Der Höllenstein ist eine Großmacht geworden

Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Der Höllenstein ist eine Großmacht geworden
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aus: Die Gartenlaube
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1863
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[480] Der Höllenstein ist eine Großmacht geworden. Auf seine Anwendung stützt sich die Photographie, von deren Ausübung in Paris bereits vor zwei Jahren 20,000 Menschen lebten. Jetzt hat sich diese Zahl vielleicht verdoppelt, und eine Grenze der Steigerung ist noch gar nicht abzusehen. Wenn nun auch nicht in so großartiger Weise, so ist doch auch in Deutschland wenigstens für den dringendsten Bedarf gesorgt und die Nachfolger unsers Bock, bekanntlich Einer der Ersten, der sich um die Einführung und Verbreitung der französischen Erfindung der Lichtbildnerei bei uns verdient gemacht hat, vermehren sich von Tag zu Tag auf das Unglaublichste.

Man hat berechnet, daß ein einziges glückliches Kaninchenpaar im Stande wäre, die ganze Erde in acht Jahren zu bevölkern. Die Photographen spotten aller Anstrengungen der Arithmetiker.

Der Höllenstein ist salpetersaures Silberoxyd. Er hat wie viele Silbersalze die Eigenschaft unter der Einwirkung des Lichtes schwarz zu werden, und diese Eigenschaft bringt in der Camera obscura die Bilder auf dem Papiere hervor. Das zu photographischen Aufnahmen bestimmte Papier wird mit einer Silberlösung getränkt, in die dunkle Kammer an diejenige Stelle gebracht, wo das Bild hinfällt, und den Strahlen desselben eine gewisse Zeit ausgesetzt. Je nach dem Grade ihrer Beleuchtung werden die hellen Stellen schwarz, die dunklen (Schatten-) Partien dagegen bleiben hell. Es entsteht ein sogenanntes negatives Bild, welches gewissermaßen wie die verkehrte Schrift eines Petschaftes zur Herstellung naturgetreuer, positiver Bilder benutzt, aber auch selbst durch mancherlei chemische Proceduren in ein solches verwandelt werden kann.

Ein Pfund Silberlösung mit einem Gehalt von drei Loth salpetersaurem Silberoxyd genügt, um 800 Papierstücke von der Größe der jetzt beliebten Visitenkartenbilder zu präpariren. Mit einem Pfund Höllenstein ist also 4000 zärtlichen Paaren die Möglichkeit gegeben, sich erlaubter oder unerlaubter Weise zu besitzen.

Der Höllenstein hat eine dämonische Natur. Er ist den beziehentlichen Eltern und Vormündern gefährlicher als der Schmied von Gretna Green. Wie die Schmetterlinge beglückt er die heitere Jugend, dem humpelnden Kohlbauer legt er gotteslästerliche Reden in den Mund. Ihn aus der Liebe verbannen zu wollen, wäre so albern, als den Molkendieben das Eierlegen untersagen zu lassen.

In der Gold- und Silberscheideanstalt zu Frankfurt sind im letzten Geschäftsjahre über 5400 Pfund des feinsten Kornsilbers im Betrage von 163,428 Thaler an chemische Fabriken zur Darstellung von salpetersaurem Silber geliefert worden.

Aus diesen 54 Centner Silber können 6992 Pfund Höllenstein angefertigt werden. Jedes Pfund davon läßt eine Präparirung von 8000 Visitenkarten zu. Die freie Reichsstadt hat also allein schon das Ihrige in einem Jahre gethan, um jeden lebenden Deutschen mit all seinen Orden, Rüstungen, ledernen Fahnen, oder was er sonst zu seiner persönlichen Ausschmückung für das passendste hält, der Nachwelt zu überliefern.

Von England kommen Visitenkarten in den Handel, deren eine 500 Köpfe berühmter Persönlichkeiten enthält. Die Photographen werden dem Conversationslexikon Concurrrenz machen. Ein Pfund Höllenstein ermöglicht die Herstellung von zwei und einer halben Million berühmter Männer. So viel könnten wir ungefähr in Deutschland zusammenbringen, wenn wir die Gelehrten des kleinen Reactionair mitrechnen wollten. Im Ganzen aber hätte die Frankfurter Scheideanstalt das Material geliefert für 22,000 Millionen Portraits. Nun sage man, daß das Silber nicht das edelste Metall ist. Aus einem bleiernen Löffel macht ein Nürnberger Spielwaarenfabrikant 25 Soldaten, Officiere oder Gemeine, gleichviel, aus einem silbernen kann der König von Preußen sich jeden Soldaten seines Kriegsheeres einzeln abbilden lassen.