: „Was ist Hengert?“
Mich belehrte Vater Lucas:

5
„Hengert, Herr, bedeutet Reigen,

Ball und Sprung und Fußgezappel
In der Sprache der Grisonen
Und Ihr möchtet böse schlummern,
Sucht Ihr heut nicht still’re Ruhstatt!“

10
„Vater Lucas, keine Sorge!

Hab’ ich erst mich müd’ gewandert,
Schlief’ ich auch in einem Meersturm!“

Freudig nahm ich meinen Bergstock,
Stieg hinan die saft’gen Weiden,

15
Wo sich tummeln braune Fohlen,

Durch bewegliches Gerölle

[90]
Klomm ich auf zum sel’gen Gipfel,

Den mit leichtem Kuß berühren
Heimatlose Wanderwolken.

20
Müde kehrt’ ich heim ins Berghaus

Um die Zeit der ersten Lichter.
Vor der Pforte stand ein Häuflein,
In der Mitte Musikanten,
Rechts die Bursche, links die Mädchen,

25
Doch kein Scherzwort flog herüber

Und hinüber flog kein Trutzwort.
Lässig mit gekreuzten Armen
Standen sie geschieden, feindlich
Sich mit dunkeln Blicken messend.

30
Und ich stieg in meine Kammer,

Legte mich getrost zur Ruhe.
Bald erklang Musik piano,
Allgemach begann der Hengert,
Sachte schritt er, schläfrig schleift’ er,

35
Wie Geschlurfe von Pantoffeln.

Heimlich spottet’ ich der trägen
Füße, der bequemen Herzen
Im Gebirge der Grisonen
Und versank in süßen Schlummer....

[91]
40
Horch! Ein Ton, ein feurig greller,

Schlägt empor wie eine Flamme!
Jach erhitzen sich die Bleche
Und die Geige streicht ein Dämon!
Mir zur Rechten, mir zur Linken,

45
Mir zu Häupten, mir zu Füßen,

Ungezügelt, ungebändigt,
Erderschütternd stampft der Reigen,
Immer lauter, wilder, toller
Tobt und rast und dröhnt und tritt er,

50
Daß erbeben alle Balken,

Tosend sausten durch die Lüfte
Berghaus, Hengert, Folterkammer,
Wie voreinst die hochgelobte
Casa santa durch die Lüfte

55
Fuhr von Istrien nach Loretto,

Doch von Engeln sie getragen,
Ich von höllischen Gewalten
An den Sabbat auf dem Blocksberg..

Also ging es bis zum Morgen,

60
Da die heil'ge Frühe löschte

Stern an Stern am ew’gen Leuchter
Ueber schwarzen Tannenbergen.
Lechzend öffnet’ ich das Fenster,
Einzuschlürfen Morgenlüfte,

65
Abzukühlen die zertanzte

Fieberschwüle Stirn im Winde....

[92]
Wagen rollten in die Ferne,

Trugen fort die letzten Gäste.
Unterm Vordach ein Geflüster –

70
Ein aus tiefster Brust geseufztes,

Ein aus tiefster Brust erwiedert
Leidenschaftliches Addio....